Kultur-Enquete: Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik für Künstlerinnen und Künstler

Berlin, den 09.04.2008. Der Deutsche Kulturrat, der Spitzenverband der Bundeskulturverbände, begrüßt, dass die Enquete-Kommission in ihrem Schlussbericht ein erhebliches Augenmerk auf die soziale und wirtschaftliche Lage der Künstler gelegt hat. Künstler schaffen die Werke, die von anderen verwertet oder vermittelt werden können. Sie schöpfen die Werke, die später in den Kultureinrichtungen, Museen, Bibliotheken oder Theatern, gezeigt werden. Ohne zeitgenössische Kunst würde das kulturelle Leben verarmen und sich nur noch auf die Vergangenheit beziehen. Daher ist von eminenter Bedeutung, dass Künstler von ihrer künstlerischen Arbeit leben können und dass sie im Krankheits- oder Pflegefall sowie für ihr Alter abgesichert sind.

 

Im Folgenden nimmt der Deutsche Kulturrat zu den arbeits- und sozialrechtlichen Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission Stellung. Er bezieht sich auf dabei folgende Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission veröffentlicht als Bundestagsdrucksache 16/7000:

  • Handlungsempfehlungen 1 bis 8 auf Seite 244,
  • Handlungsempfehlung 9 auf Seite 251,
  • Handlungsempfehlungen 1 bis 4 auf Seite 292,
  • Handlungsempfehlungen 1 bis 5 auf Seite 297,
  • Handlungsempfehlungen 1 bis 3 auf Seite 300,
  • Handlungsempfehlungen 1 bis 5 auf Seite 302,
  • Handlungsempfehlungen 1 bis 6 auf Seite 305,
  • Handlungsempfehlungen 1 bis 6 auf Seite 312,
  • Handlungsempfehlungen 1 und 2 auf Seite 313 und
  • Handlungsempfehlungen 1 und 2 auf Seite 317.

 

In der vorliegenden Stellungnahme konzentriert sich der Deutsche Kulturrat auf die arbeits- und sozialrechtlichen Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission. Diese Stellungnahme steht im Kontext der weiteren Stellungnahmen des Deutschen Kulturrates zu Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“.

 

Künstlersozialversicherung
Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass die Enquete-Kommission sich unmissverständlich und klar zur Künstlersozialversicherung bekennt und dass die Künstlersozialversicherung als „wichtiges Element der sozialen und kulturellen Künstlerförderung“ weiterhin gestärkt werden soll. Dieses gilt gleichermaßen für die Künstlersozialversicherung als grundlegender Säule der Alterssicherung von selbständigen Künstlern und Publizisten. Der Deutsche Kulturrat unterstreicht, dass es aus Gründen der Beitrags- und Wettbewerbsgerechtigkeit unabdingbar ist, dass alle künstlersozialabgabepflichtigen Unternehmen tatsächlich ihrer Verpflichtung nachkommen. Der Deutsche Kulturrat unterstützt in diesem Zusammenhang die zurzeit stattfindende konsequente Prüfung von Unternehmen durch die Deutsche Rentenversicherung.

 

Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zu den arbeits- und sozialrechtlichen Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission des Deutsche Bundestags „Kultur in Deutschland“
Der Deutsche Kulturrat nimmt zur Kenntnis, dass die Enquete-Kommission empfiehlt, den Bundeszuschuss bei 20% stabil zu halten. Der Deutsche Kulturrat sieht keinen Grund von seiner bestehenden Forderung einer Wiederherstellung des alten Bundeszuschusses von 25% abzurücken.

 

Ferner begrüßt der Deutsche Kulturrat die Empfehlungen der Enquete-Kommission, dass die unter die Generalklausel fallenden Unternehmen sowie die Eigenwerber weiterhin künstlersozialabgabepflichtig sein sollen. Damit unterstreicht die Enquete-Kommission nochmals die Bedeutung des Bundesverfassungsgerichtsurteils aus dem Jahr 1987 zum Kreis der abgabepflichtigen Unternehmen.

 

Versicherte Künstler
Als besonders wichtig erachtet der Deutsche Kulturrat, dass die Enquete-Kommission empfiehlt, am offenen Rechtsbegriff der Künstler und Publizisten festzuhalten. Dieser offene Rechtsbegriff hat sich in der Vergangenheit bewährt und entspricht dem sich dynamisch entwickelnden Feld der künstlerischen und publizistischen Arbeit.

