Kulturelle Bildungsangebote für Kinder im Internet

Digitale Medien sind zweifellos selbstverständliche Begleiter im Alltag geworden, dies gilt für Erwachsene ebenso wie für Kinder. Laut der letzten KIM-Studie (Kinder + Medien, Computer + Internet) sind die häufigsten Tätigkeiten von Kindern im Alter von sechs bis 13 Jahren am Computer Spielen und Arbeiten für die Schule. Die Internetnutzung spiegelt diese beiden Schwerpunkte wider. Suchmaschinen werden von dieser Altersgruppe am häufigsten zur Suche nach Informationen für die Hausaufgaben bzw. die Schule und nach Spielen im Internet genutzt (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2013, S. 29 und 39).

 

Damit Kinder das Internet sinnvoll nutzen können, brauchen sie eigene Angebote, die Inhalte altersgerecht und interessant darstellen. Da es keine Geschäftsmodelle zur Refinanzierung von Internetangeboten für Kinder gibt, sind insbesondere kleine, kreative Anbieter darauf angewiesen, dass ihre hochwertige Arbeit zum Wohle der Kinder unterstützt wird. Die Staatsministerin für Kultur und Medien Frau Prof. Monika Grütters fördert daher mit der Initiative „Ein Netz für Kinder“ hochwertige Kinderwebsites, die die Kinderinternetseitenlandschaft bereichern und das Interesse der Kinder an digitalen Medien und Spielen und ihr Bewusstsein, diese Medien für die Schule einsetzen zu können, zur Vermittlung von kultureller Bildung nutzen.

 

Unterschiedliche Lernsituationen
Kinder lernen von klein auf. Sie erschließen sich die Welt, indem sie Dinge entdecken und ausprobieren. Der spielerische Kontext erlaubt es ihnen, Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen. In einer ungezwungenen Atmosphäre können sie etwas wiederholen, bis sich das gewünschte Ergebnis einstellt, und lernen oft, ohne sich dessen bewusst überhaupt zu sein. Durch die Schule wird dieses selbstbestimmte Lernen durch Anforderungen von außen erweitert. Die Lernthemen werden immer stärker vorgegeben. Für spielerisches Lernen bleibt weniger Zeit. Wiederholtes Ausprobieren ist im Unterricht nicht mehr beliebig möglich. Es findet ein bewusster Wissenserwerb statt und der Lernerfolg wird durch Klassenarbeiten, Tests etc. überprüft.

 

Wissensvermittlung im Internet
Bildungsangebote im Internet haben den Vorteil, dass sie das Lernen in der Freizeit und in der Schule aufgreifen können. Je nach Zielsetzung, Thema und anvisierter Zielgruppe können die Angebote stärker unterhaltungs- oder wissensorientiert gestaltet werden. So führt www.kwerx.de die jungen Nutzerinnen und Nutzer mit lustigen Figuren, die optisch berühmten Gemälden und Kunstgattungen nachempfunden sind, einer Online-Spielwelt und spannenden Hörspielen an die bildende Kunst heran. Für die Kinder steht der Spaß am Spielen und Geschichtenhören im Vordergrund, dabei setzen sie sich zugleich aktiv mit den verschiedenen Kunstepochen auseinander. Dass mit spielerischen Angeboten die Neugier der Kinder auf kulturelle Themen geweckt werden kann, zeigt auch das Lyrikangebot www.wortwusel.net. Die explorativ angelegte Website versteht sich als Gegenentwurf zur heutigen schnellen Bilderflut und lädt die Kinder ein, sich Gedichte vorlesen zu lassen, selbst mit Worten und Lauten zu experimentieren und mit Klängen und Bildern zu spielen. Beide Angebote zielen, ebenso wie andere qualitätsvolle Kinderwebsites, nicht darauf ab, die Kinder möglichst lang an den Bildschirmen zu halten, sondern motivieren sie, sich abseits von Computer, Tablet und Smartphone weiter mit Kultur zu beschäftigen. Dazu tragen unter anderem Museums-, Buch- und Filmtipps sowie Mal- und Bastelanleitungen bei. Das Internet lässt sich hervorragend für die aktive Medienarbeit einsetzen. Die Foto-Community www.knipsclub.de eröffnet Kindern die Möglichkeit, das notwendige praktische und künstlerische Werkzeug der Fotografie ebenso zu erlernen wie Fragen des Urheberrechts und des Rechts am eigenen Bild. Sie können ihre Bilder hochladen und mit anderen teilen. Dadurch erfahren die jungen Nutzerinnen und Nutzer am praktischen Beispiel und mit medienpädagogischer Betreuung, wie eine Community funktioniert.

 

