KW19: Neues von der Künstlersozialkasse, Digitaltag 2021, Jahrestagung der Initiative kulturelle Integration, …

... Corona + Kulturelle Bildung, Vorankündigung: Für alle, nicht die Wenigen, Text der Woche

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das Bundeskabinett hat am Mittwoch einen Gesetzesvorschlag von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, MdB (SPD) gebilligt, wonach Künstlerinnen und Künstler übergangsweise deutlich mehr Geld als sonst mit nicht-künstlerischer Tätigkeit verdienen dürfen, ohne ihren Versicherungsschutz in der Künstlersozialkasse (KSK) zu verlieren. Die Verdienstgrenze für selbstständige, nicht künstlerische Arbeit, die normalerweise wie für Minijobs bei 450 Euro liegt, wird bis Ende 2021 auf 1.300 Euro pro Monat angehoben. Bis zu diesem Betrag soll der Kranken- und Pflegeversicherungsschutz über die Künstlersozialkasse bestehen bleiben, den die Kulturschaffenden andernfalls verlören.

 

Die Künstlersozialkasse soll außerdem 2022 zur finanziellen Stabilisierung der Künstlersozialabgabe eine weitere Erhöhung des Bundeszuschusses um 84,5 Millionen Euro erhalten, um fehlende Einnahmen auszugleichen. Kultureinrichtungen und kulturwirtschaftliche Betriebe müssen eine prozentuale Abgabe auf an Künstlerinnen und Künstler gezahlte Honorare an die Künstlersozialkasse zahlen. Weil ihre Einnahmen wegbrechen, zahlen sie seit Beginn der Pandemie auch entsprechend wenig in die KSK ein.

 

Sehr viele Fragen haben mich zu diesen Maßnahmen erreicht. Deshalb hier die Gesetzänderungen die im Bundeskabinett beschlossen wurden im Einzelnen:

 

1. § 34a Künstlersozialversicherungsgesetz soll wie folgt neu gefasst werden:

 

(1) Der Bund leistet im Haushaltsjahr 2022 einen Entlastungszuschuss in Höhe von 84 558 000 Euro an die Künstlersozialkasse.
(2) Der Entlastungszuschuss wird bei der Bestimmung des Prozentsatzes der Künstlersozialabgabe für das Kalenderjahr 2022 neben den in § 26 Absatz 2 Nummer 1 bis 3 genannten Berechnungsgrundlagen berücksichtigt.

 

Begründung: Mit der Regelung wird der Bund ermächtigt, an die Künstlersozialkasse im Jahr 2022 einen ergänzenden Zuschuss für die Versicherung nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz in Höhe von 84 558 000 Euro zu leisten, um negative Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf den Abgabesatz der Künstlersozialabgabe auszugleichen. Der Entlastungszuschuss des Bundes stellt sicher, dass der Abgabesatz der Künstlersozialabgabe auch für das Jahr 2022 stabil bei 4,2 Prozent gehalten werden kann. Dadurch wird die Liquidität der Unternehmen in Anbetracht des zu erwartenden unverminderten Fortdauerns der Covid-19-Pandemie bis weit in das Jahr 2021 nicht zusätzlich mit einem Anstieg der Künstlersozialabgabe belastet und ein nach dem Ende der Krise einsetzender wirtschaftlicher Aufschwung dadurch nicht behindert.

 

2. § 53 Künstlersozialversicherungsgesetz soll wie folgt neu gefasst werden:

 

Abweichend von § 5 Absatz 1 Nummer 5 und Absatz 2 Nummer 1 ist in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung nach diesem Gesetz im Zeitraum vom … [einsetzen: Tag nach der Verkündung dieses Gesetzes] bis zum Ablauf des 31. Dezember 2021 erst dann versicherungsfrei, wer eine nicht unter § 2 fallende selbstständige Tätigkeit erwerbsmäßig ausübt und daraus ein Arbeitseinkommen erzielt, das voraussichtlich 1 300 Euro im Monat übersteigt, wenn eine Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung nach diesem Gesetz im Zeitraum ab dem 1. Januar 2020 eingetreten ist oder eintritt.

 