 

Als eine drängende Zukunftsaufgabe sieht der Deutsche Kulturrat die Entwicklung von sozialen Sicherungsmodellen für in Kulturberufen selbständig Tätigen, die nicht von der Künstlersozialversicherung erfasst werden. Der Deutsche Kulturrat unterstützt mit Nachdruck die Empfehlung der Enquete-Kommission an die Bundesregierung hier tätig zu werden. Darüber hinaus sieht der Deutsche Kulturrat die öffentlichen Zuwendungsgeber in der Verantwortung die von ihnen geförderten Kultureinrichtungen und -institutionen finanziell so zu unterstützen, dass sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse erhalten bzw. geschaffen werden können und nicht in Werkverträge, Dienstverträge oder ähnliche Vertragsformen ausgewichen werden muss.

 

Der Deutsche Kulturrat bedauert, dass sich die Enquete-Kommission nicht mit dem Problem befasst hat, dass Künstler und Publizisten von Verwertern künstlerischer Leistungen gedrängt werden, GmbHs zu gründen. Dieses besonders in der Designbranche anzutreffende Problem bedarf einer Lösung.

 

Weiter unterstützt der Deutsche Kulturrat die Empfehlung der Enquete-Kommission an Bund und Länder, ein besonderes Augenmerk auf die Einkommenssituation von Künstlern und Publizisten zu richten und dabei die bestehenden Ansatzpunkte im Urheberrecht mit zu berücksichtigen.

 

Als zentral erachtet der Deutsche Kulturrat die Empfehlung der Enquete-Kommission an die Länder, die soziale Künstlerförderung zu evaluieren und gegebenenfalls auszubauen. Das gilt nach Auffassung der Deutschen Kulturrates gleichermaßen für die Deutsche Künstlerhilfe, die in der Verantwortung des Bundes und der Länder liegt und beim Bundespräsidenten angesiedelt ist.

 

Mit Blick auf die Statusfeststellung, ob ein Künstler als selbständiger oder als abhängig Beschäftigter gilt, gibt es zwischen der sozialversicherungsrechtlichen und der steuerrechtlichen Beurteilung Unterschiede. Der Deutsche Kulturrat sieht weiteren Diskussionsbedarf mit Blick auf die Empfehlung der Enquete-Kommission, dass die Statusfeststellung durch die Künstlersozialkasse auch für die Finanzverwaltung bindende Wirkung erhalten sollte.

 

Abgabepflichtige Unternehmen
Der Deutsche Kulturrat unterstreicht die Empfehlung der Enquete-Kommission an die Künstlersozialkasse, besser über ihre Arbeit zu informieren. Ebenso unterstützt der Deutsche Kulturrat die Empfehlung, dass die Künstlersozialkasse mit gemeinnützigen Vereinen Einzelvereinbarungen zur Abgeltung rückwirkender Vergütungsansprüche schließen kann. Mit einer besseren Informationspolitik sollten solche rückwirkenden Vergütungsansprüche nicht mehr entstehen.

 

Der Deutsche Kulturrat wendet sich gegen die Empfehlung der Enquete-Kommission bei der Künstlersozialabgabe eine Geringfügigkeitsgrenze von 300,– Euro einzuführen. Eine solche Geringfügigkeitsgrenze läuft dem Ziel entgegen, alle abgabepflichtigen Unternehmen tatsächlich zur Künstlersozialabgabe heranzuziehen.

 

Weiter begrüßt der Deutsche Kulturrat folgende Empfehlungen:

  • Bildung von Schwerpunktausschüssen bei der Deutschen Rentenversicherung für das Aufgabengebiet Künstlersozialversicherung,
  • Prüfung, inwiefern Verwerter mit Sitz im Ausland, die im Inland Entgelte an selbständige Künstler und Publizisten zahlen, in die Künstlersozialversicherung einbezogen werden können.

 

Arbeitslosenversicherung
Der Deutsche Kulturrat unterstützt die Empfehlung der Enquete-Kommission SGB III § 36 Abs. 4 dahingehend zu ändern, dass die Bundesagentur für Arbeit auch dann vermittelnd tätig werden darf, wenn die Personen überwiegend selbständig sind. Diese Form der Vermittlung entspricht der Entwicklung des Arbeitsmarktes Kultur, der in besonderem Maße durch selbständige Tätigkeit geprägt ist. Viele Personen in diesem Bereich sind wechselnd abhängig beschäftigt und selbständig tätig. Der Deutsche Kulturrat hat dieses bereits in seiner Resolution „Arbeit der Künstlerdienste der Bundesagentur für Arbeit stärken – Deutscher Kulturrat fordert Änderung des Sozialgesetzbuches“ formuliert. Ebenso teilt der Deutsche Kulturrat die Auffassung, dass bei den Künstlerdiensten der Bundesagentur für Arbeit der alte Zustand wieder hergestellt werden sollte.

