Pressemedien in der Subventionsfalle?

Förderung von Printverlagen: 220 Millionen Euro für Zeitungen und Zeitschriften

Plattformen für Publikumspresse kein tragfähiges Geschäftsmodell

 

Vor einigen Jahren sind verschiedene Modelle von Plattformen für Tageszeitungen und Zeitschriften gestartet. Hier ist es möglich, ganze Titel oder auch nur einige Seiten oder einzelne Artikel zu erwerben. Readly und Blendle sind die bekanntesten Angebote für Tageszeitungen und Zeitschriften. Beide Plattformen blieben aber deutlich hinter den Erwartungen zurück und können bis heute keinen Gewinn verbuchen. Digitale Kioske werden in Deutschland von den Nutzern nicht angenommen. Viele Verlage haben die Plattformen entweder nicht bedient oder nach einer Testphase ihr Engagement beendet. So hatte Axel Springer seine Zeitungen Bild, Welt und B.Z. von der Presse-Flatrate-Plattform Readly zum 1. August 2019 wieder heruntergenommen. Bei Readly fehlen heute alle wichtigen überregionalen Zeitungen. Hinter dieser Skepsis von Titeln wie Süddeutscher Zeitung, Die Zeit oder FAZ steckt ein grundlegendes Dilemma, das den Erfolg einer vielbeschworenen Journalismus-Flatrate auch langfristig verhindern könnte. Denn damit eine Plattform nennenswerte Einnahmen abwerfen kann, müsste sie zu einem Branchenriesen werden. Das würde aber den Verlagen schaden. Nach Angaben einiger Verleger sind die Umsätze auf solchen Plattformen zwar ein nettes Zubrot zum Hauptgeschäft, insgesamt seien die Plattformen aber weit davon entfernt, eine ernsthafte vertriebliche Alternative zu werden, heißt es oft.

 

Förderung lokaler elektronischer Medien und der Filmwirtschaft

 

Die Bundesregierung hat für private elektronische Medien als Hilfsmaßnahme, um die coronabedingten Werbeverluste zu kompensieren, 20 Millionen Euro bereitgestellt. Dieses Geld wird ausschließlich für den Vertrieb von Programmen regionaler und lokaler Hörfunksender und lokaler TV-Sendern verwendet und damit werden die Übertragungskosten für 2020 teilweise finanziert.

 

Regionale und lokale private elektronische Medien – Hörfunksender, lokale TV-Sender, lokale Bürgermedien – werden über die Landesmedienanstalten bereits seit Jahren kontinuierlich gefördert. Den 14 Landesmedienanstalten standen in den vergangenen Jahren jährlich 150 Millionen Euro zur Verfügung. Zwischen 30 bis 50 Prozent davon wurde für die Förderung privater elektronischer Medien verwandt, also jährlich zwischen 50 bis 75 Millionen Euro. Für einzelne Projekte, vor allem im digitalen Bereich, wurden und werden zusätzliche Mittel von Staatskanzleien bereitgestellt.

 

Die Filmwirtschaft erhält aus FFA-, Bundes- und Ländermitteln eine jährliche Förderung von ca. 440 Millionen Euro. Um die Folgen der Corona-Pandemie abzumildern, wurden 160 Millionen Euro, davon 50 Millionen Euro für einen Ausfallfonds, durch die Bundesregierung beschlossen. Dazu kommen weitere Mittel aus den Haushalten der Länder, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Filmförderungsanstalt sowie der regionalen Filmförderer. Damit stehen der Filmwirtschaft annähernd 250 Millionen Euro für einen Neustart zur Verfügung.

