Entlang des einstigen Eisernen Vorhangs vom Eismeer im hohen Norden bis in den mediterranen Süden Europas an die Adria und das Schwarze Meer: Das Grüne Band bildet einen über 12.500 Kilometer langen Lebensraumverbund durch ganz Europa mit einer außergewöhnlichen Vielfalt an Tieren und Pflanzen. Es stellt aber auch eine einmalige Erinnerungslandschaft an die Überwindung des Kalten Krieges dar. Von den 24 Anrainerstaaten haben sich bereits 20 durch politische Absichtserklärungen offiziell zum Schutz und zur Weiterentwicklung dieses bedeutenden ökologischen Korridors bekannt.
Viele Naturschützer waren sich des Naturreichtums entlang des Eisernen Vorhangs früh bewusst: Bereits in den 1970er Jahren arbeiteten Finnland und die Sowjetunion im Naturschutz grenzüberschreitend zusammen. Zur gleichen Zeit erfolgten erste ornithologische Untersuchungen entlang der innerdeutschen Grenze durch den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), wodurch im Zuge der friedlichen Revolution 1989 auf BUND-Initiative das erste gesamtdeutsche Naturschutzprojekt Grünes Band entstand. In den frühen 1990er Jahren starteten auch Aktivitäten von der Stiftung Euronatur zum Schutz wertvoller Landschaften auf dem Balkan.
Angeregt durch die in 2002 erste öffentliche Äußerung des jetzigen BUND-Ehrenvorsitzenden Hubert Weiger von einem Grünen Band durch ganz Europa, entwickelte sich eine große Dynamik. In den Jahren 2003 und 2004 wurde die Idee durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und die Weltnaturschutzorganisation International Union for Conservation of Nature (IUCN) fortentwickelt und zwei erste internationale Konferenzen zum Grünen Band durchgeführt. Hieraus etablierte sich die Initiative Grünes Band Europa, in der heute rund 150 europäische Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen grenz- und fachübergreifend kooperieren.
Für eine effiziente Steuerung der Initiative wurde im September 2014 der Verein European Green Belt Association gegründet, dem aktuell 31 behördliche und verbandliche Organisationen aus 16 Ländern angehören. Die große geographische Ausdehnung, die vielen Akteure und die zahlreichen Sprachen bewirken einen hohen Bedarf an Koordinierung und Finanzierung. Dem persönlichen Austausch auf der internationalen Ebene dienen insbesondere regelmäßige paneuropäische Konferenzen, um unter anderem grenzübergreifende Aktivitäten und Maßnahmen zur Erhaltung und Entwicklung des Grünen Bandes auf den Weg zu bringen.
Das 30-jährige Jubiläum der Öffnung des Eisernen Vorhangs in 2019 war für den BUND Anlass, die Nominierung des Grünen Bandes Europa als UNESCO-Welterbe weiter voranzutreiben. Basis dafür ist ein Forschungsvorhaben von 2014 im Auftrag des BfN, in dem Nominierungsszenarien für das Grüne Band Europa anhand der UNESCO-Kriterien untersucht wurden. Die Studie empfiehlt eine Nominierung als „gemischte Stätte“, also Natur- und Kulturerbestätte, und eine grenzübergreifende serielle Ausweisung mit einem Nominierungsprozess in mehreren Phasen. Die erste Phase sollte sich auf ausgewählte Staaten oder Kernländer fokussieren, während in den Folgephasen möglichst alle 24 Anrainerländer eingebunden werden sollten. Dabei sollen die sogenannten Kernländer die vier Abschnitte des Grünen Bandes Europa – Fennoskandien, Ostsee, Zentraleuropa und Balkan – repräsentieren. Es ist davon auszugehen, dass der Prozess der Nominierung mehrere Jahre in Anspruch nehmen und eine enge Zusammenarbeit von Naturschutz- und Kulturvertretern, Historikern und Denkmalschützern erfordern wird.
Unter den 1.121 bestehenden UNESCO-Welterbestätten sind bislang erst 39 grenzübergreifende und 39 gemischte, also gleichzeitig als Natur- und Kulturerbe ausgewiesene Stätten. Neun dieser gemischten Welterbestätten befinden sich in Europa, nur zwei von ihnen sind grenzübergreifend.
Eine ähnliche lineare Struktur wie das Grüne Band, die ebenfalls in Abschnitten nach und nach als Welterbe ausgewiesen wird, sind die Grenzen des Römischen Reiches, der sogenannte Limes. Dieser ist ein reines Kulturerbe. Die ersten Ausweisungen erfolgten hier: der Hadrianswall in 1987 und der Antoninuswall in 2008 – beide in Großbritannien gelegen – sowie 2005 der Obergermanisch-Raetische Limes in Deutschland. An der Erweiterung dieses seriellen und transnationalen Weltkulturerbes auf rund zwei Dutzend Staaten mit insgesamt 5.000 Kilometern wird gearbeitet, wofür im Jahre 2003 die internationale „Bratislava-Gruppe“ und in Deutschland eine eigene Deutsche Limeskommission (DLK) gegründet wurde.
Ähnlich dazu müsste für das Grüne Band Europa ein institutionell verankertes Koordinationsbüro mit Vertretern aus den Bereichen Natur, Kultur und Geschichte eingerichtet werden, um den umfangreichen Prozess der Nominierung als Welterbe in Abstimmung mit den europäischen Anrainerländern sowie weiteren verantwortlichen Organisationen zu starten und umzusetzen. Hierbei sollte Deutschland aus seiner geschichtlichen Verantwortung heraus, aber auch wegen der positiven Entwicklungen am innerdeutschen Grünen Band eine Vorreiterrolle einnehmen.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 06/2020.