Die Welt verändert sich. Große Errungenschaften wie Menschenrechte oder Meinungsfreiheit werden nicht nur von gefährlichen Autokraten weltweit infrage gestellt. Auch die modernen Gesellschaften der Industriestaaten ringen um die Zukunft der liberalen Demokratie, in der sich gefährlich große Teile der Bevölkerung abwenden von einem modernen Lebensstil, der durch kulturelle Vielfalt und von offenen Lebensweisen geprägt ist.
Während die in amerikanischen Metropolen angestoßene, mutige MeToo-Debatte die patriarchalischen Strukturen der Filmbranche erschüttert, erhärtet sich – auch in Teilen der europäischen Gesellschaften – die Sehnsucht nach nationaler und identitärer Abgrenzung. Der Charakter einer immer weiter ausdifferenzierten Medienlandschaft bis in die Filterblasen und Echokammern des Internets hinein, erschwert einen gemeinschaftlichen gesellschaftlichen Diskurs – der in der demokratischen Gesellschaft unabdingbar ist – und beeinträchtigt eine gesamtgesellschaftliche Verständigung über die zentralen Fragen und Antworten des Zusammenlebens.
Einem nötigen neuen Aufbruch in der Kulturpolitik muss deswegen auch das Bewahrende zugrunde gelegt werden, die Freiheit und Vielfalt von Kunst und Kultur aktiv zu schützen. Ihrer Unabhängigkeit Raum zu geben und sich zur Wehr zu setzen, gegen die Feinde der geistigen Freiheit – dazu brauchen wir auch im internationalen Dialog diejenigen Stimmen, die im Sinne der Weltvernunft auf die Kraft des Meinungsaustausches und der Argumente setzen. Die Kontinuität des Erreichten mit der Erneuerung von Strukturen zu verbinden, ist die Aufgabe der Stunde.
Ein offener Kulturbegriff, wie ihn der aktuelle Koalitionsvertrag beschreibt, macht einen solchen Aufbruch möglich. Mit dem Anspruch, durch eine Kulturförderung auch in der Fläche weite Teile der Gesellschaft zu erreichen, soll Kulturpolitik im Rahmen eines kooperativen Kulturföderalismus „gleichwertige Lebensverhältnisse“ im Land schaffen.
Kulturelle Teilhabe tatsächlich zu realisieren und mit einer „Agenda für Kultur und Zukunft“ die Kulturförderung auszubauen, zu modernisieren und zu stärken, dazu sind konkrete Ziele nötig. So müssen etwa die bislang überzeichneten Bundesförderfonds ausgebaut, die Erinnerungskultur mit einem klaren Bekenntnis auch zur Aufarbeitung deutscher Kolonialgeschichte vorangetrieben und mit Blick auf die kommenden Generationen, auch mit Unterstützung bei der kulturellen Bildung – etwa mit der Initiative „Jugend erinnert“ – unterstützt werden. Gleichzeitig müssen sich aber auch die Diskussionen um einen kulturellen Wandel im Kulturbetrieb selbst in der politischen Agenda niederschlagen. Die Förderung von Frauen, der Kampf gegen Diskriminierung, aber auch die soziale Absicherung von Kulturschaffenden gehören unbedingt dazu.
Die kommenden Jahre werden die Kulturpolitik auf besondere Weise herausfordern. Demokratinnen und Demokraten – sei es in Politik, Wissenschaft oder Kultur – müssen sich gemeinsam unterhaken, wenn sie die Pflöcke des Fortschritts wieder ein gutes Stück weiter vorne einschlagen wollen.