- Sprite-Ästhetik oder warum Bubble Bobble ein Gesamtkunstwerk ist
- Schreib für Hanau! Deine Worte für Zusammenhalt in Vielfalt
- Morgen: Das Große im Kleinen entdecken – Veranstaltung auf dem Green Culture Festival
- Text der Woche: Erfolgreich unterwegs von Hartmut Dorgerloh
Sehr geehrte Damen und Herren,
der folgende kleine Basic-Code zaubert mittels des extensiven Einsatzes des direkten Speicherzugriffes durch POKE und PEEK, ein einfaches Grafikobjekt, hier ein Rechteck auf den Bildschirm des legendären 8Bit-Computer C64 aus den 1980er-Jahren. Das Rechteck fährt jeweils von links oben nach rechts unten auf dem Bildschirm und wechselt bei jedem Durchlauf seine Farbe. Das ist nicht die Welt, aber damals vor mehr als vierzig Jahren war so etwas ein kleines Wunder.
10 FOR I= 0 TO 62: POKE 832 + I, 170: NEXT
20 POKE 2040, 13: POKE 53269, 1: POKE 53276, 1: POKE 53277,1
30 POKE 53271, PEEK (53271) OR 16: C = 0
40 FOR D = 0 TO 1
50 IF D=0 THEN FOR P= 0 TO 255: GOSUB 80: NEXT
60 IF D=1 THEN FOR P= 255 TO 0 STEP-1: GOSUB 80: NEXT
70 C = (C+1) AND 15: POKE 53287, C: NEXT: GOTO 40
80 POKE 53248, P: POKE 53249, P: RETURN
Wenige Zeilen Programm und schon bewegt sich ein Grafikbaustein, auch Sprite genannt, über den Bildschirm. Sprites sind eigenständige, bewegliche Grafikobjekte, die unabhängig vom Hintergrund auf dem Bildschirm dargestellt werden können.
Anders als normale Bildschirmgrafik verändern sie nicht den Speicherbereich des Hintergrundbildes, sondern werden von der Grafik-Hardware wie eine transparente Folie darübergelegt. Sie besitzen eigene Positionen (X- und Y-Koordinaten), eine eigene Farbinformation und häufig auch Kollisionserkennung, das für die Spieleprogrammierung absolut notwendig ist. Dadurch ermöglichen sie Animation und Interaktion mit geringem Rechenaufwand, was besonders in der Ära langsamer 8-Bit-Computer wie dem Commodore 64 und 128 und dem Atari 400/800/XL/XE entscheidend war.
Die Entwicklung von Sprites begann Ende der 1970er-Jahre mit Systemen wie dem Atari 400/800, wo sogenannte »Player/Missile Graphics« als frühe Sprite-Form realisiert wurden. 1982 führte Commodore beim C64 mit dem VIC-II-Chip echte Hardware-Sprites ein. Diese erlaubten 24×21 Pixel große Grafiken, die sich durch Register direkt verschieben und einfärben ließen. Spätere Rechner wie der 16-Bit-Amiga ergänzten die Spritetechnik durch zusätzliche Hardware wie Blitter und Copper, was nahezu unbegrenzte grafische Möglichkeiten eröffnete.
Technisch gesehen bieten Sprites viele Vorteile: Sie erfordern keine Neuberechnung des Bildschirms bei Bewegung, können unabhängig vom Hintergrund schnell animiert werden, und erlauben Interaktion durch Kollisionserkennung. Sprites machen Spiele flüssig, ohne die CPU stark zu belasten, und ermöglichen selbst mit wenigen Kilobyte Grafikdaten komplexe visuelle Effekte.
Die Ästhetik von Sprites ergibt sich dabei maßgeblich aus ihren Beschränkungen: begrenzte Auflösung, reduzierte Farbanzahl und feste Formen erzwingen eine starke stilistische Vereinfachung. Gerade diese Reduktion führt zu ikonischen, klaren Darstellungen und zu nicht wenigen Kunstwerken. Da sich Sprites scharf vom Hintergrund abheben, entstehen außerdem visuelle Ebenen, die oft Tiefe und Übersichtlichkeit erzeugen. Die Bewegungen, die rein über Hardware-Register erfolgen, wirken flüssig und reaktionsschnell. So wurde eine ganze Designsprache entwickelt, die viele Klassiker, etwa Pac-Man, Turrican oder Gianna Sisters und natürlich auch das von mir so geliebte Bubble Bobble prägte.
