Kultur-Enquete: Kultur in Europa

Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zu den europakulturpolitischen Handlungsempfehlungen des Schlussberichts der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“

Berlin, den 09.04.2008. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, begrüßt, dass sich die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Kultur in Deutschland“ in ihrem Abschlussbericht sehr deutlich dafür ausgesprochen hat, dass sich die Bundesregierung für den Aufbau kreativer Partnerschaften zwischen dem Kultursektor und anderen Sektoren einsetzen und verstärken soll, um die gemeinsamen europäischen Grundwerte zu betonen.

 

Als besonders wichtig erachtet der Deutsche Kulturrat den Appell an die Bundesregierung, die zivilgesellschaftlichen Akteure bei der Gestaltung einer europäischen Kulturpolitik einzubeziehen. Der Deutsche Kulturrat verweist aber darauf, dass die zivilgesellschaftlichen Akteure Unterstützung und Ressourcen bedürfen, um den Prozess einer gemeinsamen europäischen Gestaltung von Kultur voranzutreiben.

 

Im Folgenden nimmt der Deutsche Kulturrat zu einzelnen Handlungsempfehlungen zur Kultur in Europa des Schlussberichts der Enquete-Kommission Stellung. Er bezieht sich dabei auf die Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission in den folgenden Unterkapiteln, veröffentlicht als Bundestagsdrucksache 16/7000:

  • „Entwicklung eines europäischen Kulturverständnisses“ (Seite 414 bis 415),
  • „Europäische Normsetzung und ihr Einfluss auf Kultur in Deutschland“ (Seite 419),
  • „Vertretung deutscher Kulturpolitik in der Europäischen Union“ (Seite 420),
  • „Kulturhauptstädte Europas und europäische Kulturprojekte“ (Seite 424 bis 425),
  • „Der Prozess globaler Normentwicklung durch die UNESCO-Konventionen“ (Seite 429),
  • „Kultur in den internationalen Handelsbeziehungen“ (Seite 429),
  • „WTO/GATS“ (Seite 431) sowie auf
  • „Situation und Förderung der UNESCO-Welterbestätten in Deutschland“ (Seite 208).

 

Der Deutsche Kulturrat folgt in seiner vorliegenden Stellungnahme dieser Einteilung.

 

In dieser Stellungnahme konzentriert sich der Deutsche Kulturrat auf die europapolitischen Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission. Diese Stellungnahme steht im Kontext der weiteren Stellungnahmen des Deutschen Kulturrates zu den Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“.

 

Entwicklung eines europäischen Kulturverständnisses

Der Deutsche Kulturrat nimmt zur Kenntnis, dass die Enquete-Kommission Bund und Ländern empfiehlt, den für die europäische Kulturpolitik vorgeschlagenen Prozess der offenen Koordinierung unter Wahrung des Prinzips der Subsidiarität zu unterstützen und aktiv mitzugestalten. In seinem Positionspapier zur Mitteilung der EU-Kommission „Eine europäische Kulturagenda im Zeichen der Globalisierung“ hat sich der Deutsche Kulturrat ausführlich mit der offenen Methode der Koordinierung beschäftigt. Er verweist noch einmal darauf, dass die Befugnisse der Mitgliedstaaten mit dieser Form der Zusammenarbeit nicht untergraben werden dürfen und, wie es die Enquete-Kommission fordert, das Subsidiaritätsprinzip und vor allem die Eigenständigkeit der einzelnen Kulturpolitiken stets gewahrt bleiben müssen.

 

Europäische Normsetzung und ihr Einfluss auf Deutschland

Insbesondere fordert der Deutsche Kulturrat von Bund und Ländern die zügige Umsetzung der Handlungsempfehlung,

  • den Konsens in der Europäischen Union darüber zu erhalten, dass die Nationalstaaten und ihre Gebietskörperschaften in ihrer Entscheidung, was sie in der Kultur fördern, autonom bleiben,
  • sich für eine kohärente europäische Kulturpolitik bei gleichzeitiger Wahrung der Subsidiarität einzusetzen und bei der Europäischen Kommission darauf hinzuwirken, dass die Kulturverträglichkeitsklausel des Amsterdamer Vertrags mit Leben erfüllt wird.

