Bei der Mitgliederversammlung des Deutschen Kulturrates im letzten Jahr hatte Kulturstaatsministerin Claudia Roth angekündigt, dass die vom Bund geförderten Kultureinrichtungen ab dem kommenden Jahr für Leistungen von selbstständigen Künstlerinnen und Künstlern mindestens Honorare in Höhe einer Honoraruntergrenze zahlen müssen. Diese Ankündigung hat sie gehalten. Ab 1. Juli dieses Jahres gelten für die von der BKM geförderten Projekte sowie Institutionen, dass sie selbstständigen Künstlerinnen und Künstlern mindestens ein Honorar entsprechend der Honoraruntergrenze der einschlägigen bundesweiten Empfehlungen zahlen müssen. Das ist ein echter Durchbruch bei den Honoraruntergrenzen.
Honoraruntergrenzen müssen eingehalten werden, wenn die Bundesförderung mindestens 50 Prozent beträgt. Sie sind ausschließlich bei professionellen Künstlerinnen und Künstlern anzuwenden, also nicht für Amateure und auch nicht, wenn die Leistung im Rahmen eines Wettbewerbs, der zur Nachwuchsförderung dient, erbracht wird. Wie nun feststellen, wer professionelle Künstlerin oder Künstler ist? Es handelt sich schließlich um keinen geschützten Beruf. Es wird entsprechend zur Berufsausübung in der Regel keine Ausbildung vorausgesetzt. Es gibt auch keine Kammer, wie z. B. bei Architektinnen und Architekten, die den Zugang zum Beruf reglementiert. Gleichwohl bestehen eine Reihe von Merkmalen, anhand derer eine professionelle Ausübung der künstlerischen Tätigkeit eingeschätzt werden kann, von denen nicht alle erfüllt sein müssen, damit von einer professionellen Tätigkeit ausgegangen werden kann. Ebenso wenig ist es erforderlich, dass die Künstlerin oder der Künstler ausschließlich selbstständig ist. Auch bei hybrid Erwerbstätigen, also jenen, die selbstständig tätig und abhängig beschäftigt sind, ist die Honoraruntergrenze einzuhalten. Merkmale professioneller künstlerischer Tätigkeit sind:
- einschlägige Berufs- oder Hochschulausbildung im künstlerischen oder kreativen Bereich
- Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse
- Dokument des Finanzamtes mit Steuernummer
- Mitgliedschaft in einem einschlägigen Fach- oder Berufsverband bzw. einer Gewerkschaft
- Wahrnehmungsvertrag mit einer Verwertungsgesellschaft/Mitgliedschaft in einer Verwertungsgesellschaft
- Vermittlung über eine Agentur
- Nachweislich entsprechende Tätigkeitspraxis
Einzuhalten sind die Honoraruntergrenzen für folgende Tätigkeitsbereiche bzw. künstlerische Sparten:
- Lesungen
- Ausstellungen einschließlich Konzeption, Öffentlichkeitsarbeit, Führungen, Vorträge und Diskussionsveranstaltungen, Auf- und Abbau durch die Künstlerin oder den Künstler
- Proben und Vorstellungen in der Musik und der Darstellenden Kunst
- Workshops der kulturellen Bildung in Literatur, Bildender Kunst, Musik und Darstellender Kunst
Auch wenn einige künstlerische Sparten in der Aufzählung noch nicht enthalten sind, wie z. B. Design oder die Leistungen selbstständiger Kuratorinnen und Kuratoren, sind die Honoraruntergrenzen des Bundes ein erster wichtiger Schritt, um viele künstlerische Sparten zu erfassen. Bisherige Modelle von Honoraruntergrenzen oder Mindesthonoraren in den Ländern beziehen sich auf ausgewählte Tätigkeitsbereiche wie z. B. Ausstellungsvergütungen in kommunalen Galerien in Berlin oder die verpflichtende Einhaltung von Honoraruntergrenzen bei geförderten Freien Theatern in Brandenburg.