Begründung: Die erheblichen Einschränkungen des öffentlichen Lebens infolge der Covid-19-Pandemie und die anhaltende wirtschaftliche Krisensituation im Kunst- und Kulturbereich bedeuten für Kreativschaffende, Künstlerinnen und Künstler sowie Publizistinnen und Publizisten nach wie vor besondere Belastungen. Fortlaufend wegbrechende Einnahmen führen dazu, dass viele Kunst- und Kulturschaffende vermehrt nach kurzfristigen Auswegen und Alternativen auch jenseits ihres künstlerischen Schaffens suchen. Anders als bei einer zusätzlichen abhängigen Beschäftigung, für die das Kriterium der „Haupttätigkeit“ gilt, führen Einkünfte aus einer weiteren selbstständigen nichtkünstlerischen Tätigkeit dazu, dass der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz bereits dann unterbrochen wird, wenn Versicherte eine zusätzliche selbständige Tätigkeit oberhalb der Geringfügigkeitsschwelle nach § 8 SGB IV (450 Euro) ausüben. Um daraus resultierende, pandemiebedingte Härten zu vermeiden und der besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit der Versicherten Rechnung zu tragen, wird ihnen für die Dauer des Befristungszeitraums ein Zuverdienst von bis zu 1 300 Euro im Monat aus einer selbstständigen nicht-künstlerischen Tätigkeit ermöglicht, ohne dass der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz entfällt. Der Versicherungsschutz nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz endet innerhalb des Befristungszeitraums erst dann, wenn Kunst- und Kreativschaffende eine selbstständige nicht-künstlerische Tätigkeit in einem Umfang ausüben, die einem Beschäftigungsverhältnis jenseits des beitragsprivilegierten Übergangsbereichs vergleichbar ist. Voraussetzung für eine Anwendung dieser Regelung ist, dass der Zuverdienst die Geringfügigkeitsschwelle erst nach Beginn der Pandemie überschreitet. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der 1. Januar 2020.

 

Der vom Bundeskabinett am Mittwoch beschlossene Gesetzesvorschlag schafft für viele Kreative Entlastung in einer sehr belastenden Situation. Denn nicht wenige Künstlerinnen und Künstler haben sich auf bewundernswerte Weise ein zweites Standbein als Selbstständige inmitten der Corona-Pandemie aufgebaut, um überleben zu können. Diese Eigeninitiative wird in diesem Jahr, wenn der Gesetzentwurf vom Deutschen Bundestag gebilligt wird, nicht mehr bestraft werden, da die KSK-Versicherten bis zu 1.300 Euro brutto pro Monat, also 15.600 Euro im Jahr, in nicht-künstlerischer, selbstständiger Tätigkeit verdienen dürfen, ohne ihren Versicherungsschutz in der KSK zu gefährden.

 

Leider ist diese gute Maßnahme auf das Jahr 2021 beschränkt. Wir hätte uns eine Regelung bis Ende 2022 gewünscht. Vielleicht wird das Parlament bei der jetzt anstehenden parlamentarischen Debatte hier noch eine Verbesserung erreichen.

 

Trotzdem, zusammen mit einem stabilen Abgabesatz auch im kommenden Jahr für Kulturunternehmen von 4,2 Prozent sind die Maßnahmen eine sehr wichtige Unterstützung des Kulturbereiches in der Corona-Krise.

 

Ihr

 

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
Twitter: olaf_zimmermann

 

 

PS. Norbert Reichel hat auf seinem Blog „Demokratischer Salon“ ein ausführliches Gespräch über meine Arbeit für den Deutschen Kulturrat mit mir geführt. Vielleich ist es für Sie von Interesse. Hier geht es zu dem Gespräch.

 


 

Digitaltag 2021: Jetzt Aktion anmelden

 

Am 18. Juni findet der diesjährige Digitaltag statt. Der Aktionstag bietet eine Plattform, um verschiedene Aspekte der Digitalisierung zu beleuchten, Chancen und Herausforderungen zu diskutieren und einen breiten gesellschaftlichen Dialog anzustoßen. Ziel des Digitaltages ist die Förderung der digitalen Teilhabe.

 

Es steht allen offen, sich mit eigenen Aktionen einzubringen – ob Privatperson, Verein, Unternehmen oder öffentliche Hand; ob online oder vor Ort (sofern möglich).

 

Mögliche Formate sind Dialoge, Online-Beratungen, virtuelle Führungen, Tutorials und Seminare oder Hackathons.

 

Die einzelnen Aktivitäten werden auf hier auf einer interaktiven Aktionslandkarte dargestellt. Aktionsanmeldungen sind dort bis zum 7. Juni möglich.

 

Trägerin des Digitaltages ist die Initiative „Digital für alle“. Dahinter steht ein breites Bündnis von 27 Organisationen aus den Bereichen Zivilgesellschaft, Kultur, Wissenschaft, Wirtschaft, Wohlfahrt und öffentliche Hand.

 

Der Deutsche Kulturrat ist von Beginn an Teil des Partnernetzwerkes der Initiative „Digital für alle“.

 


 

Die Initiative kulturelle Integration lädt zu ihrer vierten Jahrestagung am 8. Juni 2021 ein

 

„Erwerbsarbeit ist wichtig für Teilhabe, Identifikation und sozialen Zusammenhalt“, so lautet die These 14 der 15 Thesen der Initiative kulturelle Integration, die den Fokus der vierten Jahrestagung bildet. Im Jahr 2016 hat das breite Bündnis von 28 Institutionen und Organisationen aus Zivilgesellschaft, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Sozialpartnern, Medien, Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden die 15 Thesen für „Zusammenhalt in Vielfalt“ als Grundlage für die kulturelle Integration aller in Deutschland lebenden Menschen formuliert.

