Neues Urheberrecht in Kraft

Auf Urheber, Rechtsinhaber, Verwertungsgesellschaften, aber auch auf Plattformen und Nutzer kommen neue Aufgaben zu

Am 7. Juni 2021 ist das Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes in Kraft getreten. Damit kommt ein Gesetzgebungsverfahren zum Abschluss, dass in den letzten Jahren für erhebliche politische und mediale Aufmerksamkeit sorgte. Das gilt vor allem für die Neuregelungen zur Haftung von Upload-Plattformen wie YouTube und Co. Übersehen wird dabei gelegentlich, dass sich neben diesem heißen Eisen einige weitere Bestimmungen im Gesetz finden, die deutlich weniger in der Öffentlichkeit diskutiert wurden, für Urheber, Rechtsinhaber und Nutzer aber dennoch von einiger Bedeutung sind.

 

Der Startschuss für das Gesetzgebungsverfahren fiel bereits am 14. September 2016 in Brüssel. An diesem Tag legte die EU-Kommission ein „Copyright-Package“ vor, zu dem vor allem der Richtlinienvorschlag über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (DSM-Richtlinie) sowie der Verordnungsvorschlag für die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten in Bezug auf bestimmte Online-Übertragungen von Rundfunkveranstaltern und die Weiterverbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen (Online-SatCab-Verordnung) gehörten; Letzterer wurde später zur Online-SatCab-Richtlinie. Die beiden Gesetzgebungsverfahren haben auf europäischer Ebene bis zum Frühjahr 2019 gedauert und wurden mit Blick auf die DSM-Richtlinie – vorsichtig gesagt – sehr engagiert begleitet. Die parlamentarischen und außerparlamentarischen Diskussionen, die insoweit mit großer Härte geführt wurden, werden Beteiligten und Beobachtern noch lange in Erinnerung bleiben. Ungewöhnlich war auch, dass die Bundesregierung dem Trilog-Verhandlungsergebnis von EU-Kommission, Rat und Europäischen Parlament zur DSM-Richtlinie am 15. April 2019 im Rat nur mit einer Protokollerklärung zustimmte. Bei den Auseinandersetzungen um die DSM-Richtlinie ging es vor allem um die bereits erwähnte Haftung der Upload-Plattformen. Ursprünglich fand sich hier der einschlägige Regelungsvorschlag in Artikel 13 des Entwurfs, wurde aber später zu Artikel 17 der verabschiedeten DSM-Richtlinie. Es lohnt sich durchaus, die erste Formulierung im Entwurf der EU-Kommission mit der finalen Regelung zu vergleichen. Da ist eine Menge passiert.

 

Nach Verabschiedung der DSM-Richtlinie und der Online-SatCab-Richtlinie im April 2019 ging es um die nationale Umsetzung, die mit einer Konsultation des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) im Sommer 2019 eröffnet wurde. Es folgte ein erster Diskussionsentwurf Anfang 2020, der lediglich einzelne Regelungen der DSM-Richtlinie wie insbesondere die Verlagsbeteiligung und das Presseverlegerleistungsschutzrecht betraf, und eigentlich als „Schnellboot“ geplant war, also kurzfristig verabschiedet werden sollte. Ein zweiter Diskussionsentwurf folgte im Juni 2020. Dieser fasste alle übrigen Regelungsvorschläge zusammen, vor allem sah er ein eigenständiges Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG) vor, mit dem Artikel 17 der DSM-Richtlinie umgesetzt werden sollte. Nachdem das „Schnellboot“ nicht wirklich Fahrt aufgenommen hatte, führte der Referentenentwurf des BMJV im Herbst 2020 beide Diskussionsentwürfe wieder zusammen. Es folgten der Regierungsentwurf im Februar 2021 und anschließend das parlamentarische Verfahren. Am 4. Juni 2021 endete auch dieses schwierige Gesetzgebungsverfahren mit der Veröffentlichung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt – drei Tage vor Ablauf der Umsetzungsfrist beider Richtlinien am 7. Juni 2021. Eine ministerielle und politische Punktlandung, die zwischendurch für wenig wahrscheinlich gehalten worden war.

 

Worum geht es also inhaltlich bei dem neuen Gesetz? Weitgehend unstreitig war die Umsetzung der Vorgaben der Online-SatCab-Richtlinie. Hervorzuheben ist hier vor allem, dass die Regelungen zur Kabelweitersendung „technologieneutral“ gefasst werden und auch bestimmte Weitersendungen über das Internet abdecken. Ganz anderes sah es bei der Umsetzung der DSM-Richtlinie aus. Hier wurden bereits die Regelungen zum Urhebervertragsrecht kontrovers diskutiert. Vorgesehen sind insbesondere neu formulierte Auskunftsansprüche der Urheber gegenüber ihren vertraglichen Partnern sowie Dritten in der Lizenzkette. Ferner wurde klargestellt, dass sich Urheber und ausübende Künstler bei urhebervertragsrechtlichen Streitigkeiten von Urheberverbänden vertreten lassen können. Von ganz erheblicher Bedeutung sind ferner die neuen gesetzlichen Erlaubnisse, die sogenannten „Schranken“, für Karikatur, Parodie und Pastiche, Text und Data Mining und zur Nutzung von nicht verfügbaren Werken; letztere Regelung greift allerdings nur, wenn keine Verwertungsgesellschaft Lizenzen für nichtverfügbare Werke vergibt. Besonders wichtig ist auch, dass die Beteiligung von Verlagen an den Einnahmen für gesetzlich erlaubte Nutzungen auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt wird. Außerdem wurde ein neu formuliertes Presseverlegerleistungsschutzrecht nebst Beteiligungsanspruch der Urheber eingeführt. In der Praxis wird ferner die Möglichkeit für Verwertungsgesellschaften, kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung zu vergeben, neue Lizenzoptionen eröffnen. Hier geht es darum, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch Rechte für „Außenstehende“ vergeben werden können, die keinen Wahrnehmungsvertrag mit einer Verwertungsgesellschaft abgeschlossen haben. Im Mittelpunkt des Gesetzgebungsverfahrens stand aber – wie gesagt – das neue UrhDaG zur Haftung von Upload-Plattformen. Hier hat der Gesetzgeber ein kompliziertes System von Regelungen geschaffen, mit dem versucht wird, einen Ausgleich zwischen der grundsätzlichen Lizenzpflicht von Upload-Plattformen auf der einen Seite und den Interessen von Nutzern an einem möglichst weitgehenden Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken auf der anderen Seite hinzubekommen.