Bubble Bobble wurde 1986 von dem Designer Fukio Mitsuji bei Taito entwickelt. Taito war ein japanisches Videospieleunternehmen, dass 1978 mit der Entwicklung von Space Invaders, eines der einflussreichsten Spiele aller Zeiten vorgestellt hatte.
Taito ist heute kein unabhängiger Arcade-Gigant mehr, wie in den 1980ern, aber es lebt im Videospieleunternehmen Square Enix weiter, in dem so bekannte Rollenspiele wie Final Fantasy und Dragon Quest verlegt wurden. Im selben Jahr, in dem Bubble Bobble erschien, veröffentlichte Taito auch Arkanoid, ein ebenfalls ikonografisches Spiel, das auch heute noch von Millionen von Menschen auf ihrem Handy gespielt wird.
Bubble Bobble gilt auch deshalb als Grafik-Ikone und Gesamtkunstwerk der Videospielgeschichte, weil es mehrere visuelle, ästhetische und gestalterische Prinzipien auf exemplarische Weise vereint – und zwar zu einer Zeit, in der die technischen Möglichkeiten stark begrenzt waren.
Zunächst besticht das Spiel durch seine klar erkennbare visuelle Sprache: Die Protagonisten Bub und Bob sind zwei kleine Dinosaurier, deren Formen einfach, rund und sofort wiedererkennbar sind. Sie sind aus nur wenigen Sprites zusammengesetzt, die mit bewusst reduzierter Farbpalette arbeiten – ein typisches Mittel der 8-Bit-Ära, das hier jedoch besonders künstlerisch genutzt wird. Die Hauptfiguren wirken lebendig, weil ihre Animationen weich und liebevoll gestaltet sind, trotz der beschränkten Hardware.
Die Gegner und Level-Grafiken sind in einem einheitlichen Stil gehalten: knallige Farben, geometrisch saubere Linien, stets in leicht lesbarer, fast ikonischer Formsprache. Die Gestaltung der Level ist dabei nicht nur ästhetisch, sondern auch funktional – jedes Leveldesign ist eine grafische Miniatur mit klarer Lesbarkeit und präziser Steuerungslogik. Auch die Hintergrundmusik – ein fortlaufendes, eingängiges Chiptune-Stück – verstärkt die grafischen Eindrücke, da sie sich perfekt mit den Bildschirmereignissen synchronisiert.
Wesentlich zur künstlerischen Wirkung trägt bei, dass Bubble Bobble ein kohärentes Erlebnis schafft: Figurendesign, Animation, Farbschema, Typografie (der Punkte und Bonus-Anzeigen), Spielprinzip und Sounddesign bilden eine geschlossene ästhetische Einheit. Dieses Zusammenspiel verleiht dem Spiel ein eigenes »Universum«, das stilistisch aus einem Guss wirkt.
Nicht zuletzt hat Bubble Bobble mit seiner fröhlichen, fast kindlich anmutenden Optik eine visuelle Gegenwelt zu den damals eher düsteren oder techniklastigen Spielen geschaffen. Die beiden Dinosaurier töten ihre Gegner nicht, sondern sie hüllen sie in eine ausgespuckte Blase ein, die die Gegner wegträgt. Das Spiel lädt zum gewaltlosen Spielen ein, ohne überfordernd zu sein – durch Farben, Formen und Bewegungen entsteht ein Spiel, das sofort vertraut wirkt, dessen Regeln sich unmittelbar selbst erklären.
Auch heute sind die in den 1980er Jahren erfundenen Sprites in der Entwicklung von 2D-Spielen präsent, oft als sogenannte Sprite-Sheets oder Tilesets, und prägen den Look zahlreicher Retro- und Indie-Games. In der Emulation, beim Game-Modding oder in der Kunstproduktion (Demos) mit alten Systemen sind Sprites nach wie vor ein zentrales Gestaltungsmittel. Was einst eine technische Notlösung war, ist heute ein Stilmittel mit hoher Wiedererkennbarkeit und kulturellem Wert – eine eigenständige visuelle Sprache des digitalen Zeitalters.
