KW 1: Kultureller Wandel, Kultur- und Kreativwirtschaft im Wirtschaftsministerium, Corona-Einschränkungen, …

... Unterscheidung zwischen Freizeit und Kultur, kulturpolitische Wünsche für 2022, Rückblick 2021, Studie Diversität in bundesgeförderten Kultureinrichtungen kostenfrei im Netz, Text der Woche

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

auch wenn die Ursache für die Corona-Pandemie noch nicht zufriedenstellend geklärt ist, zeigt sie doch sehr deutlich die Grenzen des Wachstums dieses Planeten, um einen Begriff und Buchtitel aus den 1970er Jahren aufzugreifen. Der Club of Rome hatte seinerzeit schon vor dem scheinbar grenzenlosen Wachstum und der Ausbeutung der Natur gewarnt. Heute vier Jahrzehnte später geht es nicht mehr um kosmetische Maßnahmen, sondern um einen grundlegenden Wandel unseres Lebensstils – einen kulturellen Wandel.

 

Der Deutsche Kulturrat befasst sich bereits seit vielen Jahren verbandspolitisch und publizistisch mit dem Thema. Zu nennen sind hier etwa die Ausgabe von Politik & Kultur zum „Anthropozän“ mit einem Interview dem Nobelpreisträger Paul J. Crutzen, die Ausgabe zur Nachhaltigkeit im Kulturbereich, in der aus verschiedenen Perspektiven das Thema beleuchtet wird, die Ausgabe zur Bedeutung der Dunkelheit mit einem Interview mit dem Astronauten Reinhold Ewald, die Ausgabe zur Stadtentwicklung, die Ausgabe zur Bedeutung von Insekten für Kultur, Natur und Gesellschaft und die Ausgabe zur Klimakrise unter anderem mit einem Beitrag des Klimaforschers Mojib Latif.

 

Darüber hinaus hat der Deutsche Kulturrat zusammen mit dem BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) von 2018 bis 2020 ein Dialogprojekt durchgeführt, in dem an verschiedenen Orten Veranstaltungen zum Zusammenhang von Natur, Kultur und Heimat stattfinden. Zusammengeführt wurden die Debatten in dem Dossier „Guten Morgen! Heimat und Nachhaltigkeit“. In dem Dossier wird die Breite des Nachhaltigkeitsdiskurses deutlich.

 

Ein wesentliches Ziel des Dialogprojektes des Deutschen Kulturrates mit dem BUND war, Gesprächsfäden zwischen dem Diskurs in einem stark lokal verorteten Umweltverband und dem Spitzenverband der Bundeskulturverbände zu knüpfen. Ein wichtiger Ertrag ist u.a. der Beschluss der Bundesdelegiertenversammlung des BUND aus dem November 2021 „Ohne kulturellen Wandel keine Nachhaltigkeit“. Hier wird u.a. formuliert, dass aktiv der Schulterschluss mit dem Kulturbereich gesucht werden soll.

 

Der BUND greift mit dem Titel seines Beschlusses „Ohne kulturellen Wandel keine Nachhaltigkeit“ einen Begriff auf, den der Deutsche Kulturrat nicht zuletzt in seiner Stellungnahme „Umsetzung der UN-Agenda 2030 ist eine kulturelle Aufgabe“ vom 15.01.2019 geprägt hat.

 

Zu diesem Wandel gehört sorgsam mit der Natur umzugehen, der Ausdehnung der Städte und dem Raub von Lebensräumen von Wildtieren entgegenzuwirken. Denn eine der Theorien zum Beginn der Corona-Pandemie besagt, dass gerade die Beschneidung der Lebensräume von Wildtieren dazu beiträgt, dass Viren von Tieren auf Menschen überspringen können. Dass die Corona-Pandemie sich weltweit ausbreiten kann, liegt an den weltweiten Handelsbeziehungen und dem Reisen von Menschen in aller Herren Länder. Bei der jeder neuen „Virusvarianten-Welle“ wird deutlich, wie verflochten die Welt ist, wie intensiv der Austausch untereinander ist und wie schnell eine Virusvariante von einem Ende der Welt zum anderen gelangt und sich dort ausbreitet.

