Unsere Amerikafixierung hat uns in eine Sackgasse geführt

Jetzt muss Europa seine Anliegen wieder mehr selbst regeln

Wenn diese Zeilen erscheinen, ist Donald Trump vielleicht schon abgesetzt oder er hat die halbe Welt in Brand gesteckt oder es ist nichts passiert. Wie auch immer, ganz Deutschland schaut gebannt über den Großen Teich, wo vermeintlich die Politik für Deutschland, für Europa, nein, für die ganze Welt gemacht wird.

 

Diese Amerikafixierung kommt nicht von ungefähr. Nach der Befreiung vom faschistischen Deutschland hat Europa den Vereinigten Staaten viel zu verdanken. Demokratie und amerikanische Lebensart haben besonders Deutschland glücklicherweise grundlegend verändert. Auch ist der militärische Schutz der USA im Kalten Krieg für Westdeutschland überlebenswichtig gewesen.

 

In Deutschland hat sich bereits kurz nach dem Ende des 2. Weltkrieges eine verschworene Gruppe von Politikern und Journalisten, die Transatlantiker, gebildet, die fest davon überzeugt sind, dass Deutschland nur als Juniorpartner der USA überleben kann. Zudem ist für die Transatlantiker unstrittig, dass die Art und Weise, wie in den USA Politik und Wirtschaft organisiert sind, vorbildlich ist und bei uns möglichst eins zu eins umgesetzt werden sollte.

 

Die Transatlantiker fühlen sich als Elite, die sich in verschiedenen Zirkeln und Organisationen, wie z. B. der 1952 gegründeten Atlantik-Brücke e. V., zusammengeschlossen haben. Sie prägen seit Jahrzehnten unser Bild von den Vereinigten Staaten.

 

Wie stark die Verbindungen auchaußerhalb des Politikbereiches sind, wurde in der legendären ZDF-Sen­dung »Die Anstalt« vom April 2014 deutlich. Die Kabarettisten Max Uthoff und Claus von Wagner hatten die Verbindungen zwischen hochrangigen Redakteuren von Die Zeit, Frankfurter Allgemeine, Welt, Bild und Süddeutsche Zeitung zu transatlantischen Organisationen vorgestellt und damit ein mediales Beben ausgelöst.

 

Vielleicht ist die Erschütterung gerade in Deutschland über den neuen amerikanischen Präsidenten so groß, weil wir die USA jahrzehntelang nicht mit wachen Augen, sondern oftmals durch die Brillen von Transatlantikern gesehen haben.

Das erfolgreichste Agitationsmittel der Transatlantiker ist der gebetsmühlenartig vorgetragene Vorwurf des Antiamerikanismus. Jedwede Kritik an den USA wird mit diesem Attribut belegt. Wir haben das bei den Debatten um das Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA, TTIP, ständig erleben müssen.

 

Die Transatlantiker haben uns mit ihrer einseitigen Sichtweise der Welt in eine Sackgasse geführt. Jetzt muss Europa seine Anliegen wieder mehr selbst regeln. Natürlich in engem Schulterschluss mit den USA, aber mit einer eigenen kulturellen und politischen Agenda.

Olaf Zimmermann
Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates und Herausgeber und Chefredakteur von Politik & Kultur.
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