Theaterprojekte als Chance zur Integration

„…das Zusammenleben mit fremden,
nicht immer freundlich gesinnten
Menschen sind eine kaum zu
bewältigende Herausforderung.“

 

W as klingt wie ein Pegida oder AfD Provokation, stammt aus Nikolaus von Wolffs und Ameen Alkutainys E-Book „Wir schaffen das. 99 Tipps und Fakten für Zuwanderer und Einheimische“ und lautet im ganzen Satz : „Sehr lange Wartezeiten für Ihre Aufenthaltsunterlagen, die Unterbringung in Lagern, das Zusammenleben mit fremden, nicht immer freundlich gesinnten Menschen sind eine kaum zu bewältigende Herausforderung. Dennoch bringt eine Registrierung viele Vorteile. Es bringt keine, eine Registrierung nachzuholen.“

 

Aus dem Kontext gerissen, in einen neuen Zusammenhang gestellt begegnen sich missverstanden und missverstehend Flüchtlinge und Bürgergesellschaft. Es ist ein Irrglaube anzunehmen, dass der Kultursektor davon ausgenommen sei. Es sind vor allem konkrete Projekte des Zusammenlebens und des Zusammenarbeitens, die die Kulturarbeit mit und von Flüchtlingen im Kontext des Bundes Deutscher Amateurtheater (BDAT) schon heute prägen.

„Sie durch empathiefördernde Theaterarbeit zu einem bewussten Begreifen der Dimensionen von Migration veranlassen.“

Ohne mediale Vermarktung haben bereits im Juni zahlreiche Flüchtlinge an den Workshops des internationalen Festivals „Theaterwelten“ im thüringischen Rudolstadt teilgenommen. Daraus entstand ein breites Netzwerk an neuen Theatergruppen, lokalen Initiativen und gemeinsamen Projekten. Eigentlich selbstverständlich, aber doch bemerkenswert schließen sich ganz individuell und nicht organisiert Flüchtlinge Amateurtheaterbühnen an. Das Selbstverständliche ist freilich nur scheinbar, und so arbeiten Theatergruppen insbesondere mit Jugendlichen an einem Wechsel der Perspektive in der Aufnahmegesellschaft. Gleichsam als Prävention diese nicht den xenophoben Angstmachern der rechten Politikszene zu überlassen, sondern sie durch empathiefördernde Theaterarbeit zu einem bewussten Begreifen der Dimensionen von Migration zu veranlassen.

 

Vieles geschieht im Windschatten des örtlichen Alltags, aber es gibt auch jene Leuchtturmprojekte, wie der Stage Divers(e) aus Esslingen, die ihre künstlerische Arbeit kontinuierlich auf die Kooperation mit Flüchtlingen fokussieren. Und die dabei Methoden entwickelt und konkretes Wissen erworben haben, wie Kulturarbeit mit traumatisierten Flüchtlingen gelingen kann.

 

Als Bundesverband des bürgerschaftlichen Engagements versteht der BDAT seine Aufgabe darin, mitzuarbeiten dieses Wissen zu kommunizieren und bestehenden Praktiken der Kulturarbeit im Lokalen mit existenten und zukünftigen Fördermöglichkeiten zu stabilisieren, neue Initiative zu ermöglichen und über das Beispielhafte hinaus künftig noch stärker in die Breite zu tragen.

 

Dieser Text ist zuerst in Politik & Kultur 06/2015 erschienen.

Stephan Schnell
Stephan Schnell ist Bildungsreferent und Referent für Internationales und Stellverstretender Geschäftsführer des Bund Deutscher Amateurtheater (BDAT).
Vorheriger ArtikelAnerkennung, Partizipation, Verständigung
Nächster ArtikelInklusion durch Zirkusarbeit