 

Daher kann auch nicht ein Land allein eine solche Pandemie bekämpfen. Es geht vielmehr um internationale Zusammenarbeit und insbesondere auch um Solidarität mit den ärmeren Ländern, insbesondere jene im globalen Süden.

 

Mit dem Thema der Globalisierung hat sich der Deutsche Kulturrat schon vor Jahren intensiv beschäftigt. Siehe hierzu unseren Sammelband: TTIP, CETA & CO – Zu den Auswirkungen der Freihandelsabkommen auf Kultur und Medien.

 

Nachhaltige Kulturpolitik ist eine Mammutaufgabe, die viele Facetten hat.

Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik, Bildungspolitik, Wirtschaftspolitik, Stadtentwicklungspolitik und weitere Politikfelder müssen zusammengedacht und in ihren Wechselwirkungen betrachtet werden. Aber besonders wichtig ist es, dass der Blick über den eigenen Tellerrand hinaus geweitet wird. Unsere Zusammenarbeit mit dem BUND ist eine solche Horizonterweiterung für uns.

 

Dies ist der erste kulturpolitische Wochenreport 2022. Ich wünsche Ihnen ein gutes Jahr, frei von Krankheit oder anderen Katastrophen. Dafür viel Kunstgenuss und anregende kulturpolitische Debatten.

 

Ihr

 

Olaf Zimmermann
Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates
twitter.com/olaf_zimmermann

 

PS. Es gibt im Bundeswirtschaftsministerium jetzt eine Koordinatorin für die Deutsche Luft- und Raumfahrt, eine Koordinatorin für Maritime Wirtschaft und Tourismus, eine Sonderbeauftragte für die Umsetzung der internationalen Initiative für mehr Transparenz im rohstoffgewinnenden Sektor (Extractive Industries Transparency Initiative – EITI) in Deutschland (D-EITI) und einen Beauftragten für Mittelstand. Eine Beauftragte oder einen Beauftragten für die Kultur- und Kreativwirtschaft gibt es weiterhin nicht.

 


 

Corona-Einschränkungen: Kulturorte wie Bildungseinrichtungen behandeln

 

Heute werden sich die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten und der Bundeskanzler treffen, um über die aktuelle Corona-Infektionslage sowie mögliche weitere Einschränkungen zu sprechen.

 

Bei diesem Treffen muss endlich ein Durchbruch für den Kulturbereich erreicht werden. Es kann nicht sein, dass nach zwei Jahren Pandemie Kunst und Kultur weiterhin wie jede x-beliebige Freizeitaktivität behandelt werden. Die Kunstfreiheit genießt den besonderen Schutz des Grundgesetzes, das schließt die Präsentation und die Rezeption von Kunst und Kultur ein. Mit Blick auf die bestehenden Förderprogramm ist es aktuell vordringlich, dass die Wirtschaftlichkeitshilfe des Sonderfonds des Bundes für Kulturveranstaltung, die nur noch bis zum 31.03.2022 gilt, bis zum Ende dieses Jahres ausgedehnt wird. Das würde vielen Kulturveranstaltern die dringend erforderliche Planungssicherheit geben.

 

Der Deutsche Kulturrat setzt sich bereits seit langem dafür ein, die Verklammerung von Kultur und Freizeit im Infektionsschutzgesetz zu lösen und Kultur einen eigenständigen Stellenwert zu geben. Zuletzt haben wir am 30.12.2021 gefordert, Kulturorte zumindest wie Bildungsorte zu behandeln und damit Öffnungsperspektiven zu erhalten. Es ist sehr erfreulich, dass die Länder diesen Gedanken in ihrem Appell „Freiheit für Kunst“ aufgegriffen haben und erklären: „Kulturelle Angebote sind Angebote der kulturellen Bildung. Sie haben eine ebenso hohe Priorität wie der Schulunterricht in Präsenz. Auch für Angebote der Erwachsenen- und Weiterbildung sollen die gleichen Regelungen gelten wie für den gesamten Kulturbereich.“

 

Der Deutsche Kulturrat appelliert an den Bund und an die Länder, bei der Kategorisierung von Kultur jetzt umzudenken.