 

U.a. mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters MdB; Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes; Hubertus Heil MdB, Bundesminister für Arbeit und Soziales und Ulrich Silberbach, Bundesvorsitzender des dbb beamtenbund und tarifunion.

 

Coronabedingt wird die Jahrestagung aus dem dbb forum berlin live gestreamt.

 

  • Hier finden Sie das detaillierte Programm der Jahrestagung der Initiative kulturelle Integration.
  • Hier geht es direkt zur Anmeldung für die Online-Workshops.

 


 

Zum Nachhören: WDR3 „Die Folgen der Corona-Pandemie für die Kulturelle Bildung“

 

Wie wirken sich die Folgen der Corona-Pandemie künftig auf die Weiterbildungen im Bereich der Kulturellen Bildung aus? Abschied von der Präsenz? Bestimmen Online-Formate künftig das Lernen? Wie verändert das die Inhalte, Themen und Techniken traditioneller Bildungsstätten, etwa der Bundes- und Landesmusikakademien? Welche neuen Lehr- und Lernformate entstehen? Nicht zuletzt, wie verändert das die kulturelle Teilhabe?

 

Michael Köhler diskutiert mit seinen Gästen:

 

  • Dr. Peter Buhrmann, Geschäftsführer des Verbands der Bildungszentren im ländlichen Raum e.V., Berlin
  • Prof. Christian Höppner, Generalsekretär Deutscher Musikrat
  • Klaus Kaiser, Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Kultur und Wissenschaft Nordrhein-Westfalen
  • Prof. Dr. Susanne Keuchel, Direktorin Akademie der Kulturellen Bildung des Bundes und des Landes NRW, Remscheid / Vorsitzende Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung / Präsidentin Deutscher Kulturrat
  • Antje Valentin, Sprecherin des Verbands der Bundes- und Landesmusik-akademien in Deutschland / Direktorin Landesmusikakademie NRW, Heek

 

Hier kann die Sendung nachgehört werden.

 


 

Vorankündigung: Für alle, nicht die Wenigen

 

Individuelles Gewinnstreben und Wettbewerb sorgen wie von selbst dafür, dass die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung zu jeweils angemessenen Preisen erfolgt. Das ist eine der Kernthesen des Neoliberalismus. Doch dem ist nicht so. Im Gegenteil: Der sogenannte freie Markt und seine ungezügelte Profitorientierung haben zu einer tiefen sozialen Spaltung unserer Gesellschaft und zur Ausgrenzung von immer mehr Menschen geführt.

 

Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, hat namhafte Expertinnen und Experten aus den Bereichen Gesundheit, Kultur, Energie, Verkehr und Landwirtschaft versammelt, die die Grenzen eines profitorientierten Wirtschaftens aufdecken und Alternativen aufzeigen. Mit Beiträgen von Dierk Hirschel, Olaf Bandt, Elisabeth Fresen, Melanie Weber-Moritz, René Mono, Olaf Zimmermann, Mara Dehmer, Joachim Rock, Rolf Rosenbrock, Cornelia Harrer und Ulrich Schneider.

 

Weitere Informationen finden Sie hier.

 


 

Text der Woche: Johann Michael Möller „Partikulares und universelles Gedächtnis – Zum nationalen Gedenken an die koloniale Vergangenheit“

 

Im Windschatten der Auseinandersetzung um das Humboldt Forum und die Raubkunst wird noch eine andere Debatte geführt, die dort immer schon gärte, aber lange keine Beachtung fand: Wie halten wir es eigentlich mit unserer kolonialen Vergangenheit? Welche Rolle spielt sie für unser nationales Gedenken? Man hat das lange für eine akademische Frage gehalten. Die Kolonialzeit war viel zu kurz, um sich im kollektiven Gedächtnis einzuprägen und mit den schmerzhaften Prozessen der Dekolonisierung hatte unser Land zum Glück wenig zu tun. Gleichwohl gab es immer eine ernsthafte Beschäftigung der Zeithistoriker und Ethnologen mit diesem Kapitel der deutschen Geschichte und spätestens seit dem Erscheinen von Gérard Leclercs Buch über Anthropologie und Kolonialismus war das Thema auch in Deutschland gesetzt. Die Debatte um Edward Said kam etwas später hinzu

 

Johann Michael Möller ist Ethnologe und Journalist. Er war langjähriger Hörfunkdirektor des MDR.

 

Lesen Sie den Text hier!

Vorheriger ArtikelKW 18: Arbeiterkultur, Woche der Meinungsfreiheit, Beschleunigte Sinnkrise – Kultur und Kirche im Lockdown, …
Nächster ArtikelKW 20: Heimat-Ministerium, Vorankündigung: Kul­tur braucht In­klu­si­on – In­klu­si­on braucht Kul­tur, …