Die 360 Grad-Branche

Das Urheberrecht hält mit der Dynamik im Games-Gewerbe nur mühsam Schritt

„Suche Tauschpartner für Computerspiele!“ – solche und ähnliche Inserate fanden sich in den 1980er und 1990er Jahren zuhauf in Zeitschriften, Anzeigenblättern, an Aushängen an Schulen und Unis. Kanzleien mit flexibler Berufsethik schalteten sogar Fanganzeigen, verschickten fingierte „Tauschlisten“, überwiegend Minderjährige fielen darauf herein und die dazugehörigen Erziehungsberechtigten zahlten nicht selten vierstellige D-Mark-Beträge, um gleichermaßen peinliche wie langwierige Urheberrechtsverletzungsverfahren abzukürzen. Die Spielezeitschriften sind weitgehend verschwunden, das Geschäft mit illegalen Kopien gibt es trotzdem noch – inzwischen in Form von Internet-Tauschbörsen. Die Verfolgung solcher Urheberrechtsverletzungen setzt zunehmend beim Anbieter an – nicht bei der ineffizienten, zeit- und kostenaufwändigen Verfolgung einzelner Nutzer. Salopp formuliert: Warum 1.000 Verfahren führen, wenn man dem Problem auch an der Quelle begegnen kann?

 

Jahrzehntelang kreiste die erbittert geführte Debatte um die Frage, ob es denn ein gottgegebenes oder zumindest juristisches Recht auf solche „Privatkopien“ oder „Sicherungskopien“ von Spielen auf Disketten, DVDs und Blu-Rays gäbe – also ob man als rechtmäßiger Käufer mit der überlassenen Software tun und lassen könne, was man will. Was digital ist, lässt sich eben leicht vervielfältigen – und Computerspiele waren schon immer digital. Das gilt längst auch für den Vertrieb, denn der Datenträgeranteil schwindet rapide: Schon jetzt werden zwei Drittel aller PC-Spiele nur noch online via Download vertrieben. Bei Smartphone-Spielen liegt dieser Anteil zwangsläufig bei 100 Prozent. Überhaupt werden die erfolgreichsten Computerspiele heutzutage als Dienstleistung, also als „Software as a Service“ konzipiert, entwickelt und vermarktet und über viele Jahre mit immer frischen Inhalten gepflegt. Die Speicherstände und Errungenschaften sind an das Benutzerkonto des jeweiligen PlayStation-, iPhone- oder PC-Spielers gebunden. Die Hersteller wissen also weitgehend, wer welches Produkt in welchem Umfang nutzt – und ermöglichen den Zugang erst nach Entrichtung von Kaufpreis oder Abogebühr.

 

Dieser Mechanismus ist ein Grund, warum die klassische Urheberrechtsverletzung in Form der „Raubkopie“ auf dem Rückzug ist, zumindest im Games-Segment. D. h. nicht, dass Missbrauch ausgerottet wäre, im Gegenteil. Die kriminelle Energie richtet sich allerdings inzwischen eher auf Bezahlvorgänge, gestohlene Identitäten oder den Einsatz von Bots, die das Spielsystem aushebeln oder menschliche Spieler vorgaukeln, die es gar nicht gibt. Fachleute sprechen von „Fraud“, also Betrug. Mit der Fraud-Bekämpfung sind bei großen Anbietern ganze Abteilungen beschäftigt.

 

Andere Aspekte des Urheberrechts haben sich ebenfalls drastisch gewandelt. Für jeden Top-100-Spiele-Hit in den Appstores gibt es hunderte Klone, die dem Original bis hin zum App-Symbol täuschend ähnlich nachempfunden sind. Derlei Plagiate durch Mitbewerber sind zwar ärgerlich, doch die Hersteller nehmen die Nachahmer mit erstaunlicher Gelassenheit hin, wohl wissend, dass sich der wahre schöpferische Wert – die handwerkliche Umsetzung – nur mit enormem Aufwand replizieren lässt. Games sind nun mal hochkomplexe Konstrukte, in denen eine Fülle an Gewerken zusammenfließen.

 

Dies gilt umso mehr, da die Veröffentlichung eines Computerspiels im Gegensatz zu Film, Serie, Buch oder Musikalbum nicht das Ergebnis des kreativen Prozesses darstellt, sondern allenfalls eine erste Zwischenstation. Der Grund: Spiele verändern sich. »World of Warcraft« ist nach wie vor das bekannteste und beliebteste gebührenpflichtige Online-Rollenspiel des Planeten. Mit dem ursprünglichen Spiel des Jahres 2004 hat das Produkt fast nur noch den Namen gemein. Verändert hat sich alles: die Grafikqualität, die Steuerung, die Spielbalance. „World of Warcraft“ ist inzwischen ein regelrechtes Monster an Komplexität und Umfang – mehr als genügend Inhalt, um Jahre seines Lebens damit zuzubringen. Im kleineren Maßstab gibt es solche Beispiele auch im deutschsprachigen Raum: In Regensburg, Karlsruhe oder Hamburg werden Online-Spiele betrieben, die seit mehr als zehn Jahren eine treue Kundschaft rund um den Globus erreichen und zwei- bis dreistellige Millionenumsätze generieren – und das Jahr für Jahr.

Petra Fröhlich
Petra Fröhlich ist Gründerin und Chefredakteurin von GamesWirtschaft.
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