Soziale Absicherung von Solo-Selbständigen gewährleisten – Künstlersozialabgabe weiter stabilisieren

Vorschläge des Deutschen Kulturrates zur sozialen Sicherung im Kultur- und Medienbereich

Berlin, den 11.04.2021. Die Corona-Pandemie macht die schwierige soziale und wirtschaftliche Lage von Solo-Selbständigen im Kultur- und Medienbereich offensichtlich. Viele erwirtschaften schon im Regelbetrieb nur geringe Einnahmen, sodass es kaum möglich ist, Rücklagen für Verdienstausfälle zu bilden. Der Deutsche Kulturrat hat unter anderem deshalb in seiner Stellungnahme vom 9. Dezember 2020 „Arbeitslosenversicherung: Zugang für Selbständige verbessern“ Veränderungen in den Zugangsmöglichkeiten für alle Selbständigen zur Arbeitslosenversicherung gefordert. Hiermit erinnert er an diese Stellungnahme.

 

Kranken- und Pflegeversicherung für Versicherte in der Künstlersozialkasse

 

Der Deutsche Kulturrat sieht dringenden Handlungsbedarf mit Blick auf die Kranken- und Pflegeversicherung von in der Künstlersozialkasse Versicherten (KSK-Versicherte). Nach geltendem Recht entfällt die Kranken- und Pflegeversicherungspflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz, wenn die Versicherten durch eine zusätzliche selbständige nicht-künstlerische Tätigkeit mehr als 5.400 Euro (Geringfügigkeitsgrenze) im Jahr verdienen. KSK-Versicherte verlieren auch dann ihren Kranken- und Pflegeversicherungsschutz über die Künstlersozialkasse, wenn ihr Einkommen aus künstlerischer Tätigkeit wirtschaftlich bedeutender ist als das aus der anderen selbständigen Tätigkeit. Maßgeblich bei der Bewertung der wirtschaftlichen Bedeutung der künstlerischen Tätigkeit ist sowohl die Arbeitszeit als auch die Vergütung.

 

Demgegenüber bleibt der Kranken- und Pflegeversicherungsschutz über die Künstlersozialkasse bestehen, wenn KSK-Versicherte neben der selbständigen künstlerischen Tätigkeit abhängig beschäftigt sind, solange das Einkommen aus künstlerischer Tätigkeit höher ist als das aus der abhängigen Beschäftigung.

 

Der Deutsche Kulturrat erkennt an, dass diese Regelung getroffen wurde, um zu verhindern, dass Selbständige aus nicht-künstlerischen Berufen aufgrund einer zusätzlichen künstlerischen Tätigkeit in den Genuss der sozialen Absicherung über die Künstlersozialkasse kommen. Der Deutsche Kulturrat teilt diese Intention. Der Tätigkeitsschwerpunkt der Versicherten muss in der künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit liegen.

 

Da viele KSK-Versicherte aufgrund der instabilen Auftragslage und ihrer geringen Einkünfte auch unabhängig von einer Pandemie zusätzlich eine weitere Erwerbstätigkeit aufnehmen müssen, sei es als abhängig Beschäftigte oder als Selbständige, muss diesen hybriden Erwerbsformen in der Sozialgesetzgebung entsprechend Rechnung getragen werden.

 

  • Der Deutsche Kulturrat fordert daher, dass Versicherte über die Künstlersozialkasse kranken- und pflegeversichert bleiben, wenn die künstlerische Tätigkeit überwiegt. Dabei gilt es auch zu klären, wie und von wem möglichst unbürokratisch festzustellen wäre, welche Tätigkeit als Haupttätigkeit angesehen werden kann, die künstlerische oder nicht-künstlerische.

 

Kranken- und Pflegeversicherung für Selbständige

 

Andere Selbständige aus dem Kultur- und Medienbereich, die nicht erwerbsmäßig künstlerisch oder publizistisch tätig sind, müssen sich freiwillig kranken- oder pflegeversichern. Sie tragen die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu 100 Prozent. Es wird ein Mindesteinkommen von 1.096,67 Euro monatlich vorausgesetzt, woraus sich ein monatlicher Beitrag von mindestens 201,24 Euro ergibt. Wie bei abhängig Beschäftigten liegt die Bemessungshöchstgrenze bei 4.837,50 Euro. Innerhalb dieses Fensters wird das tatsächliche Einkommen zur Bemessung des Beitrags zugrunde gelegt. Viele Selbständige aus dem Kultur- und Medienbereich, die nicht in der Künstlersozialkasse versichert sind, haben allerdings ähnlich den KSK-Versicherten nur geringe und zudem schwankende Einkommen, die unter dem angesetzten Mindesteinkommen liegen.