 

Der Deutsche Kulturrat sieht nach wie vor Probleme für Angehörige der Kulturberufe mit wechselnden und befristeten Anstellungen, die erforderliche Rahmenfrist für den Bezug des Arbeitslosengeldes I einzuhalten. Der aktuelle Rechtszustand führt dazu, dass zwar Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt wird, Arbeitslosengeld I aufgrund der verkürzten Rahmenfrist aber nicht in Anspruch genommen werden kann, da Künstler, die erforderliche Zahl an sozialversicherungspflichtig beschäftigten Tagen innerhalb von zwei Jahren nicht erreichen. Der Deutsche Kulturrat fordert daher, den alten Rechtszustand wiederherzustellen, nachdem die erforderliche Zahl an sozialversicherungspflichtig beschäftigten Tagen in drei Jahren erreicht werden muss. Sollte der alte Rechtszustand nicht wieder hergestellt werden, teilt der Deutsche Kulturrat die Empfehlung der Enquete-Kommission, dass eine Sonderregelung für in Kulturberufen Tätige geschaffen werden sollte und verweist auf seine Resolution „Rahmenfrist zum Bezug für Arbeitslosengeld I den Anforderungen des Kulturbereiches anpassen“, die der der Enquete-Kommission entspricht.

 

Mit Blick auf das Arbeitslosengeld II begrüßt der Deutsche Kulturrat, dass die Enquete-Kommission das Problem der möglichen Anrechnung der Arbeits- und Produktionsmittel sowie von Kunstwerken als Vermögen bei der Grundsicherung gesehen hat. Der Deutsche Kulturrat ist allerdings der Auffassung, dass die Empfehlung der Enquete-Kommission, nur selbstgeschaffene Arbeits- und Produktionsmittel sowie Kunstwerke auszunehmen, zu kurz greift. Ein Atelier, ein Übungs- oder Probenraum ist für die künstlerische Arbeit unerlässlich und sollte daher grundsätzlich ausgenommen werden.

 

Weiter unterstützt der Deutsche Kulturrat die Empfehlung, Arbeitsgelegenheiten in Kultureinrichtungen tatsächlich nur für zusätzliche Aufgaben zu fördern. Arbeitsgelegenheiten dürfen nicht dazu missbraucht werden, den Kultur- oder Bildungshaushalt zu entlasten.

 

Ausbildung und wirtschaftliche Künstlerförderung
Der Deutsche Kulturrat unterstützt die Empfehlungen der Enquete-Kommission, Künstler besser auf den Markt vorzubereiten. Dies gilt insbesondere für die Empfehlungen:

  • in der Hochschulausbildung besser auf den Markt vorzubereiten, von grundlegender Bedeutung sind in diesem Zusammenhang Kenntnisse im Urheber- und Leistungsschutzrecht, im Steuerrecht sowie im Arbeits- und Sozialrecht, ebenso sollten auch Beratungs-, Fort- und Weiterbildungsangebote zur Existenzgründung und vor allem Existenzsicherung dazu gehören,
  • interdisziplinäre Aspekte in der Hochschulausbildung angemessen zu berücksichtigen,
  • die wissenschaftliche Ausbildung in den Bereichen der neuen Medien und der Literatur zu verstärken,
  • bestehende Instrumente der wirtschaftlichen Künstlerförderung zu evaluieren und gegebenenfalls weiterzuentwickeln,
  • die Erforschung und Förderung „neuer Tätigkeitsfelder und Märkte“ fortzuführen,
  • die Entwicklung von auf Künstlern zugeschnittenen Kreditmöglichkeiten.

 

Mit Blick auf künftige Kultur- und Kreativwirtschaftsberichte empfiehlt die Enquete-Kommission, eine verstärkte Aufmerksamkeit auf selbständige Künstler und Publizisten zu richten und die Vor- und Nachteile der Selbständigkeit umfassend in den Blick zu nehmen. Diese Empfehlung wird vom Deutschen Kulturrat mit Nachdruck unterstützt.

 

Ebenso begrüßt der Deutsche Kulturrat die Empfehlung der Enquete-Kommission, Künstler bei der Erschließung neuer Aufgabenfelder zu unterstützen.

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