Neues Urheberrecht: Musikindustrie, GEMA, Musikurheberinnen und -urheber

Positionen zum neuen Urheberrecht

Hier schildern René Houareau (Musikindustrie), Michael Duderstädt (GEMA) und Matthias Hornschuh (Musikurheberinnen und -urheber) ihre Positionen zum neuen Urheberrecht. Die Text sind zuerst erschienen in Politik & Kultur 7-8/2021.

 

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Musikindustrie

 

Nach langen Diskussionen und vielen Auseinandersetzungen ist nun das „Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des Digitalen Binnenmarkts“ am 7. Juni 2021 in Kraft getreten. Und vermutlich ist es nicht übertrieben, wenn man hier von einem einschneidenden Wechsel spricht. Jetzt ist es an der Zeit, mit den Ergebnissen umzugehen.

 

Was bisher war: Wir haben schon oft gesagt, dass die Komplexität des Urheberrechts begründet und sinnvoll ist – weil es die Vielgestaltigkeit der Kultur- und Kreativbranche abbilden muss, die nach sehr unterschiedlichen Produktions- und Auswertungslogiken aufgebaut ist. Kurz: Wir sind hoch divers, effektiv und stolz darauf. So ist die Musikindustrie selbst („Recorded Music“), gemessen am Gesamtumsatz, glücklicherweise auch sehr gut durch die Krise gekommen. Und auch die Künstler in deren Entwicklung, Inhalte und Vermarktung die Branche massiv investiert, partizipieren an diesem Erfolg. Eine Dynamik, die unterstreicht, welche Relevanz kreative Inhalte für die Menschen haben, auch und besonders in Krisenzeiten. Vor allem aber zeigt sie, wie sehr sich die Branche den digitalen Raum zu eigen gemacht, ihn begriffen, strategisch entwickelt und gestaltet hat. Der Weg zum Erfolg hat mit neuen Geschäftsmodellen und einem klugen Mix aus digital und analog zu tun. Doch „digital“ ist inzwischen klar das Fundament, das der Branche eine gewisse Resilienz gegenüber der aktuellen Ausnahmesituation beschert. Umso dringender sind belastbare Rahmenbedingungen in der Online-Welt. Und das gilt auch für die anderen Branchen der deutschen Kultur- und Kreativwirtschaft.

 

Bei aller gut begründeten Kritik gibt es auch Grund für Lob. Es ist unbenommen, dass der Gesetzgeber im Rahmen der letzten Befassung auch positive Anpassungen an das Gesetz vorgenommen hat, für die wir eingetreten sind: Dazu gehört der Erhalt des Melodienschutzes ebenso wie die Berücksichtigung des Urheberpersönlichkeitsrechts und der Verzicht auf den rechtsgrundlosen Direktvergütungs-Anspruch für Hersteller.

 

Aber es überwiegt ganz klar die Kritik, denn aus unserer Sicht ist die Chance zur Etablierung eines zukunftsorientierten Urheberrechts in Deutschland – eingebettet in einen einheitlichen europäischen Rechtsrahmen – gerade verpasst worden, weil ein erfolgreicher und entwicklungsstarker Wirtschaftszweig in einem hochwettbewerbsintensiven Geschäft geschwächt und eine komplexe Lizenzarchitektur beschädigt wird – gerade auch zulasten der Künstler. Und vermutlich vor allem zum Vorteil der Online-Plattformen. Und warum? Um den Verbraucher zu schützen? Diesen Schutz hatte allerdings bereits die Richtlinie selbst vollumfänglich vorgesehen. Zum einen dadurch, dass der Verbraucher nicht mehr unmittelbar haften sollte, sondern die Plattform. Zum anderen, indem er das Recht auf einen belastbaren, kostenfreien und leicht zugänglichen Beschwerde-Mechanismus hatte. Die Überschuss-Tendenz des Deutschen Gesetzgebers im Wege der „mutmaßlich erlaubten Nutzungen“ ebenso wie im Bereich der „Vergütungsansprüche“ bleibt – vor allem mangels jeder faktisch belegten Notwendigkeit – wenigstens im Musikbereich ein Rätsel. So sind die Regelungen zu den „mutmaßlich erlaubten Nutzungen“ aufgrund längst etablierter „Duldungslizenz-Modelle“ unnötig. Vor dem Hintergrund, dass deren Rechtmäßigkeit nach wie vor in Zweifel steht, wiegt das umso schwerer. Und wie vielfach erläutert: Die „Vergütungsansprüche“ helfen gegebenenfalls Einzelnen, die von den Verteilungsplänen innerhalb der Verwertungsgesellschaften profitieren – dem Gros der ausübenden Popmusiker aber nicht. Ihre ganz persönliche Gesamtkalkulation wird darunter leiden.