Der Deutsche Kulturrat hat zu diesem umfangreichen urheberrechtlichen Reformpaket auf europäischer und nationaler Ebene insgesamt sieben Stellungnahmen abgegeben. Das ist außergewöhnlich und unterstreicht die Bedeutung der Reform. Die Stellungnahmen sind, wie unschwer zu erkennen, immer ein Kompromiss der im Deutschen Kulturrat vertretenen Verbände. Und dazu gehören bekanntlich Urheber und Verlage, Schauspieler und Musiker, Musik- und Filmproduzenten, Sendeunternehmen oder Bibliotheken und Museen. Manche Themen lassen sich deshalb nur mit Zurückhaltung behandeln. Dessen ungeachtet gab es durchaus wichtige Punkte, die übereinstimmend positiv oder negativ bewertet wurden, sogar beim Urhebervertragsrecht. Durchgängig positiv wurde beispielsweise die Regelung zur Verlagsbeteiligung eingeschätzt, weil sie die Grundlage für das erfolgreiche Modell der gemeinsamen Verwertungsgesellschaften von Urhebern und Verlagen ist. Durchgängig kritisiert wurde dagegen der Vorschlag für eine neue Pastiche-Schranke, weil völlig unklar ist, was genau unter einem „Pastiche“ zu verstehen ist. Auch die Regelungsvorschläge zum UrhDaG wurden vielfach sehr kritisch gesehen. Das galt insbesondere im Hinblick auf die zunächst vorgesehene „Bagatell-Schranke“ für bestimmte gesetzlich erlaubte Nutzungen, die im Regierungsentwurf durch das Konzept der „mutmaßlich erlaubten Nutzungen“ ersetzt wurde und in dieser Form jetzt auch geltendes Recht geworden ist. Und als hätte es nicht bereits genug kontroverse Themen gegeben, schlug der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf auch noch vor, eine neue Zwangslizenz für das sogenannte „E-Lending“ einzuführen. Dieser Vorschlag wurde aber im weiteren parlamentarischen Verfahren nicht aufgegriffen. Das Thema dürfte dennoch in der nächsten Legislaturperiode erneut auf der Tagesordnung stehen.

 

Insgesamt lässt sich sagen, dass das verabschiedete Gesetz bei vielen Beteiligten gemischte Gefühle hinterlässt. Das ist allerdings im Bereich des Urheberrechts nichts Ungewöhnliches, weil es hier in besonderer Weise darum geht, die Interessen höchst unterschiedlicher Akteure in einen gerechten Ausgleich zu bringen. Dabei sollte allerdings nie vergessen werden, dass das Urheberrecht das Recht der Urheberinnen und Urheber ist und die rechtliche Grundlage dafür schafft, dass Werke entstehen können, ohne die kein Verwerter, kein Nutzer und keine Plattform auskommt.

 

Wie immer man aber zu der Reform auch stehen mag, es handelt sich seit dem 7. Juni 2021 um geltendes Recht und deshalb sollte unverzüglich damit begonnen werden, die neuen Regelungen bestmöglich in die Praxis umzusetzen. Es kommen dabei einige Aufgaben auf Urheber, Rechtsinhaber und Verwertungsgesellschaften zu, aber natürlich auch auf Plattformen und Nutzer. Einvernehmliche Lösungen zwischen den Beteiligten werden dabei häufig der bessere, vor allem aber ein schnellerer Weg sein als die Anrufung der Gerichte. Eine anstehende Gerichtsentscheidung könnte allerdings für das UrhDaG nochmals erhebliche Bedeutung haben. Beim Europäischen Gerichtshof ist bekanntlich eine Klage der Republik Polen anhängig, in der es um die Verfassungskonformität der Plattformhaftung nach Art. 17 DSM-Richtlinie geht. Nachdem die mündliche Verhandlung bereits Ende 2020 stattgefunden hat, wird jetzt auf die Schlussanträge des Generalanwalts und anschließend auf das Urteil des Gerichtshofs gewartet. Es bleibt also – wie immer beim Urheberrecht – spannend!

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 7-8/2021.

Robert Staats
Robert Staats ist Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der VG Wort und Vorsitzender des Fachausschusses Urheberrecht des Deutschen Kulturrates.
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