Und wie geht das? Theater als Schulfach?
Wie sieht „Theater“ als Schulfach aus? Alle Lehrpläne, die es in deutschen Ländern gibt, schreiben Theaterprojekte vor, das bedeutet, dass dort wirklich Theater gespielt wird. In einer Theaterklasse sitzen die Schülerinnen und Schüler also nicht an ihren Tischen und lesen oder schreiben oder reden über Theater, sondern sie gehen in die Aula, die Sporthalle oder einen anderen größeren und möglichst leeren Raum. Dort machen sie Spiele und Übungen, die sie mit dem Theater vertraut machen. Am Anfang stehen Gruppen- und Bewegungsspiele, damit sie Hemmungen ablegen, Vertrauen zueinander entwickeln und angstfrei und kreativ miteinander umgehen und spielen können. Die Theatergruppen suchen nach Themen, die sie interessieren, und erarbeiten nach und nach ein Stück, das sie in vielen Proben bis zur Aufführung bringen. Es kann sein, dass aus Übungen und Improvisationen viele Szenen entstehen, die zu einem eigenen Stück zusammengefügt werden, es kann auch sein, dass ein fertiges Theaterstück, ob klassisch oder modern, ausgewählt wird, das zum Thema der Gruppe passt. In jedem Fall geht es darum, die Texte, Rollen und Handlungen so passend zur Gruppe zu verändern und zu gestalten, dass eine publikumswirksame Aufführung inszeniert wird. Das erfordert einige Übungen dazu, wie man Körper und Stimme, Bewegungen und Musik, Gesten und Requisiten einsetzen kann. In vielen Proben werden dann Szenen erfunden, gestaltet, wieder verworfen und geändert, wiederholbar gemacht, so lange, bis die Aufführung mit all ihren Elementen eine künstlerische / ästhetische und publikumswirksame Form gefunden hat. Das kann ein ganzes Schuljahr dauern, aber es ist ein ganz wunderbares Erlebnis, wenn das Lampenfieber nachlässt und das Publikum begeistert klatscht. Und es ist eine wunderbare Sache, wie viele unterschiedliche Kompetenzen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in solchen Projekten erwerben.
Gutes Schultheater braucht gute Lehrkräfte!
Theater ist eine Kunst und entsteht nicht von selbst. Theaterlehrkräfte müssen ausgebildet werden und selbst die Erfahrung aller Spiele und Übungen gemacht und auf der Bühne gestanden haben. Mehr als 5000 Lehrerinnen und Lehrer haben eine solche Ausbildung in den letzten 15 Jahren erhalten, indem sie neben ihrem Beruf einige hundert Stunden Weiterbildungskurse besucht und eine Abschlußprüfung abgelegt haben. Für die 40.000 Schulen in Deutschland reicht das bei weitem nicht aus, auch die 8 Universitäten, in denen man das Theaterlehramt studieren kann, können nicht genügend Theaterlehrkräfte produzieren. Aber die Richtung stimmt: Viele Bundesländer sorgen für die Weiterbildung ihrer Lehrkräfte, die Nachfrage nach Ausbildung ist viel größer als das Angebot, der Bedarf der Schulen wächst, nur die Einführung des Schulfachs Theater kommt viel zu langsam voran. Das Bundesland Hamburg hat vor 2 Jahren einen großen Schritt gemacht. Dort haben alle Schülerinnen und Schüler von der 1. bis zur 13. Klasse das Recht auf Theaterunterricht, was in den meisten Bundesländern noch nicht erreicht ist.
Theater für alle!
In Zukunft kommt es also darauf an, das Theaterspielen jedem Kind und jedem Jugendlichen in der eigenen Schule zugänglich zu machen: Einerseits als wesentlicher Teil der kulturellen Bildung, auf die unsere Gesellschaft weniger denn je verzichten kann, andererseits als Möglichkeit, die eigenen Interessen und Fähigkeiten zu entdecken und zu entwickeln. Oder auch nicht: Dann wählt man eben Kunst oder Musik oder… – aber man hatte die Chance, die nicht vom Zufall einer bestimmten Schule oder eines Wohnorts abhängig war. Es lässt sich leicht ausrechnen, dass dazu viel mehr Lehrkräfte ausgebildet werden müssen. Die Weiterbildungen der Länder müssen daher gesteigert werden und viel mehr Universitäten müssen Lehramts-Studiengänge für Theaterlehrkräfte einrichten. Die nötigen Konzepte und Lehr- und Ausbildungspläne liegen längst vor, sind erprobt und bewährt: Glänzende Augen nach Proben und Aufführungen beweisen das!
Dieser Text ist zuerst erschienen auf dem Internetportal „Kultur bildet.“ des Deutschen Kulturrates im November 2013.