Lehrer- und Lehrerinnenausbildung für den Kunstunterricht in der digitalen Gesellschaft

Dennoch können einige konkrete, generalisierbare Punkte festgehalten werden:

 

Der Aufbau eines kompetenten Umgangs als Nutzer oder Nutzerin digitaler Medien, insbesondere im zweidimensionalen oder zeitbasierten Bereich, gehört mittlerweile unabhängig vom Studienort zum Kerncurriculum eines jeden Lehramtsstudiums an einer Kunsthochschule, wobei Formate, Umfänge und Ausrichtung je nach Personal und Ausstattung variieren. Auch die Anwendungsbereiche sind sehr unterschiedlich: sie reichen von der engeren künstlerischen Praxis bis hin zu rein präsentatorischen bzw. dokumentarischen Nutzungsformen. Ob darüber hinaus eher der visuellen Kommunikation, dem Produktdesign oder der Architektur zugeordnete Themen wie Webdesign, 3D-Druck, Simulationen oder Virtual Reality im Lehrangebot aufscheinen, hängt vom Profil der Kunsthochschule ab; während dies an reinen Kunstakademien eher weniger der Fall ist, können Lehramtsstudierende an Hoch-schulen der Künste in der Regel auch an Studienangeboten anderer künstlerischer Disziplinen partizipieren. Insgesamt zu kurz kommen an vielen Ausbildungsstätten Aspekte der medienbasierten Vermittlung bzw. der Medienpädagogik, und auch die Auseinandersetzung mit dem Internet als für junge Menschen zentraler Ort informellen Lernens, gerade auch im Bereich von Kunst und Design, wird nicht selten ausgeblendet.

 

Ebenfalls wenig vorbereitet werden Lehramtsstudierende auf den Umstand, dass die mit professionellen Geräten ausgestattete Lernumgebung einer Kunsthochschule stark von der Unter-richtsrealität an Schulen divergiert. Wenige Schulen besitzen ganze Klassensätze an Digitalkameras, geschweige denn Tonstudios oder Filmschnittplätze; hingegen verfügt mittlerweile jedes Handy – und damit praktisch jede Schülerin und jeder Schüler – über diese Funktionalitäten. Hier wünschte man sich dahingehend ein Umdenken, als dass in der Lehramtsausbildung verstärkt auch auf low-tech, do-it-yourself, use-your-own-device und open-source Prinzipien gesetzt wird, die auch im schulischen Kontext tauglich sind, bzw. das Arbeiten mit digitalen Mitteln überhaupt erst ermöglichen. Daraus folgt, dass neben der oben genannten Heterogenität zwei weitere Typiken von Digitalität im Feld der Bildenden Kunst und den entsprechenden Bildungskontexten festzuhalten sind: Profanisierung und Ubiquität.

 

Aus fachlicher Perspektive gilt es schließlich einen dritten Punkt ins Feld zu führen: die zunehmende Verschränkung von Digitalem und Analogem bzw. von Materialität und Immaterialität. So zeigen viele Studierende, die der Generation der Digital Natives angehört, eine große Lust am Handwerklichen und eine Neugierde gegenüber den traditionellen Werkstätten am Haus. Dieser Impetus erfolgt allerdings kaum je in Abgrenzung gegenüber digitaler Entwurfs- und Fabrikationsmethoden, sondern aus einer, vielen Studierenden im künstlerischen Lehramt eigenen, intrinsischen Motivation an der Erweiterung ihrer technologischen und methodischen Kompetenzen. Es ist längst keine Seltenheit mehr, dass eine Objektidee erst von Hand entworfen, danach gescannt, digital weiterverarbeitet und als Rohling mit dem 3D-Drucker fabriziert wird, um diesem schließlich von Hand den letzten Feinschliff zu geben. Dieses integrative Verständnis von und im Umgang mit digitalen und analogen Mitteln und Methoden im Entwurfs- und Produktionsprozess wird sich in den kommenden Jahren vermutlich weiter verstärken und zur Selbstverständlichkeit werden.

 

Abschließen möchte ich mit einem Gedanken aus der übergeordneten, eher strukturellen Sicht als Rektorin einer Kunsthochschule. Die oben genannte Heterogenität, Profanisierung und Ubiquität des Digitalen sowie die zunehmende Integration und Verschmelzung der analogen mit der digitalen Sphäre zeigen folgendes: die Digitalisierung ist als Normalisierungsprozess zu betrachten, in welchem sich Technologie und Menschen in einem gegenseitigen, schrittweisen Prozess einander angepasst haben, auch im Feld der Bildenden Kunst und der Bildung. Wie Malerei und Zeichnung sind Video oder digitale Bildbearbeitung Bestandteil jeden Curriculums geworden; wie Staffeleien, Tiefdruck-pressen, Bibliothek, Projektoren, Seminarräume oder Kopiergeräte gehören – theoretisch – auch diverse digitale Infrastrukturen zur (hoch)schulischen Grundausstattung. Kurz: mit derselben Selbst-verständlichkeit, wie Digitalität Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrags geworden ist, sollte sie sich auch in der Grundfinanzierung von Bildungsinstitutionen abbilden.

 

Ein Verständnis von Digitalisierung als „Add-on“, das mit befristeten Förderlinien oder kompetitiven Wettbewerben einmalig installiert werden kann, wäre grundverkehrt. Denn: Digitalität ist zum Normalzustand geworden und wird es auch bleiben.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen auf dem Internetportal „Kultur bildet.“ des Deutschen Kulturrates im September 2017.

Barbara Bader
Barbara Bader ist Rektorin der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart und Professorin für Kunstdidaktik und Bildungswissenschaften am künstlerischen Lehramt für Gymnasien.
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