C64 versus Blackbox

Ich habe mich in meine Jugend zurück katapultiert und mir einen mehr als 40 Jahre alten Computer, einen Commodore 64, den legendären Brotkasten, ersteigert. Noch immer schlummern viele C64 auf Dachböden und in Kellern und es ist nicht schwer auf den bekannten Ersteigerungsplattformen, ein Gerät zu ergattern. Natürlich kann man mit dem Ding die alten Spiele aus der eigenen Jugend wieder einmal spielen, doch viel wichtiger ist, dass man mit dem C64 wunderbar programmieren kann. Roh, einfach, kein »Windows«, keine Hilfen, einfach drauflosarbeiten und wirklich jeden Schritt selbst ausdenken und dann in die Computersprache Basic und in Maschinencode umsetzen. Jeden Adressbereich zur Ansteuerung des Bildschirms oder von selbstentworfenen Peripheriegeräten muss man sich selbstständig erarbeiten. Und ein Programmierfehler kann den ganzen Computer schrotten. Wunderbar!

 

Wir stöhnen ja oft über die Schnelllebigkeit unserer Zeit, aber das viel größere Problem ist, finde ich, nicht die Geschwindigkeit, sondern der permanente Kontrollverlust über sein eigenes Tun. Wenn ich eine Suchanfrage bei Google starte, weiß ich nicht, welche Algorithmen die Ergebnisse beeinflussen. Mein Handy ist sowieso eine Blackbox, in der ich noch nicht einmal den Akku selbst wechseln kann, und die Künstliche Intelligenz entzieht mir die Kontrolle über mein Leben fundamental.

 

Ich bin ein Freund der technischen Entwicklung und habe selbst alle elektronischen Spielzeuge unserer Konsumwelt, und trotzdem sehne ich mich nach den Dingen, die ich überschauen kann.

Ist die Welt dafür zu komplex, zu globalisiert, zu kompliziert? Nein, das glaube ich nicht. Die Dinge sind deshalb so undurchschaubar, weil man so besser den Konsum mit ihnen steigern kann. Was muss der Kunde schon wissen, wie eine Sache funktioniert – nutzen soll er sie und sich nach der nächsten Version sehnen.

 

Letztlich geht es um Gewinn und manchen Potentaten auch noch um Kontrolle. Ein Blick nach China zeigt, wie schnell die Freiheit in einer digitalen Wolke zerplatzen kann. Gesichtserkennungskameras an jeder Straßenecke, die riesige Datenbanken füttern, und ein Staat, der diese Daten zum Erstellen von permanenten Bewegungsprofilen seiner Bürger unkontrolliert einsetzt. Auch in Deutschland wird der Datenschutz immer mehr durchlöchert.

 

Ja, mein C64 ist ein Relikt aus vergangenen Tagen, eindeutig aus der Zeit gefallen. Aber vielleicht ist es sinnvoll, manchmal mit einer solchen Antiquität zu arbeiten, um nicht zu vergessen, was gerade auf dem Spiel steht.

Olaf Zimmermann
Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates und Herausgeber und Chefredakteur von Politik & Kultur.
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