 

Darüber hinaus begrüßt der Deutsche Kulturrat die Forderung der Enquete-Kommission an die Bundesregierung und die Europäische Kommission, besser über europäische Entscheidungsprozesse zu informieren und eine nationale Positionsfindung zu erleichtern. Der Deutsche Kulturrat spricht sich ebenfalls dafür aus, dass zugleich die Partner im europäischen Dialog auch mit Blick auf die Zahl der Menschen bzw. Institutionen, die sie vertreten, stärker berücksichtigt und einbezogen werden müssen. Weiter sollten die Ergebnisse der empirischen Kulturforschung häufiger genutzt werden. Das gilt insbesondere auch für den Dialog mit den in der Zivilgesellschaft verankerten Organisationen der Nationalstaaten. So unterstützt der Deutsche Kulturrat die Empfehlung der Enquete-Kommission an die Bundesregierung und Europäische Kommission, die Zivilgesellschaft und ihre Organisationen in die Lage zu versetzen, die europäische Kulturpolitik sparten- und bereichsübergreifend zu begleiten, nationale Diskussionsprozesse zu europäischen Diskussionen und den Kontakt zu ähnlichen Zusammenschlüssen aus anderen EU-Mitgliedsstaaten zu fördern. Der Deutsche Kulturrat verweist diesbezüglich noch einmal darauf, dass darüber hinaus auch die politisch legitimierten Partner für einen solchen Dialog identifiziert werden müssen. Diese Dialogstrukturen müssen eigenständig wachsen.

 

Der Deutsche Kulturrat unterstützt die Empfehlung der Enquete-Kommission an Bund, Länder und Kommunen, bei Privatisierungen im Kulturbereich dafür Sorge zu tragen, dass diese Privatisierungen nicht zu einer rein wirtschaftlichen Betrachtung der Kultureinrichtung führen und bei diesen Entscheidungen mögliche europarechtliche Implikationen bereits im Vorfeld beachtet werden sollen.

 

Vertretung deutscher Kulturpolitik in der Europäischen Union

Bereits in seiner Stellungnahme zur Mitteilung der EU-Kommission „Eine europäische Kulturagenda im Zeichen der Globalisierung“ hat der Deutsche Kulturrat Bund und Länder aufgefordert, sich aktiv an der Ausgestaltung einer europäischen Kulturagenda zu beteiligen und stärker als bisher gemeinsam diesen Prozess inhaltlich zu begleiten und zu steuern. Dementsprechend unterstützt der Deutsche Kulturrat die Forderung der Enquete-Kommission an Bund und Länder, dass sie im Rahmen von Artikel 23 Absatz 6 GG ihr Vorgehen eng koordinieren und eine gegenseitige Information und Abstimmung erfolgt. Der Deutsche Kulturrat vertritt ebenfalls die Ansicht, dass Deutschland auf EU-Ebene eine gemeinsame starke Vertretung braucht.

 

Instrumente europäischer Kulturpolitik und ihre Wirkungen auf Kultur in Deutschland

Aufgrund der Tatsache, dass viele Förderungen für kleinere Kulturanbieter daran scheitern, dass der Verwaltungsaufwand für die Förderanträge sehr hoch ist, unterstützt der Deutsche Kulturrat die Forderung der Enquete-Kommission an Bund und Länder, sich für eine Vereinfachung der Antragsmodalitäten auf der EU-Ebene und praktikablere Abrechnungsmechanismen einzusetzen.

 

Kulturhauptstädte Europas und europäische Kulturprojekte

Der Deutsche Kulturrat teilt die Auffassung der Enquete-Kommission, dass sich die Bundesregierung dafür einsetzen muss, dass Formen der Deklaration und Würdigung zeitgenössischer Europäischer Kunst entwickelt werden.

 

Der Deutsche Kulturrat unterstützt zudem die Handlungsempfehlung der Enquete-Kommission, dass Gespräche mit den Akademien der Künste in der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere mit der vom Bund finanzierten Akademie der Künste zu Berlin, gesucht werden sollen, um die Arbeit an einem europäischen Netzwerk von Akademien der Künste der Nationalstaaten der Europäischen Union zu fördern und gemeinsame Überlegungen der Akademien für einen institutionellen Rahmen wie zum Beispiel eine europäische Akademie der Künste zu entwickeln. Als ein gutes Beispiel für einen solchen institutionellen Rahmen sieht der Deutsche Kulturrat die European Film Academy an, die sich mit Preisen und Workshops für die Förderung und Stärkung einer europäischen Filmkultur einsetzt.