Wer also künftig Aufträge in den o. g. exemplarisch genannten Tätigkeitsbereichen an selbstständige Künstlerinnen und Künstler vergibt und zu mindestens 50 Prozent vom Bund gefördert wird, muss bei der Aufstellung des Kosten- und Finanzierungsplans mindestens ein Honorar eingeplant haben, das der Honorarempfehlung eines der einschlägigen Fach- oder Berufsverbände bzw. Gewerkschaften entspricht. In den Sparten Literatur, Bildende Kunst und Darstellende Kunst liegt jeweils nur eine Empfehlung für eine Honoraruntergrenze vor. In der Musik gibt es verschiedene. Hier müssen die betreffenden Institutionen die für sie am besten passende auswählen.
Wichtig ist: Es handelt sich um eine Honoraruntergrenze. D. h. weniger als ein in den einschlägigen Empfehlungen genannter Wert darf nicht gezahlt werden, darüber ist alles möglich. Eine Honorarobergrenze besteht nicht. Ebenso sind Reisekosten oder der ggf. anfallende Umsatzsteuersatz zusätzlich zu zahlen.
Ausstellungsvergütungen
Mit der Einführung der Honoraruntergrenze bei Ausstellungen wird auch ein Weg beschritten, Ausstellungsvergütungen zu realisieren. Der Künstler Klaus Geldmacher schreibt in seinem »LICHTBLICKe« Nr. 48 vom 23. Juni 2024, dass es »sage und schreibe ein halbes Jahrhundert« gedauert hat, bis die Ausstellungsvergütungen zumindest bei Bundesförderung eingeführt werden. Er erinnert daran, dass der Deutsche Künstlerbund im Jahr 1974, also vor einem halben Jahrhundert, für die 22. Jahresausstellung in Mainz Honorare an die ausstellenden Künstlerinnen und Künstler gezahlt hat. Diese vom damaligen rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Helmut Kohl unterstützte Initiative sollte einen Modellcharakter haben und insbesondere einen Impuls für die Verankerung von Ausstellungsvergütungen im Urheberrecht setzen. Geldmacher zeichnet die bislang samt und sonders gescheiterten Versuche, die Ausstellungsvergütungen im Urheberrecht zu verankern, nach, von den ersten Vorschlägen der IG Medien im Jahr 1990 über die Vorstöße im Deutschen Bundestag, die Enquete-Kommission »Kultur in Deutschland« bis hin zu diversen Anhörungen im Deutschen Bundestag. Auch wenn die Ausstellungsvergütungen im Urheberrecht nach wie vor eine Leerstelle sind, sind die nunmehr getroffenen Regelungen bei öffentlichen Zuwendungen des Bundes ein wichtiger Schritt, um dem Ziel einer Vergütung näher zu kommen.
Ruckeln inklusive
Vermutlich wird es bei der Umsetzung der Honoraruntergrenzen zu Beginn ruckeln. Es ist eine neue Vorgabe, die auf Seiten der Zuwendungsgeber, also der Fachreferate der BKM und des Bundesverwaltungsamts, administrativ umgesetzt werden muss. Aber auch bei den Zuwendungsnehmern wird es zu Beginn wahrscheinlich Fragen und Abgrenzungsprobleme geben. Dies sollte aber nicht entmutigen. Wir sind sicher, dass mit der Zeit die viel beschworene Bürokratie eingegrenzt werden kann.
Ebenso sind die bisher erfassten Tätigkeitsbereiche noch nicht das Ende der Fahnenstange. Wie eingangs erwähnt, sind eine ganze Reihe von selbstständigen Tätigkeiten in den Listen der BKM, für die die Honoraruntergrenzen gelten, noch nicht erfasst. Aber erstens ist kein Zuwendungsempfänger daran gehindert, sich bei der Vergabe von Aufträgen an bestehenden Honorarempfehlungen zu orientieren. Der Deutsche Kulturrat führt darum in seinem Informationsangebot auch die Empfehlung des Deutschen Designtags und des Deutschen Verbands für Kunstgeschichte auf. Und zweitens ist es in jedem Fall ratsam, dass im kommenden Jahr eine erste Bilanz gezogen wird, wie die Honoraruntergrenze wirkt, ob tatsächlich, wie von einigen befürchtet, weniger Aufträge vergeben werden und welche Fehlstellen bestehen.