Mehr Geld, weniger Leistung?

Die Reformdiskussion über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in 2020

 

KEF empfiehlt Beitragsstabilität

 

Auf der Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember 2019 waren Auftrag und Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kein Thema. Wenige Tage zuvor wurde bekannt, dass die KEF eine Erhöhung des Rundfunkbeitrages ab 2021 auf 18,36 Euro vorschlägt. Das wäre ein Cent mehr, als ARD, ZDF und Deutschlandradio gegenwärtig ausgeben. Diese KEF-Berechnung entspricht der Hälfte des von den Anstalten angemeldeten Mehrbedarfs und würde auch keinen Teuerungsausgleich enthalten. Für die ARD bedeutet diese „Erhöhungs“-Empfehlung der KEF sogar eine Verschlechterung gegenüber der aktuellen Verteilung der Mittel zwischen ARD, ZDF und Deutschlandradio. So sieht die KEF bei ZDF und Deutschlandradio für die Beitragsperiode von 2021 bis 2024 jeweils einen Mehrbedarf von über 7 Prozent, bei der ARD lediglich von 3,8 Prozent. Damit hat sich der prozentuale Anteil der ARD am Beitragsaufkommen von 1992 bis 2021 von 76,8 Prozent auf 69,6 Prozent verringert. Gleichzeitig kritisiert die KEF zu hohe Gehälter bei den öffentlich-rechtlichen Sendern und hat hier mehr Maßhalten gefordert. Ein Gutachten habe ergeben, dass die Vergütung bei den öffentlich-rechtlichen Sendern höher ausfällt als bei den Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung. Die KEF schlägt deshalb in ihrem aktuellen Bericht vor, die Gelder für den Personalaufwand in der kommenden Vierjahresperiode um insgesamt 60,3 Millionen Euro zu kürzen. Die Rundfunkanstalten teilen die KEF-Interpretation des besagten Gutachtens nicht, weil die zwei wesentlichen Einflussfaktoren – Altersdurchschnitt der Belegschaft und eine unterproportionale Vergütungsentwicklung in der privaten Medienwirtschaft – nicht ausreichend berücksichtigt worden waren.

 

Auftrag soll an die veränderte Mediennutzung angepasst werden

 

Die KEF wird ihren endgültigen Bericht Mitte Februar vorlegen. Möglicherweise wird sie ihren Vorschlag für den Rundfunkbeitrag ab 2021 noch um einige Cent erhöhen, aber im Wesentlichen werden die Anstalten in der nächsten Beitragsperiode mit dem gleichen Geld auskommen müssen, das sie gegenwärtig zur Verfügung haben. Obwohl der Beitrag aktuell nur bei 17,50 Euro liegt, ist das möglich, weil sie auf Rücklagen von ca. eine Milliarde Euro zurückgreifen können, die durch die Umstellung von der Geräteabgabe zur Haushaltsabgabe entstanden sind. Die Sender müssen also weiter sparen. Um Kürzungen am Programm zu vermeiden, werden sie noch mehr kooperieren und sich vernetzen und alle Sparmöglichkeiten durch neue Technologien nutzen müssen. Zugleich muss beim Erwerb von Verwertungsrechten für Sport, Spielfilme und Unterhaltung noch mehr auf die Kosten-Nutzen-Relation, bezogen auf den Public-Value-Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, geachtet werden. Auch für Fußball gibt es finanzielle Schmerzgrenzen.

 

Der Reformdruck ist groß

 

Haben die Länder mit dem Indexmodell auch die Debatte über eine Novellierung des Auftrages ad acta gelegt? Aus vielen Staatskanzleien war in den letzten Wochen zu hören, dass man den Auftrag weiter im Blick habe und möglichst 2020 auch endlich zu einem Ergebnis kommen möchte. Aber wie groß ist der Reformdruck nach der moderaten KEF-Empfehlung noch?

 

Der Druck ist weiterhin groß, denn es ist nur möglich, mit dem jetzt von der KEF vorgeschlagenen Beitrag ein dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gemäßes Programm auf allen Verbreitungswegen zu sichern, wenn die Länder den Auftrag modifizieren. „Die vor allem in den letzten zwei Jahren intensiv geführte Debatte um Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat uns einem Reformstaatsvertrag nicht nähergebracht“, stellt dazu der Brandenburger Staatssekretär für Medien Benjamin Grimm fest. „Dass die Diskussion zuletzt auf die Frage des Systemwechsels von der Bedarfsermittlung durch die KEF hin zu einem Indexmodell reduziert wurde, hat die eigentliche Aufgabe verdeckt. Denn tatsächlich ist die entscheidende Frage, wie man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in einer Zeit neu aufstellt, in der sich das Mediennutzungsverhalten dramatisch verändert hat, unter anderem mit dem Effekt, dass das lineare Angebot viele Benutzergruppen überhaupt nicht erreicht. Brandenburg hat sich dafür eingesetzt, die Rundfunkanstalten schneller und flexibler zu machen. Hinter dem Begriff der Fokussierung steht für uns die Idee, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (wieder) stärker auf seine Kernaufgabe, auf den Gedanken des Public Value, auszurichten, und damit auf seine Unterscheidbarkeit gegenüber rein (Massen-)Markt-getriebenen Angeboten.“
Insgesamt kristallisiert sich heraus, dass die Länder sich vor allem auf drei Kernthemen verständigen könnten: 1. Fokussierung des Programmangebotes, 2. Flexibilisierung bei den Verbreitungswegen, 3. Vernetzung auf einer gemeinsamen Plattform. Eine solche Flexibilisierung könnte sich vor allem auf die sogenannten Zusatzangebote beziehen, wie tagesschau24, EinsFestival, ZDFinfo und ZDFneo. Bei diesen Angeboten könnten die Anstalten dann „flexibel“ selbst darüber entscheiden, ob sie diese Angebote als klassische Fernsehangebote fortführen oder z. B. in ein Telemedienangebot überführen möchten, erläutert Axel Wintermeyer, Chef der Staatskanzlei Hessens.

 

„Das Jahr 2020 wird medienpolitisch geprägt sein von der Frage, ob und wie die Reformdiskussion zu Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks weitergeführt werden soll“, beschreibt Heiko Geue, Chef der Staatskanzlei von Mecklenburg-Vorpommern, einen der medienpolitischen Schwerpunkte für dieses Jahr.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 02/2020.

 

Helmut Hartung
Helmut Hartung ist Chefredakteur des Blogs www.medienpolitik.net.
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