Über Boykotte von israelischen Künstlerinnen und Künstlern

Ron Prosor, der israelische Botschafter in Deutschland, hat mich zu einem Gespräch gebeten. Ich bin nicht das erste Mal in der Israelischen Botschaft, aber jedes Mal sind die Sicherheitsmaßnahmen höher. Die deutschen Polizisten, die die Straßen vor der Botschaft sichern, sind sehr freundlich, ich bin angemeldet, kann schnell passieren. Im Eingangsbereich werde ich, wie auch bei der Grenzkontrolle in Israel üblich, freundlich befragt. Kein Scanner kommt zum Einsatz, man verlässt sich auf Menschenkenntnis, eine, wie ich finde, gute Strategie.

 

Die Familie von Ron Prosor verließ 1933, im Jahr der nationalsozialistischen Machtergreifung, Deutschland. Seit zwei Jahren ist Prosor nun Botschafter seines Landes in Deutschland. Er gehört der neuen Generation von Spitzendiplomaten an, die charismatisch, direkt und nicht immer diplomatisch sind. Auch unser Gespräch verläuft sehr offen: Warum werden israelische Künstlerinnen und Künstler in Deutschland boykottiert, fragt er mich. Was kann ich darauf antworten?

 

Wir weisen die Politik immer und immer wieder auf die Freiheit der Kunst hin, wir verurteilen, wenn Künstlerinnen und Künstler bedrängt werden, wie gerade zum Beispiel in Ungarn, der Slowakei und Italien. Wir machen uns stark dafür, dass auch weiterhin afghanische Künstlerinnen und Künstler über das Bundesaufnahmeprogramm nach Deutschland fliehen können, und dann werde ich gefragt, warum israelische Künstlerinnen und Künstler von deutschen Kulturveranstaltern boykottiert werden. Ich habe darauf ehrlicherweise keine Antwort, nur vollkommenes Unverständnis.

 

Wer die israelische Regierung kritisieren will, soll das tun. Aber warum werden Künstlerinnen und Künstler aus dem Land boykottiert? Die von nicht wenigen Kulturschaffenden unterstützte BDS-Kampagne (Boycott, Divestment and Sanctions) ist der ideologische Kopf der Boykottmaßnahmen gegen Künstler. Der Deutsche Kulturrat lehnt Boykottaufrufe durch den BDS gegen Künstlerinnen, Künstler und Kultureinrichtungen entschieden ab. Diese Klarheit wird leider nicht von allen im Kulturbereich geteilt. Diejenigen, die den BDS unterstützen, müssen wissen, dass der BDS ein Feind der Kunstfreiheit ist.

 

Mit Ron Prosor habe ich vereinbart, dass wir in der Zukunft Informationen über den Boykott von israelischen Künstlerinnen und Künstlern in Deutschland erhalten werden. Wir dürfen über diese Anschläge gegen die Kunstfreiheit nicht schweigen, wir müssen sie öffentlich machen, wir müssen Ross und Reiter nennen.

 

Olaf Zimmermann
Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates und Herausgeber und Chefredakteur von Politik & Kultur.
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