 

Wir hoffen, zu einer fakten- und evidenzbasierten Diskussion zurückkehren zu können. Die von uns vielfach aufgeworfenen und unbeantwortet gebliebenen juristischen und praktischen Fragen sind nach wie vor ungelöst. Auch deshalb werden die aktuellen Regelungen in ihren Facetten von den Gerichten zu beurteilen sein.

 

René Houareau ist Geschäftsführer Recht & Politik beim Bundesverband Musikindustrie

 

 

GEMA

 

Im Mai haben Deutscher Bundestag und Bundesrat den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der 2019 beschlossenen EU-Urheberrechtsrichtlinie verabschiedet. Nach einem zeitweise höchst kontroversen Diskussionsprozess kann damit die größte Reform des Urheberrechts der letzten 20 Jahre in Kraft treten.

 

Als Musikbranche verabschieden wir uns mit der jetzt erfolgreich zum Abschluss gebrachten Umsetzung der EU-Richtlinie auch von einem Jahrzehnt, in dem fehlende Wertschätzung für kreative Leistungen und massive Angriffe auf die Rechte von Urheberinnen und Urhebern selbstverständlich waren.

 

Das Kernstück der Reform ist das neue Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz, kurz UrhDaG, das spezielle Vorschriften für Online-Plattformen enthält. Darin wird endlich unmissverständlich geregelt, dass Kreative für die Nutzung ihrer Werke auf den Plattformen vergütet werden müssen. Die urheberrechtliche Verantwortlichkeit liegt nun bei den Plattformbetreibern.

 

Anbieter wie YouTube oder Facebook müssen also künftig Lizenzvereinbarungen mit den Rechteinhabern abschließen, wenn deren Werke auf ihrer Plattform genutzt werden. Die Plattformen müssen darüber hinaus nichtlizenzierte Werke auf Verlangen der Rechteinhaber dauerhaft sperren. Bisher mussten Rechteinhaber solche Sperrungen für jede einzelne Plattform mühsam vor Gericht erstreiten.

 

Und es gibt weitere Neuerungen: Es wird künftig deutlich schwieriger, Urheber gegen ihren Willen zu Total-Buyout-Verträgen zu zwingen. Die Verlegerbeteiligung an gesetzlichen Vergütungsansprüchen wird auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt. Das bewährte System der kollektiven Rechtewahrnehmung von Urhebern und Verlegern in gemeinsamen Verwertungsgesellschaften wird insgesamt gestärkt.

 

Neben den zukunftsweisenden Regelungen zur Providerhaftung gibt es jedoch auch Punkte, bei denen die Reform hinter den Erwartungen zurückbleibt: Dies trifft vor allem zu bei den neuen Schrankenregelungen. Bei der „Pastiche“-Schranke wie auch bei der sogenannten „15-Sekunden-Regelung“ wird genau darauf zu achten sein, dass ihre Auslegung nicht zulasten der Kreativen geht.

 

Positiv hervorzuheben ist wiederum, dass der Deutsche Bundestag am Ende viele Kritikpunkte der Musikschaffenden aufgegriffen hat: Dies betrifft insbesondere die Stärkung der Urheberpersönlichkeitsrechte im Zusammenhang mit „mutmaßlich erlaubten Nutzungen“, wie es im Gesetzestext heißt, sowie die Beibehaltung des Melodienschutzes. Für entsprechende Nachbesserungen hatte sich auch die GEMA bis zuletzt stark gemacht.