Auch Angebote, die im Schwerpunkt an solche Fähigkeiten und Wissensinhalte anknüpfen, die in der Schule vermittelt werden, können die vielfältigen Möglichkeiten des Internets gewinnbringend nutzen. Durch die multimediale Aufbereitung mit Texten, Bildern, Audios, Animationen und Filmen werden unterschiedliche Lerntypen angesprochen. Nehmen Kinder Wissen über verschiedene Wahrnehmungskanäle gleichzeitig auf, behalten sie mehr Informationen. Zudem können die Nutzerinnen und Nutzer die Geschwindigkeit des Lernens an ihre persönlichen Fähigkeiten anpassen.
www.amira-pisakids.de unterstützt Kinder, die Deutsch als Zweitsprache lernen, beim Erlernen der essentiellen Kulturtechnik Lesen. Ziel der speziell für diese Zielgruppe entwickelten Texte, liebevollen Illustrationen, interaktiven Übungen und Spiele zum Leseverständnis sowie Hilfestellungen in sechs Sprachen ist es nicht nur, zum Erfolg in der schulischen Laufbahn beizutragen, sondern die Kinder zur aktiven Teilhabe an der Gesellschaft zu befähigen. Mit dem Websitegenerator www.losleser.de können Schülerinnen und Schüler mit den Lehrkräften ihre Lieblingsbücher, -comics und -zeitschriften multimedial präsentieren und sich in der dazugehörigen Community klassenintern über die Vorstellung der ausgewählten Werke austauschen. Für die Pädagoginnen und Pädagogen werden umfangreiche Hilfestellungen zur Leseförderung und zur Arbeit mit „Losleser“ im Unterricht bereitgestellt. Für die Geschichtsseiten www.kinderzeitmaschine.de und www.zeitklicks.de interessieren sich monatlich über 200.000 Nutzerinnen und Nutzer, gerade weil das Geschichtswissen mit Videos und Animationen multimedial aufbereitet wird. Unter der Adresse www.trompis-tondschungel.de wird eine Kinderwebsite aufgebaut, bei der die anschauliche Erläuterung von Unterrichtsinhalten im Fokus steht. Sie erklärt die Musiktheorie und Harmonielehre mithilfe von Videos und festigt dieses Wissen durch interaktive Übungen. Die zehn Lektionen wie Vorzeichen, Dreiklänge oder Quintenzirkel orientieren sich an den Lehrplänen der Schulen und werden in Zusammenarbeit mit Lehrerinnen und Lehrern entwickelt.

Zusammenspiel von Websites und nicht-virtuellen Angeboten
Diese Beispiele zeigen bereits, wie sich Websites und nicht-virtuelle Angebote zur kulturellen Bildung gegenseitig ergänzen. Computer und mobile Geräte können entsprechend der Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer zur Unterhaltung, zur Kommunikation, als Lernwerkzeug usw. eingesetzt werden. Im Internet sind die Übergänge von Information, Bildung und Unterhaltung ohnehin fließend. Die Chance der interaktiven und multimedialen Umsetzung von Bildungsthemen in Form von Internetseiten ist es also einerseits, bei der Freizeit der Kinder anzusetzen, ihren Wunsch nach Spiel und Spaß aufzugreifen und auf diese Weise das Interesse für kulturelle Themen zu wecken oder zu intensivieren. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, dass die in diesem Beitrag genannten Websites und viele weitere kostenfrei verfügbar sind und so allen Kindern unabhängig von ihrer sozialen Herkunft Zugang zu Bildungsangeboten ermöglichen. Andererseits unterstützen kulturelle Bildungsangebote im Internet die durch den Unterricht geleitete Aneignung dieser Themen mit Möglichkeiten zur Recherche, Erprobung, Vertiefung oder Anwendung des Wissens.

 

Doch nicht nur die Kulturvermittlung im Unterricht, sondern auch Museen und Ausstellungen lassen sich mit Websites verknüpfen. Die Einrichtungen können bspw. historische Dokumente, Bild- oder Videomaterial zur Verfügung stellen, sodass die Kinderseiten Wissensinhalte so anschaulich und authentisch wie möglich aufbereiten können. Umgekehrt ist denkbar, dass Museen ihre Kinderführungen in Zusammenarbeit mit den Macherinnen und Machern von Kinderseiten noch spannender gestalten, indem Aufgaben vom Online-Angebot in die Ausstellung integriert werden, um die Kinder durch aktive Beteiligung und Erfolgserlebnisse beim Lösen der Aufgaben für die weitere Beschäftigung mit den Bildungsinhalten zu motivieren. Ein Beispiel für eine solche Kooperation ist das crossmediale Projekt „Die Wikinger“, bestehend aus einer Dokumentation „Die Frauen der Wikinger, der Ausstellung und dazugehörigen App „Die Wikinger“ sowie der Kinderwebsite www.isungur.de.

 

Eine weitere Möglichkeit ist die Zusammenarbeit von Websites und Wettbewerben zur kulturellen Bildung. Hierbei könnten die Websites zur Bekanntmachung der Wettbewerbe beitragen und grundlegendes Wissen vermitteln, welches die Kinder benötigen, um erfolgreiche Wettbewerbsbeiträge zu erstellen. Diesen Weg geht das JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis mit dem Kinderfotopreis und der Foto-Community www.knipsclub.de.

 

Dass kindgerechte Websites mit kulturellen und anderen Bildungsinhalten die Kinder erreichen, belegt die Auswertung von „Ein Netz für Kinder“ eindrucksvoll. Seit Gründung des Förderprogramms im Jahr 2008 wurden 114 Projekte zu verschiedensten Themen mit über 8,4 Mio. Euro unterstützt. Die 68 Websites, die bereits online sind, werden monatlich von mehr als 2,2 Mio. Nutzerinnen und Nutzern besucht und haben für ihre hohe Qualität 125 Auszeichnungen und Preise erhalten, darunter der Grimme Online Award, der KinderMedienPreis des MDR-Rundfunkrats und der Europäische KinderOnlinePreis.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen auf dem Internetportal „Kultur bildet.“ des Deutschen Kulturrates im März 2015.

Melanie Engel
Melanie Engel ist Leiterin der Geschäftsstelle „Ein Netz für Kinder“.
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