Einiges erreicht, aber kein Grund, sich zurückzulehnen

Zur Diversität in Kultureinrichtungen

 

Wird das Personal betrachtet, so zeigt sich, dass die Mehrzahl der Beschäftigten weiblich ist (64 Prozent). Die über 50-Jährigen stellen mit 42 Prozent die größte Beschäftigtengruppe, gefolgt von den 30- bis 50-Jährigen mit 37 Prozent und dann den unter 30-Jährigen mit 11 Prozent. 4 Prozent der Beschäftigten haben eine Beeinträchtigung. Das entspricht in etwa dem Wert der erwerbstätigen Schwerbehinderten in der Gesamtgesellschaft, der bei 4,5 Prozent liegt. Beschäftigte mit Migrationshintergrund stellen 18 Prozent der Beschäftigten. Mit Blick auf den Migrationshintergrund wurde die Definition des Statistischen Bundesamts zugrunde gelegt. Hier wird definiert: „Zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund zählen alle Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzen oder die mindestens ein Elternteil haben, auf das dies zutrifft.“

 

Organisationserhebungen, wie die hier skizzierte, stehen vor der Herausforderung, dass die für das Personal in den Institutionen Zuständigen aus den verfügbaren Personalunterlagen nicht unbedingt wissen, ob Mitarbeitende einen Migrationshintergrund haben oder nicht. Ein möglicher Migrationshintergrund ist eigentlich nichts, was den Arbeitgeber angeht, und wird daher in den Daten, die beispielsweise den Sozialversicherungsträgern übermittelt werden, auch nicht erhoben. Das heißt, dass der Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund in den befragten Einrichtungen unter Umständen höher liegen kann als angegeben, weil die entsprechenden Daten nicht vorhanden sind. Diese Lücke ließe sich nur durch eine Beschäftigtenbefragung schließen. Darüber ist zu berücksichtigen, dass einerseits das Anliegen besteht, mehr Diversität, speziell mit Blick auf den Migrationshintergrund, beim Personal zu erreichen, und andererseits streng genommen der Migrationshintergrund keine Rolle spielen sollte – eine Aporie, die schwer zu lösen ist.

 

In einigen Nachfragen und Diskussionen zum Bericht wurde problematisiert, dass ein falscher Begriff gewählt worden sei, da EU-Bürgerinnen und -Bürger mit Migrantinnen und Migranten mit türkischem Migrationshintergrund gleichgesetzt würden. Damit würde, so die Kritikerinnen und Kritiker, ein schiefes Bild entstehen. Dem ist zu entgegnen, dass auch in der amtlichen Statistik genau dieser Migrationsbegriff verwandt wird und er daher eine Referenz bildet, um den ermittelten Wert an Diversität bei den Beschäftigten in Kulturinstitutionen überhaupt einschätzen zu können. Mit Blick auf den gesamtgesellschaftlichen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund und deren beruflicher Stellung ist der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in den befragten Institutionen bereits relativ höher. Teilweise liegt er sogar über dem Bevölkerungsanteil von Menschen mit Migrationshintergrund. Zu einem ähnlichen Befund kommt auch der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR), der in seinem Jahresgutachten 2021 (bit.ly/2XEiEoY) zu dem Schluss kommt, dass Kulturinstitutionen mit Blick auf migrationsbedingte Diversität in der Personaldimension einen Sonderfall bilden. Und zwar in der Hinsicht, dass „heterogene Belegschaften in vielen Kulturbetrieben schon längst und durchaus traditionell Realität“ sind. Ein Befund, der angesichts einiger Debatten erstaunt.

 

Untersucht wurde beim Diversitätsbericht auch die Dimension Publikum. Vorab sei auch hier auf den SVR verwiesen, der beklagt, dass zu wenig und vor allem zu wenig vergleichbare und valide Daten zum Publikum von Kultureinrichtungen vorhanden ist. Auch der Initiative kulturelle Integration vorgelegte Diversitätsbericht fördert zutage, dass Nachholbedarf mit Blick auf systematische Untersuchungen zum Publikum bestehen. Am ehesten werden diese von Einrichtungen mit einem größeren Personalstab durchgeführt.

 

Als zusammenfassender Befund kann festgehalten werden, dass zwar einiges mit Blick auf Diversität erreicht wurde, aber noch kein Grund besteht, sich zurückzulehnen. Der Kulturbereich wird ähnlich anderen gesellschaftlichen Bereichen in den nächsten Jahren vor der Herausforderung stehen, den demografischen Wandel abzufedern. Ein beträchtlicher Teil der Belegschaften wird in den nächsten zehn Jahren aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Es ist daher im ureigensten Interesse, sich als attraktiver, divers orientierter Arbeitgeber aufzustellen, um in der Zukunft Personal zu gewinnen. Dazu gehören neben einem guten Betriebsklima auch die entsprechenden Aufstiegschancen. Oder anders gesagt und die These 14 Initiative kulturelle Integration aufgreifend: In Kulturinstitutionen sollen die Talente aller Menschen zur Entfaltung kommen.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2021.

Olaf Zimmermann & Gabriele Schulz
Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Gabriele Schulz ist Stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates.
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