Was, wenn die Knöpfe für ARD und ZDF auf den Fernbedienungen fast unauffindbar werden

Das lineare Fernsehen wird in den nächsten Jahren aus unseren Wohnzimmern verschwinden. Der Siegeszug der Streamingdienste scheint unaufhaltsam. Einmal mehr deutlich wurde es auf der diesjährigen Internationalen Funkausstellung (IFA) Anfang September in Berlin.

 

Die großen Elektronikkonzerne stellten nicht nur ihre neuesten TV-Geräte, sondern auch ihre neuesten Fernbedienungen für diese Geräte vor. Letztere werden immer wichtiger, um sich im medialen Massenangebot zurechtfinden zu können. Sie werden immer mehr zu Navigationsgeräten, die gezielt den Weg zu ganz bestimmen Medienangeboten weisen. Wer auf den Fernbedienungen leicht auffindbar ist, gewinnt.

 

Der südkoreanische Anbieter Samsung z. B. wird auf seinen Fernbedienungen die klassischen Zahlentasten zum Anwählen der Kanäle für lineares Fernsehen gänzlich abschaffen. Stattdessen finden sich auf der Fernbedienung drei Tasten mit den Logos von Netflix, Amazon Prime
Video und Rakuten TV. LG, auch ein südkoreanisches Unternehmen, wird seine Fernbedienungen mit den gleichen drei Tasten anbieten. Der Rakuten-Knopf kann vom Benutzer umprogrammiert werden – wenn er es denn kann.

 

Das japanische Unternehmen Rakuten ist eines der größten Internetunternehmen der Welt und will Amazon den Kampf ansagen. In Deutschland ist das Unternehmen weitgehend unbekannt, trotzdem wird es auf den in Deutschland angebotenen Fernbedienungen einen eigenen Knopf erhalten.

 

Der japanische Elektronikkonzern Sony rüstet seine TV-Fernbedienung in der Zukunft mit Knöpfen für Netflix und Google Play aus. Das ebenfalls japanische Unternehmen Sharp rüstet seine Aquos-Fernseher mit vier Streamingknöpfen aus.

 

Das klassische lineare Fernsehen spielt auf den neuen Fernbedienungen nur noch eine untergeordnete Rolle. Und das heißt für Deutschland, dass die öffentlich-rechtlichen Sender, wie ARD und ZDF, aber auch 3sat und Arte, die im Kern lineares Fernsehen anbieten und nur ein zu den großen kommerziellen Anbietern nicht konkurrenzfähiges Streaming-Angebot haben, in der Zukunft nur noch schwer mit der Fernbedienung anwählbar sein werden.

 

Wenn jetzt die Knöpfe für ARD und ZDF auf den Fernbedienungen fast unauffindbar werden, wird das Totenglöcklein für die Sender noch lauter als bislang schon läuten. Helfen kann wohl nur noch die Politik, indem sie im gerade in der politischen Debatte befindlichen Medienstaatsvertrag festlegt, dass die Angebote der Öffentlich-Rechtlichen auf den Fernbedienungen bevorzugt auffindbar sein müssen. Denn ohne eigene Knöpfe wird es hart für ARD, ZDF & Co.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 10/2019.

Olaf Zimmermann
Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates und Herausgeber und Chefredakteur von Politik & Kultur.
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