„Wir müssen dringend handeln“

Drei Fragen an NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger

Was tut der NABU für den Insektenschutz? Wie wird der Entwurf des Insektenschutzpaketes der Bunderegierung beurteilt? Und welche kulturelle Bedeutung kommt Insekten zu? NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger antwortet.

 

Was tut der NABU für den Insektenschutz? Welche Projekte und Initiativen gilt es besonders hervorzuheben?

In vielen Naturschutzgebieten sorgen ehrenamtliche NABU-Gruppen durch gezielte Pflege dafür, dass Heuschrecken, Libellen, Schmetterlinge und andere Insekten geeignete Lebensräume vorfinden. In den NABU-Naturgärten können Besucher sich zum Insektenschutz im Garten informieren. Und auch politisch kämpft der NABU für einen besseren Schutz der Insekten und fordert unter anderem die Reduzierung von Pestiziden in der Landwirtschaft. Wir müssen dringend handeln: Die Zahl der Insektenarten und auch die der Individuen befindet sich in einem dramatischen Sinkflug. Mancherorts ist die Biomasse der Fluginsekten seit 1989 um bis zu 80 Prozent zurückgegangen. Jede dritte Insektenart ist inzwischen nach der bundesweiten Roten Liste gefährdet bis ausgestorben. In der heutigen hochintensiven Landwirtschaft bieten die monotonen Agrarflächen nur sehr widrige Lebensbedingungen, in denen notwendige Nahrungs- und Nistmöglichkeiten fehlen. 2019 haben wir einen Insektenschutzfonds aufgelegt, in den Unternehmen einzahlen können. Auch der Erlös aus unserer Sammlung von alten Handys fließt in den Fonds. Mit dem Geld werden Ackerflächen und Wiesen durch die NABU-Stiftung Nationales Naturerbe gekauft und als Lebensraum für Insekten gesichert. Zudem wurde auf drei Flächen ein Insektenmonitoring gestartet, also Insekten beobachtet, ihre Bestände erfasst und ihre Entwicklung dokumentiert. In verschiedenen Regionen Deutschlands haben unsere Ehrenamtlichen Blühwiesen angelegt, in Kommunen Gärten und Straßenränder insektenfreundlich aufgewertet, vielerorts wurden Insektennisthilfen aufgestellt. Zudem wollen wir Menschen über die Bedeutung von Insekten informieren und ein Bewusstsein für diese Tiere schaffen. Darum haben wir die Mitmachaktion „Insektensommer“ ins Leben gerufen. Dabei kann jeder und jede selbst herausfinden, welche Insekten zu Hause im eigenen Garten, im Park oder Wald leben, und mehr über sie erfahren.

 

Wie beurteilen Sie den Entwurf des Insektenschutzpaketes der Bundesregierung?

Grundsätzlich ist es positiv zu bewerten, dass nach den langen Diskussionen und Ankündigungen nun Entwürfe zum Insektenschutz vorliegen. Leider sind die Maßnahmen des Insektenschutzpakets – es besteht aus Insektenschutzgesetz und Pflanzenschutzmittel-Anwendungsverordnung – aber nicht ansatzweise so effektiv ausgefallen, wie es notwendig wäre, um den Insektenschwund aufzuhalten. Der Entwurf regelt nur einige wenige Dinge, wie beispielsweise Einschränkung der Lichtverschmutzung sowie den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten. Eine allgemeine Reduktion dieser Gifte ist nicht vorgesehen. Für einen wirksamen Insektenschutz reicht das nicht, sondern kann höchstens ein Anfang sein. Bei all diesen Punkten sollte im Laufe der nächsten Legislaturperiode noch nachgeschärft werden – vor allem das Thema Pestizideinsatz außerhalb von Schutzgebieten muss unbedingt schärfer geregelt werden.

 

Welche kulturelle Bedeutung kommt Insekten Ihres Erachtens zu? Inwieweit kann Kultur helfen, den Insektenschutz weiter voranzubringen?

Vielfältige Landschaften voller Blütenpflanzen haben schon immer Dichter und Maler inspiriert: Goethes „Gefunden“, sein „Heidenröslein“ oder van Goghs „Sonnenblumen“ hätte es ohne Insekten als Bestäuber nie gegeben. Auch unsere Küchenkultur wäre ohne die Leistung der Insekten deutlich ärmer: Rund 75 Prozent aller Nutzpflanzen werden von Insekten bestäubt. Aber auch die Insekten selbst, ihre höchst unterschiedliche Gestalt, ihre Vielfalt an Farben und Lebensformen inspirieren immer wieder zu Kunstwerken, Musikstücken und Literatur. Denken Sie nur an Kafkas „Die Verwandlung“, den „Hummelflug“ von Rimski-Korsakow oder auch Kinderbuchklassiker wie „Die kleine Raupe Nimmersatt“ und „Biene Maja“. Die Kunst hat also viele Möglichkeiten, Insekten und ihre Lebenswelten zum Thema zu machen und Menschen für diese faszinierende Tiergruppe zu begeistern.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 6/2021.

Jörg-Andreas Krüger
Jörg-Andreas Krüger ist Präsident des NABU.
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