Es ist Konsens in der denkmalpflegerischen Debatte, dass Denkmale Zeugnisse einer abgeschlossenen, bereits historisch gewordenen Epoche sind. Das macht einerseits die Diskussion um die Zeugnisse der jüngeren Vergangenheit so spannend, andererseits gefährdet eine verspätete oder fehlende Diskussion diese jungen Denkmale ganz besonders. Dass sie durchweg in modernen, weniger langlebigen Baustoffen geschaffen wurden, zudem oft in urbanem Umfeld liegen und damit städtebaulich unter besonderem Druck stehen, verschärft die Situation.
Wie wenig die Epoche der Deutschen Demokratischen Republik vor 30 Jahren wirklich abgeschlossen war, zeigen die heftigen Diskussionen um den Erhalt ihrer bedeutenden baulichen Zeugnisse, angefangen beim Palast der Republik. Sie wurden politisch und ideologisch geführt, architektonische, geschichtliche oder denkmalpflegerische Gründe hingegen standen im Hintergrund, sowohl in den Diskussionen als auch in vielen Entscheidungen.
Die Debatte um die Nachkriegsarchitektur wird bundesweit geführt, unterscheidet sich in Ost und West aber gravierend: In der DDR fehlten systembedingt weitgehend die für den Westen typischen Bauleistungen der Wirtschaft und der privaten Bauherren. Dafür gab es vielerorts politisch motivierte „Erinnerungsmonumente“ und „Volksbauten“, bei denen der wirtschaftliche Veränderungsdruck eher gering war. Einen besonderen Aspekt im Umgang mit diesem Erbe stellt die Überwindung der „historischen Epoche DDR“ durch eine friedliche Revolution dar.
Erst schrittweise öffnete sich – bundesweit – der neue Blick der Enkelgeneration auf die Qualität der baulichen DDR-Zeugnisse. Die fachliche Annäherung an die bedeutenden Schöpfungen bricht sich in der öffentlichen Diskussion ihre Bahn. Diese war lange bestimmt durch die Forderung nach dem Erhalt der Reste der Grenzbefestigungen, den Streit um den Umgang mit Lenin- oder Marx-Denkmalen oder um die durch die Zentrale Denkmalliste der DDR unter Schutz gestellten „Denkmale zu politischen Ereignissen und Persönlichkeiten“. Dabei spielt eine klarere Differenzierung zwischen Kulturdenkmal und Gedenkstätte in der öffentlichen Wahrnehmung inzwischen eine ebenso wichtige Rolle wie die Vermittlung der kulturhistorischen und ästhetischen Werte.
Neben der Beschäftigung mit Einzeldenkmalen, wie sie der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) durch die Vielzahl einzelner Förderanträge begegnen, hat die Debatte über die städtebaulichen Hinterlassenschaften der DDR, insbesondere in den Metropolen, einen großen öffentlichen Wiederhall gefunden. Doch auch nach der Unterschutzstellung der prägenden Bauten des Alexanderplatzes 2015 scheint die Auseinandersetzung über den architektonischen Wert und die historische Bedeutung der städtebaulichen Entwicklungen und Konzepte der DDR noch nicht abgeschlossen.
Oft überholen die Tatsachen jedoch die Meinungsfindung: Die Liste schmerzhafter Verluste ist zwischenzeitlich lang, von den Bauten im wiederaufgebauten Dresden mit der HO-Gaststätte am Zwinger bis hin zur Großgaststätte „Ahornblatt“ in Berlin-Mitte. Dies, obwohl die Bauten des Sozialistischen Klassizismus mit ihren anspruchsvollen Wohnbauten von der Stalinallee in Berlin über die Magdeburger Ernst-Reuter-Straße oder die Leipziger Ringbebauung bis hin zur regionalen Backsteinversion der Langen Straße in Rostock, schneller Freunde und Verteidiger fanden als die Betonbauten.
Die DSD beteiligt sich an diesen Diskussionen in ihren Publikationen, fördert sie in breitenwirksamen Aktionen wie dem Tag des offenen Denkmals und thematisiert sie in ihren Jugendprojekten. Dass sich Studierende im Rahmen der Messeakademie der Leipziger „denkmal“ mit den Bauten der IGA Erfurt beschäftigten, bestätigt das wachsende Interesse der jungen Generation. Unter den Förderprojekten der DSD – deren Finanzierung sie durch private Spenden absichern muss – finden sich inzwischen eine Reihe von Denkmalen der DDR-Architektur. Entsprechend ihrer Entstehungszeit handelt es sich vielfach um neue Bautypen und Bauaufgaben, wie das Kino International in Berlin, der Kunstpavillon in Eisenach oder die Kulturhäuser im brandenburgischen Mestlin und Plessa. Es sind vielfach ehrenamtliche Vereine und Initiativen, die sich ihrer Erhaltung widmen – für eine privat finanzierte Einrichtung ist ein solches Engagement neben der denkmalpflegerischen Bedeutung ein wichtiges Argument bei Förderentscheidungen. Die schrittweise Instandsetzung und Wiederinbesitznahme der Bauten durch die Bürger ermöglichen ihren Erhalt auch als Quelle für die nächsten Generationen. Ist doch Denkmalpflege die Sammlung und Sichtung der baulichen Quellen früherer Epochen. Was jetzt nicht erhalten wird, ist auf Dauer verloren. Daher ist die schwierige Vermittlung auch zeitnaher und zeitgenössischer Architektur eine wichtige Aufgabe der Denkmalpflege. Die staatliche Denkmalpflege wird dieser Aufgabe umso mehr gerecht werden können, wie sie durch private gesellschaftliche Initiativen unterstützt wird und diese Partizipationsbereitschaft auf- und annimmt.
In dem für die Spender der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und vieler Vereine und Initiativen unstrittigen Feld der Sakralbauten finden sich nur wenige Neubauten der DDR. Hier ist vielmehr der Restaurierungsstau an den Denkmalen früherer Epochen ein ganz besonderes Arbeitsfeld in den östlichen Bundesländern. Denkmale früherer Epochen können unabhängig von ihren Standorten auf eine vergleichbare Akzeptanz und Unterstützung hoffen. Der sichtbar größere Nachholbedarf und der Respekt vor der Leistung engagierter Bürger bei deren Rettung erhöhen die Bereitschaft zur Unterstützung durch Spenden. Der jahrzehntelange Mangel an Material und Arbeitskraft in der Denkmalpflege der DDR bestimmt bis heute die notwendigen Maßnahmen. So werden Schäden an Dachstühlen, die nicht auf die Last von Betonziegel ausgelegt waren, immer noch behoben.
Für das Engagement einer privaten, insbesondere durch Spenden finanzierten Stiftung wie der Deutschen Stiftung Denkmalschutz ist die Vermittlung der Bedeutung der von ihr geförderten denkmalpflegerischen Maßnahmen, die Bildung eines Bewusstseins für den Wert der baulichen Zeugnisse aller Epochen und Gattungen, die unverzichtbare Grundlage. Das gilt auch für die Denkmale der DDR.
Der Beitrag ist zuerst in Politik & Kultur 5/20 erschienen.