 

  • Der Deutsche Kulturrat fordert daher, bei der Bemessung des Mindesteinkommens von Selbständigen in der Kranken- und Pflegeversicherung das tatsächliche Einkommen zugrunde zu legen. Diese Regelung würde allen Selbständigen, ganz unabhängig von einer Tätigkeit im Kultur- und Medienbereich, die Kranken- und Pflegeversicherung ermöglichen und würde auch jenen KSK-Versicherten zugutekommen, bei denen vorübergehend eine andere selbständige Tätigkeit wirtschaftlich überwiegt.

 

Sondersituation Corona-Pandemie

 

Die Corona-Pandemie hat viele Künstlerinnen und Künstler ihrer ökonomischen Grundlage beraubt. Auftritte, Veranstaltungen, Lesungen, Ausstellungen, künstlerische Lehre und anderes mehr sind bereits seit einem Jahr nicht möglich. Verschiedene Hilfsprogramme von Bund und Ländern bieten eine Überbrückung. Auch wurde der Zugang zur Grundsicherung erleichtert.

 

Viele KSK-Versicherte haben aber auch zusätzlich eine andere selbständige Tätigkeit aufgenommen, um über die Runden zu kommen. Diese andere selbständige Tätigkeit lässt teilweise temporär die eigentliche künstlerische oder publizistische Tätigkeit in den Hintergrund treten, was zum Verlust der Kranken- und Pflegeversicherung durch die Künstlersozialkasse führt.

 

  • Der Deutsche Kulturrat fordert daher das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie das Bundesministerium für Gesundheit auf, für die Zeit der Corona-Pandemie befristet eine schnelle und praktikable Lösung zur Bestandsgarantie für KSK-Versicherte in der Kranken- und Pflegeversicherung zu finden.

 

Künstlersozialabgabe

 

Die soziale Absicherung der Künstler und Künstlerinnen bzw. Publizistinnen und Publizisten wird aber nicht nur durch die Versicherten finanziert, der Anteil der abgabepflichtigen Unternehmen ist hier nicht zu vernachlässigen. Viele Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft, namentlich die privaten und freien Theater, Verlage, Galerien, Theater- und Gastspieldirektionen, Zirkus- und Varietéunternehmen, Aus- und Fortbildungseinrichtungen, Einrichtungen der kulturellen Bildung und andere mehr, sind in der Pandemie von Schließungen betroffen. Sie haben starke Einnahmeverluste hinnehmen müssen. Viele Unternehmen sorgen sich um ihre Zukunft, einige stehen kurz vor der Insolvenz.

 

Für den Erhalt des Systems der Künstlersozialkasse ist es wichtig, dass wieder Aufträge vergeben werden können, für die eine Künstlersozialabgabe fällig wird. Dazu wird es aber grundsätzlich notwendig sein, dass die Unternehmen ihr Geschäft wieder aufnehmen können. Weiter muss in Rechnung gestellt werden, dass Hygienevorgaben einen Vollbetrieb vielerorts auf längere Sicht nicht zulassen werden. D.h. dass auch wenn Theater wieder spielen, Veranstaltungen, Ausstellungen oder Lesungen stattfinden usw., aufgrund geringerer Besucherzahlen die Einnahmen zurückgehen werden, bei gleichzeitig zumindest gleichbleibenden, wenn nicht gar höheren Kosten. Da die Künstlersozialabgabe anhand der gezahlten Honorare berechnet wird, werden die erforderlichen Mehrkosten und geringeren Einnahmen nicht berücksichtigt. Dem wurde in diesem Jahr durch zusätzliche Bundesmittel (Entlastungszuschuss) Rechnung getragen. Dies wird vom Deutschen Kulturrat ausdrücklich begrüßt.

 

  • Der Deutsche Kulturrat fordert die Bundesregierung auf, auch im kommenden Jahr die Künstlersozialabgabe zu stabilisieren und hierfür im Bundeshaushalt eine entsprechende Vorsorge zu treffen. In der anstehenden Phase, in der Unternehmen hoffentlich wieder öffnen und Aufträge vergeben können, ist die Beitragsstabilität der Künstlersozialabgabe von großer Bedeutung, um insgesamt die Kultur- und Kreativwirtschaft zu stabilisieren.
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