Soziale Medien lösen Modeblogs ab

Fünf Fragen an Jessica Weiß-Fink

2007 ging der Modeblog LesMads live – mit diesem legte Jessica Weiß-Fink den Grundstein für die deutschsprachige Modeblogosphäre. 2012 launchte sie dann Journelles, das größte unabhängige Mode-Blogazine in Deutschland. Weiß-Fink beeinflusst online eine Generation von Frauen – nicht nur bezüglich Mode, denn die Unternehmerin zeigt täglich via Instagram & Co. authentisch, wie man Ehe, Kinder, Alltagsherausforderungen und Powerjob unter einen Hut bekommt.

 

Sie haben 2007 mit dem Bloggen begonnen. LesMads legte den Grundstein für die deutsche Blogszene – wie hat sich diese bis heute verändert?

 

Die deutsche Modeblogosphäre hat sich in den vergangenen 15 Jahren nicht nur entwickelt und professionalisiert, sondern ist zum festen Bestandteil in der Berichterstattung in der Medienwelt geworden. Die Kommunikation auf Augenhöhe, die Entwicklung der sozialen Medien und Persönlichkeiten haben für eine Demokratisierung der Modewelt gesorgt.

 

Durch Instagram und YouTube sind in der zweiten Generation Influencerinnen und Influencer „entstanden“ und jede Marke kann inzwischen selbst kommunizieren – insofern hat sich auch unsere Art der Kommunikation verändert und ist wieder sehr viel persönlicher geworden. Menschen sind an Menschen interessiert, an der subjektiven Erfahrung. Und so haben sich die Themen auf meinem 2012 gegründeten Blogazine Journelles an meinem persönlichen Leben entlang gehangelt. Von der Hochzeit über die Herausforderungen, Kinder zu kriegen, dem Familienalltag als Mutter von drei Kindern, über die Wohnungssanierung bis hin zum Hauskauf: Blogs sind wieder mehr persönliche Tagebücher denn je.

 

Die goldene Stunde von (Mode-)Blogazines ist durch die sozialen Netzwerke klar abgelöst worden. Den „live dabei sein“-Effekt kann man durch Instagram Stories deutlich besser erzielen, Reels und Live-Interviews waren in der Pandemie besonders beliebt und es ist über die Jahre schwieriger geworden, die Leser für tiefergehenden Content auf das Blog zu ziehen. Schlicht, weil das Scrollen durch Instagram oder TikTok leichter verdaulich ist und lange Texte nicht mehr so gut geklickt werden wie vor zehn Jahren. Aus diesem Grund sind viele Blogs nach und nach von der Bildfläche verschwunden, nicht zuletzt weil eine professionelle Bespielung kostspielig und aufwendiger ist.

 

Welche Rolle spielen Blogger und Influencer in der Modeindustrie heute?

 

Blogger und Influencer sind aus der Modeindustrie schlicht nicht mehr wegzudenken, vielmehr sind sie die wichtigsten Meinungsmacher – das Netzwerk für Creatorinnen und Creator LTK hat kürzlich die „Gen Z“-Studie veröffentlicht, die zeigt: 92 Prozent fällen aufgrund von Em­pfehlungen von Influencerinnen und Influencern ihre Kaufentscheidungen, im Vergleich zu 75 Prozent der Allgemeinbevölkerung. 42 Prozent der Gen Z-Shopperinnen und -Shopper tätigen den Großteil ihrer Einkäufe über die sozialen Medien.

2007 mussten wir an die Tore der elitären Modewelt klopfen, um in Presseverteiler aufgenommen zu werden, heute können sich die reichweitenstärksten Bloggerinnen und Influencer aussuchen, mit welchen Marken sie zusammenarbeiten möchten.

 

Welche Verantwortung kommt Ihnen entsprechend zu?

 

Mit großer Reichweite geht immer auch eine große Verantwortung einher und es ist jedem Creator überlassen, wie er diese umsetzt. Jedoch ist es in einer Welt des Überkonsums und der Klimakrise kaum möglich, sich neutral und nicht politisch zu verhalten. Das Hinterfragen seiner eigenen Handlungen, Fast-­Fashion-Konzernen sowie die Art der Kommunikation ist essenziell. Die sozialen Medien sind aber wieder sozialer geworden und es kann in kurzer Zeit sehr viel bewegt werden, wie man immer wieder an Spendenak­tionen und auch der Welle der Solidarität zuletzt im Krieg gegen die Ukraine sehen konnte. So gilt die Verantwortung nicht nur den Creatorinnen und Creatorn, sondern vor allem auch dem Publikum, das über den Erfolg der einzelnen entscheidet.

 

Was macht einen erfolgreichen Blog aus?

 

Ein Blog ist genau wie ein Magazin, nur eben online. Das bedeutet: Optik und Cover entscheiden genauso über den Erfolg wie Inhalt, Schreibe, Fotografie und das Handwerk. Je nischiger und origineller das Thema, desto besser lässt sich eine Zielgruppe finden. Blogs benötigen zudem Authentizität, dürfen nicht ­austauschbar sein und müssen sich immer wieder neu erfinden.

 

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Modeindustrie allgemein und des Modeblogs speziell?

 

Für die Modeindustrie wünsche ich mir weniger Saisons, denn man braucht schlicht keine sechs Kollektionen im Jahr. Die Masse und Überproduktion ist weder modern noch nachhaltig und die Modeindustrie muss sich ihrer Verantwortung bewusst sein und nicht nur so tun, als seien die Produkte nachhaltig, weil man einen Anteil von fünf Prozent Biobaumwolle hat. Dabei geht es auch um die Art, wie mit Menschen und den Produzenten umgegangen wird.

 

Für Modeblogs wünsche ich mir, dass sie neben dem einfachen „Bilder scrollen“ weiterhin Bestand haben und langfristig wieder mehr gelesen werden.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 05/22.

Jessica Weiß-Fink
Jessica Weiß-Fink ist Unternehmerin, Autorin und Modejournalistin.
Vorheriger ArtikelMetaverse und Nachhaltigkeit – passt das zusammen?
Nächster ArtikelImmanente Inszenierung