Üble Machenschaften

Die dunklen Seiten des Kunstmarktes

Wenn man an üble Machenschaften auf dem Kunstmarkt denkt, sind es wohl meist solch aufregende Ereignisse wie aufgeflogene Kunstfälschungen oder auch durch dubiose Hintermänner und Hinterfrauen in die Höhe getriebene Auktionsergebnisse. Jedenfalls geht es dabei dann meist um viel Geld und die Leidtragenden sind die Käufer, die Sammler von Kunst.

 

Selten nur denkt man, betrachtet man die „dunklen Seiten“ des Kunstmarktes, an die Künstlerinnen und Künstler selbst, die Opfer von Geldabschneidern werden könnten. Denn in der Kunstszene, zumindest in Deutschland gilt: Das Ausstellen oder auch die Teilnahme an Ausschreibungen ist, zumindest in Deutschland, für Künstler nicht mit Gebühren verbunden.

 

Denn für Künstler ist es unabdingbar, dass sie ihre Werke der Öffentlichkeit präsentieren. Kunst muss gesehen werden, will sie wirksam werden. Erst durch die Aufmerksamkeit, durch die Betrachtung, durch die Wahrnehmung kann Kunst etwas bewirken, etwas hervorrufen, seien es Gefühle, Empfindungen oder auch Erkenntnis beim Betrachter.

 

Das Ausstellen von Kunst ist für die Kunstproduzenten daher ebenso immanent wie das Hören einer Komposition oder das Gelesenwerden eines Buches. So wird das Ausstellen der Kunstproduktion für Künstler zu einem wesentlichen Bestandteil des Künstlerberufs und nimmt insofern auch die entsprechende Zeit und einen erheblichen Einsatz in Anspruch.
Da die Ausstellungsmöglichkeiten jedoch begrenzt sind, ist das Angebot erheblich knapper als die Nachfrage. Genau diese Notwendigkeit, Kunst zu präsentieren bei gleichzeitigem Mangel an Präsentationsmöglichkeiten nehmen Geschäftemacher wahr, da sich damit oft sogar eine goldene Nase verdienen lässt.

 

Künstlerinnen und Künstlern „flattern“ fast täglich E-Mails ins Haus, mit dubiosen Angeboten, etwa von sich selbst als „Galeristen“ bezeichnenden Gestalten, die ihre Räumlichkeit entweder pro Meter Hängefläche für Gruppenausstellungen oder gar die gesamte „Galerie“ zur Miete anbieten. Für zusätzliche Kosten für die Vernissage oder auch die Versicherung während einer solchen Präsentation sollen dann meist ebenfalls die Künstler aufkommen. Aus der Not heraus und weil auch noch die Erfahrung fehlt, greift dann so mancher Künstler nach diesem teuren Strohhalm, um wenigstens mal wieder die sich im Atelier türmenden Werke in die Öffentlichkeit zu bringen. Diese dabei ersehnte Öffentlichkeit bleibt oft dann aber aus, denn solche „Miet-Galeristen“ erzielen ihre Einnahmen eben nicht durch die Kunstkäufer und die dabei für sie entstehende Provision, sondern direkt durch die Künstler selbst.

 

Hat sich ein Künstler auf ein solches Angebot eingelassen, ist er nicht nur um viele Euro ärmer – solch eine Miete kann bis zu mehreren Tausend Euro betragen –, sondern um die zweifelhafte Erfahrung reicher, dass derartige bezahlten Ausstellungen keine Käufer generieren und zudem noch nicht mal dazu geeignet sind, in der Biografie erwähnt zu werden, weil man sich damit mehr schaden als nutzen würde.

 

Es sind nicht nur Ausstellungsmöglichkeiten, die den Künstlerinnen und Künstlern für gutes Geld angeboten werden; auch auf anderen Feldern, wo ein Bedarf der Künstler besteht, sich berufsmäßig zu präsentieren und darzustellen, sind die Geschäftemacher tätig. Normalerweise funktionieren in Deutschland Kunstpreise, Wettbewerbe und Stipendien so, dass Künstlerinnen und Künstler sich kostenlos darum bewerben, sofern diese zur Teilnahme ausgeschrieben sind.

 

Neben diesen seriösen Ausschreibungen, die meist von Städten, Kommunen, Kunstvereinen, Museen, dem Bund oder Firmen veranstaltet werden, tummeln sich auch auf diesem Feld so manche wenig künstlerfreundliche Zeitgenossen, die für die Teilnahme an ihren Ausschreibungen Gebühren verlangen. Solche Teilnahmegebühren können durchaus dann einen dreistelligen Euro-Betrag ausmachen. Weil aber der mögliche Gewinn eines gewissen Geldpreises in Zusammenhang mit einer Ausstellung der Preisträger winkt, sehen selbst in solch einem halsabschneiderischen Angebot manche Künstler eine Chance.

 

Ein weiteres recht dubioses Angebot für Künstler sind gewisse Lexika und Handbücher, in welchen sich Künstler präsentieren können, sowohl mit einer Auswahl von Kunstwerken als auch ihrer Biografie, natürlich wieder für einen ansehnlichen Obulus, der in manchen Fällen mehrere Hundert Euro betragen kann. Die Käufer solch völlig nutzlos erscheinender Schinken sind zu allem Unbill dann eigentlich auch nur jene, die sich dort zur Veröffentlichung eingekauft haben. Kein Galerist oder Museumsmensch und auch kein Kunstinteressierter würde sich je solch ein überflüssiges Sammelsurium anschaffen, das nur aus einem einzigen Zweck produziert wurde, nämlich dem Herausgeber die Taschen zu füllen.

 

Künstlerinnen und Künstler befinden sich aufgrund ihres Durchschnittseinkommens nach Erhebung der Künstlersozialkasse am Rande des Prekariats, auch wenn manche Stars der Szene etwas anderes suggerieren. Dass einige von ihnen sich dann dennoch auf unseriöse Angebote einlassen, hat sowohl mit der Not der Künstler als auch mit einer gewissen Unkenntnis zu tun.

 

Leider werden die Kunststudenten nicht an allen Akademien auf den Kunstmarkt und die dortigen Usancen genügend vorbereitet, um nicht erst durch Schaden klug zu werden. Diesen Mangel kann die nun schon fast seit 40 Jahren erscheinende Künstlerzeitschrift „atelier“ etwas ausgleichen, indem in deren Rubrik „Grauzone“ die Machenschaften der „Schwarzen Schafe“ der Kunstszene regelmäßig unter die Lupe genommen werden.

 

In manchen Fällen, insbesondere wenn es sich bei den Veranstaltern um im Grunde seriöse Institutionen handelt, die jedoch selbst keine Ahnung haben, zu welchen Konditionen im Normalfall Künstler ausstellen oder auch an Ausschreibungen teilnehmen, hat die Kritik in der Zeitschrift „atelier“ sogar dann noch zu einer künstlerfreundlicheren Umformulierung der Teilnahmebedingungen geführt.

 

Traurig aber, dass dennoch manche Kunstvereine oder auch selbst einige Kommunalverwaltungen ohne Bedenken und auch ohne Blick auf die finanzielle Situation der Künstler Teilnahmegebühren für ihre Veranstaltungen verlangen, die ohne die Künstlerinnen und Künstler jedoch gar nicht zustande kommen könnten.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 12/2020-01/2021.

Bence Fritzsche
Bence Fritzsche ist Chefredakteur der Zeitschrift „atelier“.
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