Pressemedien in der Subventionsfalle?

Förderung von Printverlagen: 220 Millionen Euro für Zeitungen und Zeitschriften

Angesichts sinkender Zeitungsauflagen und alter Druckmaschinen will die Funke Mediengruppe Ende 2021 ihr Druckzentrum in Erfurt schließen. Für die 270 Mitarbeiter sollen sozialverträgliche Lösungen gefunden werden. Derzeit werden in dem Druckzentrum 200.000 Exemplare von drei Tageszeitungen gedruckt. Vor knapp 30 Jahren betrug die Auflage noch 550.000. Neben den Tageszeitungen werden in Erfurt auch Anzeigenblätter erstellt.

 

Die Print-Verlage haben unter der Corona-Pandemie in den Monaten März bis Mai stark an Anzeigenumsätzen eingebüßt. Während die überregionalen Zeitungen und viele Zeitschriften bei neuen Abos für Print bzw. die digitalen Angebote steigende Umsätze verzeichnen konnten, deckten bei den Regionalzeitungen und den meisten Zeitschriften die dafür gestiegenen Einnahmen die Werbeverluste nicht ab. Damit sind die meisten Zeitungs- und Zeitschriftenverlage gezwungen, Einsparungen vorzunehmen bzw. Investitionen zu streichen oder zu strecken. Es ist nicht übertrieben festzustellen, dass die wirtschaftliche Basis vieler Verlage, vor allem im analogen Printgeschäft, erodierte. Die Anzeigenerlöse lagen je nach Branche um 20 bis 80 Prozent niedriger, weil viele Unternehmen ihre Werbung eingestellt oder reduziert hatten. Allein im April sind die Werbeeinnahmen von Tageszeitungen um bis zu 60 Prozent eingebrochen, teilweise auch darüber. Das entspricht einem Verlust von fast 100 Millionen Euro. Für das Gesamtjahr werden im Anzeigengeschäft Umsatzeinbußen um bis zu zwei Fünftel befürchtet. Auch die Verkäufe gingen zurück, weil es kaum noch Publikumsverkehr gab, beispielsweise an Bahnhöfen. Und das Veranstaltungsgeschäft, das für viele Verlage zu einer dritten Säule geworden ist, läuft nur schleppend an.

 

220 Millionen als Hilfe für Verluste durch die Corona-Pandemie

 

Ähnlich wie für andere Medienbranchen, wie der Filmwirtschaft oder privaten Rundfunkveranstaltern, wurden deshalb auch für die Verlage Corona-Hilfsmaßnahmen beschlossen. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat im Juli den für das Jahr 2020 ursprünglich vorgesehenen Förderbetrag für die Zustellung der gedruckten (Abo-)Exemplare der drei Print-Gattungen von 40 auf 20 Millionen Euro reduziert. Stattdessen wurde eine Förderung in Höhe von 200 Millionen Euro „für die digitale Transformation des Verlagswesens zur Förderung des Absatzes und der Verbreitung von Abonnementzeitungen, -zeitschriften und Anzeigenblättern“ beschlossen. Die Abgeordneten hielten, so hieß es in Pressemeldungen, eine staatliche Förderung des Vertriebs von gedruckten Presseexemplaren perspektivisch nicht für angemessen. Der Schwerpunkt einer Förderung müsse nach Ansicht des Haushaltsausschusses auf eine zügige Transformation ins Digitale gelegt werden. Das Bundeswirtschaftsministerium wurde beauftragt, ein Förderkonzept zu erstellen. Im August fand eine Anhörung im Wirtschaftsministerium von Vertretern der drei betroffenen Printgattungen statt. Ein Konzept lag bis Mitte September nicht vor. Damit ist fraglich, ob die Hilfsmittel für die Corona-Pandemie in diesem Jahr die Verlage noch erreichen.

