Kino auf den Stundenplan!

Thema des Films bestimmt die Auswahl
Die Konzentration der didaktischen Handreichungen auf die Themen des Films hat einen einfachen Grund: Die SchulKinoWochen können sich in den meisten Fällen nicht – das unterscheidet sie von ähnlichen Angeboten im Nachbarland Frankreich – auf eine Verankerung von Film im Sinne ästhetischer Erziehung im Lehrplan verlassen. Ein Lehrer orientiert sich bei der Auswahl des Films, den er sich im Kino mit seiner Klasse anschaut, daher eher am thematischen Fokus des Films, filmästhetische Fragestellungen sind nachrangig. Insbesondere ästhetisch herausfordernde Filmklassiker, die neben filmhistorischen Vorkenntnissen auch ein filmästhetisches Grundvokabular der Lehrkraft voraussetzen, gehören daher zu den selten gebuchten Filmen – hier herrschen große Berührungsängste. Wir begrüßen daher sehr, dass mit der im März 2012 von der Kultusministerkonferenz veröffentlichten Erklärung zur Medienbildung eine umfassende Medienkompetenz als gesamtgesellschaftlicher Auftrag formuliert wurde und der kompetente Umgang mit Film hierin explizit erwähnt wird.

 

Die Favoriten
Sehr erfolgreich sind deutschsprachige Kinderfilme im Allgemeinen und Literaturverfilmungen im Besonderen. Neben den Verfilmungen von Erich-Kästner-Romanen, die auch zehn Jahre nach Kinostart noch für volle Säle sorgen, eröffnen die SchulKinoWochen gerade auch originären Kinderfilmen eine langfristige Auswertungsperspektive. Der mehrfach ausgezeichnete Kinderfilm „Blöde Mütze“ (Deutschland, 2006) beispielsweise hat das Gros seiner Zuschauer nicht über seine reguläre Kinoauswertung, sondern erst über die SchulKinoWochen erreicht. Im Rahmen des naturwissenschaftlichen Unterrichts erfreuen sich Dokumentarfilme wie „Taste the Waste“ oder „Das grüne Wunder – unser Wald“ gleichbleibend großer Beliebtheit. Zunehmend populärer wird der Besuch von Filmen in der originalsprachlichen Version, die im Zusammenhang eines Fremdsprachenunterrichts gesehen werden.

 

Großer Anklang bei Förderschulen
Auch auf einem anderen Feld sind die Verdienste der SchulKinoWochen groß: Über 18 Prozent der beteiligten Schulen sind Förderschulen. Das Angebot trifft offenbar den Nerv einer Zielgruppe, die in einer häufig auf Elitenförderung abzielenden kulturellen Bildungslandschaft eher ein Randdasein führt. Gerade Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf an Filme jenseits gängiger Formate heranzuführen, sie zu fordern ohne zu überfordern, ist einer der großen Erfolge des Projekts – auch wenn in der Umsetzung inklusiver Konzepte noch erheblicher Verbesserungsbedarf besteht. Insbesondere aus Sicht der Förderschulen ist der Kinobesuch zudem eine gute Möglichkeit, kulturelles und soziales Handeln zu erleben. Die Abläufe im Kino vom Ticketverkauf über den Besuch der Getränke-Theke bis hin zum Erlöschen des Saallichtes sind dem Filmerlebnis gleichgestellt. Darüber hinaus machen Schülerinnen und Schüler mit und ohne gesonderten Förderbedarf im Rahmen der SchulKinoWoche gemeinsame Lernerfahrungen, wie sie im Zuge der Debatte um ein
inklusives Schulsystem gefordert werden. Die vielen positiven Erfahrungen, die Lehrkräfte durch die SchulKinoWochen mit „Unterricht im Kinosaal“ gemacht haben, führten dazu, dass sich die Schulen langsam hin zu einem weiteren Ort außerschulischer kultureller Bildung öffneten. 100 Jahre nach seiner Geburt als Kunstform hat sich das Kino endlich von seinem Image als Jahrmarktsvergnügen befreien können und wird nun endlich – das eingangs beschriebene Beispiel mit dem Lotte Reiniger Film ist hierfür ein wunderbares Beispiel – als „Schule des Sehens“ und „Schule des Lebens“ genutzt.

 

Lehrkräfte, die mit ihrer Schulklasse an Veranstaltungen im Rahmen der SchulKinoWochen teilnehmen möchten, finden eine Übersicht über die Termine und Ansprechpartner in den einzelnen Bundesländern unter www.schulkinowochen.de. Die konkreten Programme der Kinos vor Ort finden sich auf den Homepages der jeweiligen SchulKinoWoche des Landes.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen auf dem Internetportal „Kultur bildet.“ des Deutschen Kulturrates im November 2013.

Michael Jahn
Michael Jahn ist Projektleiter SchulKinoWochen bei VISION KINO.
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