In der Fremde eine Heimat finden

Künstler im Exil

 

Welche Schlüsse sind nun aus der Studie zu ziehen? Generell lässt sich feststellen, dass zur Verbesserung der Situation der Exilierten Bund, Länder, Kommunen und Zivilgesellschaft nur in enger Zusammenarbeit etwas bewirken können. Dabei müssen sich die Ziele an der Aufgabenverteilung des Grundgesetzes orientieren. So liegt beispielsweise die individuelle Künstlerförderung in erster Linie in der Verantwortung der Länder und Kommunen.

 

Ich habe daher beim letzten Zusammentreffen mit den Kulturministerinnen und -ministern der Länder die Gelegenheit wahrgenommen, für die Studie zu werben und auf den daraus ersichtlichen Handlungsbedarf hinzuweisen.

 

Ich bin froh, dass die BKM bereits vieles auf den Weg bringen und erreichen konnte: Erst kürzlich haben wir das 20. Jubiläum des „Writers in Exile“-Programms gefeiert, das aus meinem Kulturetat finanziert wird. Verfolgte Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die oft Erschütterndes erlebt haben, erhalten bis zu drei Jahre Zuflucht in Deutschland. Das Programm „Writers in Exile“ bietet ihnen ein Dach über dem Kopf, finanzielle Hilfe und künstlerische Freiheit, Orientierungshilfe in der Fremde und Unterstützung im Alltag, Kontakte zu anderen Autorinnen und Autoren und auch menschliche Nähe, die das Leid des Entwurzeltseins hoffentlich ein wenig erträglicher machen – dank des engagierten Einsatzes des PEN-Zentrums, dem ich dafür herzlich danke. Darüber hinaus fördert mein Haus – und darin bestärkt uns nicht zuletzt der Erfolg des PEN-Programms – neuerdings auch das European Center for Press and Media Freedom, damit auch verfolgte Journalistinnen und Journalisten die Möglichkeit haben, im deutschen Exil zu leben und zu arbeiten. Hinsichtlich einer Öffnung für mehr Vielfalt hat die Bundesregierung bereits umfassende Maßnahmen ergriffen. Z. B. haben wir im Rahmen des »Nationalen Aktionsplans Integration« einen breit angelegten Dialog mit den bundesgeförderten Kultureinrichtungen begonnen. Außerdem haben wir das BKM-Förderprogramm „Kulturelle Vermittlung“ seit 2018 stärker auf Maßnahmen für mehr Vielfalt ausgerichtet. Auf diesem Weg müssen wir kulturpolitisch weiter vorangehen.

 

Das muss aber auch für den etablierten Kunst- und Kulturbetrieb gelten, dem die Studie weiterhin ein gravierendes Diversitätsproblem bescheinigt. Grundsätzlich steht eine Vielzahl an Institutionen der Problemlösung auf einer abstrakten Ebene zwar aufgeschlossen gegenüber, in der Praxis aber werden vergleichsweise wenig konkrete Maßnahmen vorangetrieben. So fehlt es beispielsweise vielerorts an Zukunftsperspektiven, weil es anderslautenden Bekenntnissen zum Trotz um die Aufgeschlossenheit für Vielfalt im Alltag des deutschen Kunst- und Kulturbetriebs noch nicht zum Besten bestellt ist. Schwarz auf weiß dokumentiert zu sehen, wo die gesellschaftliche Wirklichkeit den hehren Ansprüchen hinterherhinkt, hilft allen Beteiligten bei notwendigen Veränderungen.

 

Im Exil lebende Künstlerinnen und Künstler möchten in aller Regel nicht auf ihre Exilerfahrung reduziert werden. Viele von ihnen haben in der Zwischenzeit Erfolge aufzuweisen, sie haben Bücher herausgegeben, Konzerte gegeben, Preise gewonnen. Wenn sie sich dennoch wünschen, dass für ihre Belange die Lobbyarbeit verstärkt und damit ihre Interessen vermehrt in die Öffentlichkeit getragen werden sollten, dann bildet die Studie einen wichtigen Baustein zur Weiterentwicklung einer der Freiheit der Kunst verpflichteten Kulturpolitik. Dieser sollten wir uns alle verpflichtet fühlen.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 12/2019-01/2020.

Monika Grütters
Monika Grütters, MdB ist Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.
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