 

Zudem gab es Kritik an dieser Förderung, weil nicht klar ist, wie die verfassungsrechtlich gebotene Staatsferne gesichert werden soll. Aber auch die Verlage sind über den Sinneswandel der Politik nicht glücklich, da die Vertriebskosten für die gedruckten Zeitungen einen erheblichen Ausgabenblock darstellen, der in den letzten Jahren gestiegen ist.
Doch mit dieser Förderung ergeben sich mehrere Fragen: So beispielsweise, ob eine sinnvolle Förderung digitaler Angebote von vier Pressegattungen – Tageszeitungen überregional und regional, Lokalzeitungen, Anzeigenblätter und Zeitschriften – mit unterschiedlichen Zielgruppen, Funktionen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit einheitlichen Prämissen und Kriterien überhaupt zu leisten ist; Anknüpfungspunkt soll die Auflage sein. Und zum anderen, ob Presse-Journalismus in Deutschland, vergleichbar mit anderen europäischen Ländern und der Film- und Kulturwirtschaft dauerhaft gefördert werden muss.

 

Unterschiedliches Tempo der Transformation in den Verlagen

 

Die digitale Transformation vollzieht sich in den Printmedien mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und verschiedenen Prioritäten. Eine wichtige Rolle spielen dabei Bezahlangebote.

 

Das größte Stück vom Paid-Content-Kuchen von 527 Millionen Euro können die regionalen Tageszeitungen für sich verbuchen. Auf sie entfallen 2019 mit 250 Millionen Euro knapp die Hälfte der Paid-Content-Umsätze deutscher Publikumsmedien. Die überregionalen Titel kommen auf knapp 140 Millionen Euro Erlöse. 137 Millionen Euro entfallen auf Publikumszeitschriften. Mit in Summe 390 Millionen Euro machen die Digitalvertriebserlöse der Tageszeitungen laut pv digest nur einen Anteil von ca. acht Prozent an den gesamten Vertriebserlösen von rund 4,8 Milliarden Euro in 2019 aus.

 

Die Ausspielung von redaktionellen Inhalten über digitale Kanäle trägt immer deutlicher zu den Vertriebs- und Werbeerlösen der Zeitungsunternehmen in Deutschland bei. Während die Verlage bei E-Paper und Paid Content ein starkes Wachstum erwarten, dürften die Erlöse beim Verkauf der gedruckten Zeitungen erstmals 2020 rückläufig ausfallen. Gleiches gilt, wenn auch weniger stark ausgeprägt, für die Werbeerlöse aus Digital und Print. Dies ist eines der wesentlichen Ergebnisse der repräsentativen Studie „Trends der Zeitungsbranche 2020“, der Unternehmensberatung Schickler.

 

Allerdings sind die Voraussetzungen in den Verlagen sehr unterschiedlich. Während überregionale Zeitungen, große Zeitschriftenverlage und regionale Verlagsgruppen über Digital-Labs, eigene Softwaretöchter und andere spezialisierte Unternehmen verfügen, müssen sich kleinere Verlage auf ausgewählte Schwerpunkte konzentrieren. Zudem ist die digitale Transformation sehr kostenaufwendig: konvergente Redaktionssysteme, Bezahlschranken, Monitoringsysteme, eine Nutzerverwaltung sowie fachkundiges Personal. Die Sicherung der journalistischen Leistung, das permanente Ausprobieren von neuen Angeboten und Formen in allen Kanälen ist kosten- und personalintensiv. Zudem ist ein großer Kommunikationsaufwand erforderlich, um die Zahlbereitschaft in der Leserschaft aufzubauen und das Vertrauen in die Marke zu stärken und bei einer jungen Leserschaft zu erschließen. Es sind vor allem die exklusiven, gut recherchierten Inhalte, für die bezahlt wird: Kommentare, Hintergründe, Reportagen, kritische Berichte, Servicetexte – hochwertiger Content. Digitaler Vertrieb funktioniert nur, wenn die digitalen Angebote inhaltlich attraktiv sind. Das erfordert entsprechende Investitionen. Die finanziellen Mittel für die Digitalisierung werden vor allem mit den Printprodukten erwirtschaftet.

Helmut Hartung
Helmut Hartung ist Chefredakteur des Blogs www.medienpolitik.net.
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