 

Der Deutsche Kulturrat fordert, wie die Enquete-Kommission, dass sich die Bundesregierung zudem dafür stark macht, dass eine Initiative zur Schaffung einer Europäischen Kulturstiftung ergriffen wird, die in Anlehnung an das Modell der Kulturstiftung des Bundes staatenübergreifende Kulturprojekte initiiert und das Forum für einen paneuropäischen Kulturdialog darstellt. Der Deutsche Kulturrat unterstreicht, dass es wichtig ist, dass zum einen dieser Fonds staatsfern Mittel vergibt und zum anderen die Vergabemuster eines solchen Fonds im Vorfeld klar benannt werden müssen.

 

Der Deutsche Kulturrat begrüßt die Handlungsempfehlung der Enquete-Kommission an die Bundesregierung, das EU-Jugendprogramm „Jugend in Aktion“ und den Europäischen Freiwilligendienst zum Erwerb interkultureller Kompetenzen aktiv dadurch zu fördern, dass die Programme in der Bundesrepublik Deutschland beworben und die Antragsverfahren vereinfacht werden. Darüber hinaus fordert der Deutsche Kulturrat, dass das Programm „Jugend in Aktion“ stärker für den Jugendkulturaustausch geöffnet wird.

 

Kultur in den internationalen Handelsbeziehungen

Der Deutsche Kulturrat fordert die zügige Umsetzung der Handlungsempfehlung der Enquete-Kommission an Bund und Länder, ein besonderes Augenmerk auf die Umsetzung des „UNESCO-Übereinkommens zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen“ (Konvention Kulturelle Vielfalt) zu legen. Zudem unterstützt der Deutsche Kulturrat die Forderung, dass unter Einbeziehung der Bundeskulturverbände evaluiert werde, inwieweit die Anforderungen an kulturelle Vielfalt bereits erfüllt werden und welche Maßnahmen zur Erfüllung der Konvention noch ergriffen werden müssen.

 

GATS und WTO

Der Deutsche Kulturrat fordert die zügige Umsetzung der Handlungsempfehlung

  • an die Bundesregierung, dass von der Europäischen Union keine Liberalisierungsangebote für den Kultur- und Medienbereich und auch im Falle von Handelszugeständnissen in anderen Dienstleistungsbereichen keine Zugeständnisse bei Kultur- und Mediendienstleistungen gemacht werden,
  • an die Bundesregierung, sich in den europäischen Gremien dafür einzusetzen, dass an andere Staaten keine Forderungen betreffend der Kultur- und Mediendienstleistungen gerichtet und keine abschließenden Listen von Kulturinstitutionen und -einrichtungen zur Einbeziehung in die GATS-Verhandlungen erstellt werden,
  • an die Länder, sich im so genannten „Besonderen Ausschuss“ nach Artikel 133 EG-Vertrag ebenfalls dafür einsetzen, dass von europäischer Seite in den GATS-Verhandlungen für den Kultur- und Medienbereich keine Angebote gemacht werden.

 

Situation und Förderung der UNESCO-Welterbestätten in Deutschland

Im Hinblick auf die aktuelle Diskussion um das UNESCO-Welterbe des Dresdner Elbtals unterstützt der Deutsche Kulturrat mit Nachdruck die Forderung der Enquete-Kommission an die Bundesregierung, ein Vertragsgesetz zur Umsetzung der UNESCO-Welterbekonvention in Abstimmung mit den Ländern auf den Weg zu bringen und im Rahmen eines Ausführungsgesetzes eine innerstaatlich verpflichtende Bindungswirkung für das Welterbe zu schaffen und die Verpflichtungen aus der Welterbe-Konvention in Bundesgesetzen zu verankern. Der Deutsche Kulturrat macht darüber hinaus deutlich, dass es eine klare Richtung bezüglich der Zuständigkeiten der Welterbe-Konvention geben müsse, so dass Bund und Länder nicht gegeneinander agieren. Diese Klärung sollte von der Politik ausgehen, ggf. im Form einer Mediationsstelle, die beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und dem dort bestehenden Referat für die Angelegenheiten der deutschen UNESCO-Welterbestätten angesiedelt ist, und die die Aktivitäten der verschiedenen Bundesressorts koordiniert und abstimmt, so wie es die Enquete-Kommission in ihrem Abschlussbericht fordert. Der Deutsche Kulturrat sieht aber noch weiteren Diskussionsbedarf bei der Forderung, dass die Zuweisung von Bundesmitteln an die Verpflichtung zur Teilnahme an einer Mediation im Konfliktfall geknüpft werden.

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