 

Sowohl Brüssel als auch Berlin haben mit der Richtlinie und deren Umsetzung „Yes to Copyright“ gesagt und am Ende trotz mancher Unzulänglichkeit den Kreativen den Rücken gestärkt. Im nächsten Schritt müssen die neuen Regelungen nun so in die Praxis überführt werden, dass bestehende europäische Lizenzmodelle nicht beeinträchtigt werden und sich die Vergütungssituation der Kreativen auch wirklich verbessert. Wir sind überzeugt, dass uns dies auf Grundlage der neuen Regeln gemeinsam gelingen wird.

 

Michael Duderstädt ist Direktor Politische Kommunikation der GEMA

Musikurheberinnen und -urheber

 

Als „Quadratur des Kreises“ haben Urheberrechtler die Vorgaben der Bundesregierung an die nationale Umsetzung der DSM-Richtlinie beschrieben: Man wolle die schöpferisch Tätigen besserstellen, ohne Overblocking – und damit unverhältnismäßige Einschränkungen von Freiheits- und Kommunikationsrechten – zu veranlassen. Der gesamte politische Prozess rund um Richtlinie und Umsetzung bedarf
einer sorgfältigen Aufarbeitung, denn die „Governance by Shitstorm“, von der „ Süddeutsche Zeitung“ anläss-lich der ACTA-Proteste 2012 beschrieben, ist politische Alltagskultur geworden.

 

Die eigentlichen Schutzbefohlenen haben manche bittere Pille zu schlucken. Eine Schrankenregelung zum unbestimmten Rechtsbegriff „Pastiche“ war vorgegeben. Deren überaus weite Gesetzesbegründung rund um Begriffe wie „Remix“, „Mashup“, „Meme“ lässt, in Kombination mit der Vermutungsregel zu vermeintlich „geringfügigen Nutzungen“, ein „Recht auf Remix“ durch die Hintertür befürchten. Immerhin wurden auf der Zielgeraden persönlichkeitsrechtliche Interventionsmöglichkeiten und Melodienschutz aufgewertet.

 

Und doch sind sich die legitimen Interessenvertretungen von Musikautoren bis Musikerinnen einig: Das Glas ist mindestens halb voll. Der bedeutendste Paradigmenwechsel in mehr als zwei Dekaden ist vollzogen, indem die großen marktbeherrschenden Plattformen definitorisch zu Verwertern künstlerischer Leistungen erklärt wurden. Damit sind sie lizenz- und vergütungs- und nicht zuletzt auch auskunftspflichtig: eine nachhaltige Stärkung der Verhandlungsposition der schöpferisch Tätigen. Mit dem neuen nicht abtretbaren Direktvergütungsanspruch an die Plattformen wird für viele künstlerisch Beteiligte erstmals eine Vergütung von Online-Nutzungen greifbar. Der Anspruch bleibt auf die Kreativen begrenzt; Verwerter – einschließlich der Selbstvermarkter – können ihr Repertoire weiterhin direktvertraglich an die Plattformen lizenzieren. Insgesamt dürfte sich die Lage der Kreativen auf der Basis gefestigter Verhandlungsposition und erweiterter Auskunftsansprüche verbessern – auch monetär. In welchem Umfang und wie schnell, das bleibt allerdings abzuwarten; die praktische Umsetzung der neuen Regeln ist alles andere als trivial.

 

Eines sollte man sich klarmachen: Verteilungskämpfe beendet man nicht durch Hinzufügen neuer Zahlungspflichtiger, sondern durch Bereitschaft, angemessen zu vergüten, und gerechtere Verteilung. Solange die einen über Digitalisierungszuwächse jubeln, während die anderen darben, ist die Arbeit nicht abgeschlossen.

 

Im Übrigen ist nach der Implementierung vor der Novellierung: Die Pastiche-Schranke und insbesondere die Regeln zu geringfügigen Nutzungen sind zu evaluieren. Ebenso der Direktvergütungsanspruch; sollte er sich als tragfähig erweisen, ist er auf Bezahldienste auszuweiten. Trotz erkennbarer Stärkung kollektiver Instrumente und Strukturen wurde die Hoffnung auf ein Verbandsklagerecht nicht erfüllt. Doch was nicht ist, kann ja noch werden.

 

Matthias Hornschuh ist freischaffender Komponist, Vorsitzender des Berufsverbands mediamusic und Stellvertretender Präsident des Landesmusikrates NRW

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