 

Presseförderung in anderen Ländern

 

In fast allen europäischen Staaten existiert eine direkte oder indirekte Presseförderung. In Österreich gingen für die Vertriebsförderung 2019 rund zwei Millionen Euro an regionale und nationale Tageszeitungen. 2020 wurde dieser Betrag wegen der Corona-Pandemie auf rund 5,25 Millionen Euro erhöht, außerdem sollen wegen der Coronakrise weitere zehn Millionen Euro als „Sonderförderung“ an die Tagespresse fließen. Insgesamt lässt sich Österreich die gesamte Presseförderung in diesem Jahr knapp 25 Millionen Euro kosten; 2019 waren es 8,89 Millionen Euro. Darin enthalten sind auch Fördersummen für Wochenzeitungen, den österreichischen Presserat, journalistische Clubs und andere Einrichtungen.

 

Die Presseförderung in Frankreich beinhaltet für Zeitungen einen stark ermäßigten Mehrwertsteuersatz: 2,1 statt sonst 20 Prozent. Außerdem können die Verlage bei den Gehalts- und Honorarzahlungen für ihre Journalistinnen und Journalisten pauschal 30 Prozent Werbungskosten geltend machen. Das bedeutet eine indirekte Subvention von aktuell rund 135 Millionen Euro pro Jahr. Dazu kommen jährlich zusätzliche 110 Millionen Euro direkte Presseförderung.

 

Zeitungsverlage werden in Schweden jährlich mit knapp 48 Millionen Euro subventioniert. Der Löwenanteil davon wird für sogenannte Betriebsförderung gezahlt, damit sind die allgemeinen Betriebskosten inklusive der Arbeit der Redaktionen gemeint. In geringerem Umfang wird auch der Vertrieb der Zeitungen unterstützt. Der Ständerat der Schweiz hat im Juli 125 Millionen Franken an Subventionen für Zeitungen und private Radio- und Fernsehstationen genehmigt und damit die Medienförderung deutlich aufgestockt.

 

Versorgung vieler Gemeinden mit Tageszeitungen gefährdet

 

Die deutschen Zeitungsverlage lehnen zwar noch eine direkte Unterstützung mit öffentlichem Geld mehrheitlich ab. Denn mit einer Förderung der journalistischen und redaktionellen Arbeit stehe die Unabhängigkeit auf dem Spiel, so der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV). Doch das könnte sich schnell ändern. Denn nach einer Studie der Unternehmensberatung Schickler gefährden stark steigende Kosten für die Zustellung von Abonnementzeitungen, bei zugleich sinkenden Stückzahlen, den Zugang zur gedruckten Tageszeitung in Deutschland dramatisch. In fünf Jahren könnten rund 40 Prozent aller deutschen Gemeinden nicht mehr wirtschaftlich mit Zeitungen beliefert werden. Die digitale Umstellung dauert – trotz der Beschleunigung durch die Coronakrise – zudem noch Jahre, erfordert erhebliche Investitionen und wird von den Verlagen unterschiedlich bewältigt. Der hohe Digitalisierungsgrad des Axel-Springer-Verlags ist nicht typisch für die deutsche Zeitungsbranche. Deshalb benötigen die Printverlage, so wie die Filmwirtschaft oder die lokalen elektronischen Medien eine dauerhafte Förderung, die zum einen weiterhin eine flächendeckende Versorgung mit gedruckten Zeitungen ermöglicht und zum anderen vor allem die kleineren Verlage bei der digitalen Umstellung unterstützt. Es reicht nicht aus, wenn die Politik die Medien für ihre Corona-Berichterstattung lobt, sie muss mit dafür sorgen, den Journalismus dauerhaft auf eine feste wirtschaftliche Basis zu stellen.

 

Von einer Subventionsfalle ist meist die Rede, wenn Förderungen dazu führen, auf Innovationen zu verzichten und nicht mehr auf den Markt zu reagieren. Doch schon heute bestimmen die Printverlage längst nicht mehr Tempo und Richtung bei der Informations- und Meinungsbildung. Es wäre für unsere Gesellschaft wichtig, wenn dank kluger Förderung der Abstand zu Facebook, Google und Instagram nicht noch größer werden würde.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 10/2020.

Helmut Hartung
Helmut Hartung ist Chefredakteur des Blogs www.medienpolitik.net.
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