 

Siehe hierzu auch unsere PMs

 

 


 

Die Politik muss zwischen Freizeit und Kultur unterscheiden

 

Mit Protest und zivilem Ungehorsam zum Erfolg? In Belgien gelang es Kulturschaffenden, die angeordnete Schließung von Theatern und Kinos wieder aufzuheben. Zur Situation in Deutschland wurde ich am 29.12.2021 von Nicole Dittmer im Deutschlandfunk Kultur befragt.

 


 

Kulturpolitische Wünsche für 2022: Reden ist Silber, handeln ist Gold

 

Das Jahr 2022 beginnt mit einer neuen Coronapandemiewelle, diesmal mit Omikron. Auch in diesem Jahr wird ein wesentliches Thema für den Deutschen Kulturrat der Einsatz für möglichst gute Rahmenbedingungen für den Kultur- und Medienbereich in der Pandemie sein. Die Kulturpolitik darf sich darin aber nicht erschöpfen, unser Apell geht an die neue Bundesregierung mit Tatkraft die Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen.

 

Konkret geht es um 12 Wünsche an die neue Bundesregierung für dieses Jahr.

 

Lesen Sie diese hier.

 


 

Rückblick 2021: Corona und was sonst noch alles so war

 

Der Deutsche Kulturrat blickt auf ein wechselvolles und schwieriges Jahr 2021 zurück. Die Coronapandemie hat das Jahr 2021 entscheidend geprägt. Der November- und Dezember-Lockdown 2020 dauerte trotz vielfacher Anstrengungen, Kulturorte sicher zu machen, oft bis in den Frühsommer hinein. Die Auswirkungen sind nach wie vor sicht- und spürbar. Der Kampf gegen Omikron-Variante verschärft die Situation für den Kulturbereich gerade wieder extrem.

 

Doch nicht nur die Auswirkungen der Pandemie haben die Arbeit des Deutschen Kulturrates im Jahr 2021 bestimmt.

 

Lesen Sie hier einige kurze Erinnerungen.

 


 

Studie: Diversität in bundesgeförderten Kultureinrichtungen – jetzt kostenfrei im Netz

 

Wie divers sind deutsche Kultureinrichtungen? Diese Frage liegt dem vor zweieinhalb Monaten erschienenen Bericht „Diversität in Kulturinstitutionen 2018-2020“ der Initiative kulturelle Integration zugrunde.

 

Das Interesse an der Studie ist so groß, dass wir uns entschlossen haben, neben der gedruckten Ausgabe eine kostenfreie Version im Netz zur Verfügung zu stellen.

 

Der Bericht Diversität in Kulturinstitutionen 2018-2020 legt dar, wie viele Frauen und Männer in den dauerhaft vom Bund geförderten Kultureinrichtungen arbeiten, wie die Altersstruktur der Beschäftigten aussieht, wie hoch der Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund ist und wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer Behinderung beschäftigt werden. Weiter wurde untersucht, wie divers Publikum und Programm sind. Abschließende Handlungsempfehlungen zeigen auf, was die Einrichtungen und was die Kulturpolitik leisten kann, um mehr Diversität zu ermöglichen.

 

 


 

Text der Woche: Susanne Keuchel „Pflicht, (Will)Kür oder Wandel zur kulturellen Daseinsvorsorge? Rechtsanspruch auf Ganztag“

 

Das deutsche Bildungssystem unterschied sich lange Zeit von anderen Bildungssystemen durch seine Halbtagsstruktur: vormittags Schule, nachmittags unabhängige non-formale kulturelle oder sportliche Bildungs- und Betreuungsangebote. Mit dem Programm „Ideen für mehr! Ganztägig lernen“ erfolgte 2004 der Ausbau zum Ganztag – in formaler Verantwortung! Schuldirektorinnen und -direktoren wurden dabei zu Einkäuferinnen und Einkäufern von Dienstleistungen im Sektor Betreuung und nonformale Bildung. Für kulturelle Bildungsangebote mit qualifiziertem Fachpersonal reichen die zur Verfügung stehenden Finanzmittel für den Ganztag dabei oft nicht aus.

 

Susanne Keuchel ist Präsidentin des Deutschen Kulturrates.

 

Lesen Sie den Text hier!

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