Inklusion durch Zirkusarbeit

Artistik als Mittel zur nonverbalen Verständigung

Der Kinder- und Jugendzirkus CABUWAZI ist an allen fünf Standorten in Berlin schon seit einigen Jahren in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen aus geflüchteten Familien aktiv, beispielsweise mit Zirkuskursen für Kinder in der Geflüchtetenunterkunft Neustart Berlin GmbH in Kooperation mit der Peter-Pan-Grundschule in Marzahn. Im Sommer 2015 trafen in einer Feriensprachschule in Treptow 15 unbegleitete minderjährige Jugendliche mit Fluchterfahrungen des Trägers Alep e. V. auf 15 Kinder aus Alt-Treptow und erlebten im Juli zwei Wochen mit Artistik und Sprachvermittlung. Schwerpunkte waren das Kennenlernen verschiedener Kulturen, Integration und Aufbau von Vertrauen. CABUWAZI beteiligte sich außerdem an 14 weiteren Ferienschulen in verschiedenen Bezirken. Andere „Refugees Welcome“-Projekte sind Zirkuskurse für Kinder in den Einrichtungen für geflüchtete Menschen, beispielsweise seit zwei Jahren in der Gemeinschaftsunterkunft Marienfelde und in den Einrichtungen Allende I und Allende II in Treptow-Köpenick. Einige der Maßnahmen werden gefördert vom Programm „Kultur macht stark“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Wichtig ist sowohl bei den Kursen wie bei Projektwochen in den verschiedenen Zelten eine gemeinsame artistische Arbeit von Berliner Kindern mit den neuangekommenen Kindern mit Fluchterfahrung, beispielsweise mit Willkommensklassen, um eine Inklusion zu befördern.

„Die Konzentration auf die artistische Übung blendet die Erinnerung an schreckliche Geschehnisse aus und hilft so, sie zu verarbeiten.“

Ein eigens gebildetes Team „CABUWAZI Beyond Borders“ geht mit mehreren Zirkustrainern in die unterschiedlichen Einrichtungen – Notunterkünfte, Erstaufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte, beispielsweise die Traglufthalle Poststadion in Moabit – und bietet Kindern und Jugendlichen mit vielfältigen artistischen Angeboten die Möglichkeit, das eigene Können positiv zu erfahren, sich im sozialen Verbund zu erleben und nicht zuletzt Traumata der Kriegs- und Fluchterlebnisse durch die eigene Wertschätzung und Persönlichkeits- wie Kompetenzentwicklung besser zu verarbeiten.

 

Zirkus bietet dafür die besten Voraussetzungen: Er ist in erster Linie nonverbal, aber in der gemeinsamen Arbeit erwerben die Neuankömmlinge auf einfache Weise Sprach­kenntnisse. Die Artistik ist nicht nur ein relativ niedrigschwelliges Angebot, sondern vor allem äußerst vielseitig: Jeder und jede findet etwas, was ihm oder ihr besonderen Spaß macht, kann seine und ihre Stärken und Talente entdecken. Die Konzentration auf die artistische Übung blendet die Erinnerung an schreckliche Geschehnisse aus und hilft so, sie zu verarbeiten. Das Erfolgserlebnis der gelungenen Übung, insbesondere in der Aufführung vor Publikum, stärkt das Selbstbewusstsein. In der Durchmischung der Zirkusgruppen mit geflüchteten und hier beheimateten Kindern wird das gemeinsame, partnerschaftliche Erleben zur Normalität. Zirkus macht die Kinder stark für den Start in der neuen Heimat. Aber auch für den Kinder- und Jugendzirkus CABUWAZI, der schon immer für alle offen war, stellt die Erweiterung des Programms durch die Arbeit mit Kindern aus geflüchteten ­Familien einen Zugewinn dar, denn noch stärker als bisher werden andere Kulturen erfahren, die das eigene kulturelle Umfeld bereichern.

 

Dieser Text ist zuerst in Politik & Kultur 06/2015 erschienen.

Gisela Winkler & Karl Köckenberger
Gisela Winkler ist Fachpublizistin. Karl Köckenberger ist Geschäftsführer von CABUWAZI - GrenzKultur gGmbh
Vorheriger ArtikelTheaterprojekte als Chance zur Integration
Nächster Artikel60 Millionen Menschen auf der Flucht