In der kommenden Ausgabe von Politik & Kultur, der Zeitung des Deutschen Kulturrates, beschäftigen wir uns im Schwerpunkt mit der kulturellen Dimension von PEEK & POKE. Spezielle Veranstaltungen dazu finden Ende Juni (in Kooperation mit dem rbb) im Computerspielemuseum in Berlin, Mitte August zur gamescom in Köln und Mitte September auf der Classic Computing 2025 in Hof statt. Im kulturpolitischen Wochenreport lesen sie rechtzeitig nähere Informationen.
Ich freue mich schon jetzt über ihr Interesse an diesem sicher für einige etwas ungewöhnlichen Thema.
Ihr
Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des
Deutschen Kulturrates
PS. Durch die freundliche Unterstützung des GAME ist es uns möglich, endlich die zweite, stark erweiterte Auflage des Handbuch Gameskultur vorzubereiten. Im Herbst erscheint das Buch!
2. Schreib für Hanau! Deine Worte für Zusammenhalt in Vielfalt
Bundesweiter Schulwettbewerb zum Kreativen Schreiben gegen Rassismus und Ausgrenzung ausgelobt
Der Wettbewerb der Initiative kulturelle Integration in Kooperation mit ihren Mitgliedsverbänden, dem dbb beamtenbund und tarifunion und dem Deutschen Gewerkschaftsbund ist Teil des Aktionstags Hanau, den der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien gemeinsam mit der Initiative kulturelle Integration ins Leben gerufen hat, um die Namen der Opfer des Anschlags in Hanau vom 19. Februar 2020 nicht zu vergessen und ein deutliches Zeichen gegen jegliche Form von Rassismus und Ausgrenzung zu setzen.
Kern des Aktionstags ist ein Wettbewerb an Schulen. Nach dem Schultheatertreffen „HANAU – Schultheater für Zusammenhalt in Vielfalt“ (2023), dem Kunstwettbewerb „Junge Kunst für Hanau“ (2024) und zuletzt dem Musikwettbewerb „Ohren auf für Hanau!“ (2025), steht nun das Kreative Schreiben im Zentrum des diesjährigen Schulwettbewerbs.
Infos zum Wettbewerb
- Hier geht es zur Ausschreibung.
- Einsendeschluss: 22. Oktober 2025.
Erfahren Sie weitere Details auf der Projektseite zum Wettbewerb.
3. Morgen: Das Große im Kleinen entdecken – Veranstaltung auf dem Green Culture Festival
Unter dem Motto „Das Große im Kleinen entdecken“ gebe ich morgen auf dem Green Culture Festival in der Zeche Zollverein in Essen einen Einblick in die Kunstformen der Natur, die sich im Kleinen zeigt, in Lebewesen und in Pflanzen, die nur mit einer Lupe gesehen werden können.
Hier finden Sie weitere Information zur Veranstaltung.
- Zeit: Freitag, 13.06.2025, 12:15-13:00 Uhr
- Ort: Rundeindicker – Ruhrmuseum in der Zeche Zollverein Essen
4. Text der Woche: Erfolgreich unterwegs
Reaktion von Hartmut Dorgerloh auf das Reform-Tagebuch, Folge 9, von Hermann Parzinger in Politik & Kultur 5/25
Hermann Parzinger hat in der letzten Ausgabe seines Reform-Tagebuchs die »Zusammenlegung« der Stiftung Humboldt Forum (SHF) mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) gefordert, also die Auflösung der SHF. Seine Kritik: organisatorische Reibungsverluste, unklare Zuständigkeiten und eine »Addition der Angebote«, Probleme in der Ausschilderung, zu wenig Zusammenarbeit mit der Museumsinsel und keine Integration des Museums der Europäischen Kulturen der SPK. Das liest sich beinahe wie eine Zusammenstellung von – nicht nur vom Wissenschaftsrat attestierten – Problemlagen der SPK, denen mit der aktuellen Reform zu Leibe gerückt werden soll.
Hartmut Dorgerloh ist Kunsthistoriker und Denkmalpfleger.
Seit 2018 ist er Generalintendant und Vorstandsvorsitzender
der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss
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