Zwischen Deutschland und Tschechien

Die Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří

Die Entscheidung fiel am 6. Juli 2019 um 16:40 Uhr in Baku/Aserbaidschan: Die „Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří“ wird in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen. Damit sprach sich das Welterbekomitee auf seiner 43. Sitzung für das grenzüberschreitende Projekt aus. Das Erzgebirge reihte sich in die Welterbeliste mit aktuell 1.121 Stätten aus 167 Ländern ein.

 

Insgesamt setzt sich die Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří aus 22 Bestandteilen zusammen: 17 Stätten auf deutscher und fünf auf tschechischer Seite. Jede einzelne stellt schon die Welterbekriterien anschaulich dar, aber nur in der Verbindung aller 22 Bestandteile liegt der außergewöhnliche universelle Wert begründet.

 

Auf deutscher Seite befinden sich die Welterbebestandteile zum Großteil im Erzgebirgskreis und dem Landkreis Mittelsachsen sowie dem Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Daneben sind 32 Städte und Gemeinden involviert.

 

Die Bewerbung der Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří um den Titel „UNESCO-Welterbe“ ist ein grenzübergreifendes Projekt zwischen dem Freistaat Sachsen und der Tschechischen Republik. Die durch den Bergbau hervorgerufenen Entwicklungen waren unabhängig der politischen Grenze über Jahrhunderte eng miteinander verbunden. Die ausgewählten Denkmale, Natur- und Kulturlandschaften repräsentieren in ihrer Gesamtheit die wichtigsten Bergbaugebiete und Epochen des sächsisch-böhmischen Erzbergbaus. Sie ermöglichen einen umfassenden Einblick in den Abbau und die Verarbeitung der bedeutendsten Rohstoffe und belegen die Bergbautechnologien der verschiedenen Bergbauperioden vom 12. Jahrhundert bis zur Schließung der Bergwerke um 1990 und der Fortsetzung in der heutigen Zeit. Jeder Bestandteil setzt sich aus verschiedenen Einzelobjekten bzw. Landschaften zusammen – allein etwa 400 auf sächsischer Seite.

 

Neben über- und untertägigen Sachzeugen des Montanwesens wurden auch historische Stadt- und Bergbaulandschaften, wie z. B. Haldenzüge, berücksichtigt. Um zu einer umfassenden Vermittlung des montanhistorischen Erbes der Region beizutragen, wurden zusätzliche Standorte als „assoziierte Objekte“ zum Welterbe definiert.

 

Lebendiges Welterbe

 

Im Erzgebirge findet man den Ansatz des „lebendigen, erlebbaren Welterbes“ in jedem einzelnen Bestandteil. Idyllische Landschaften, einmalige Flusstäler und malerische Ortschaften haben ihren Ursprung in der über 800-jährigen Bergbaugeschichte, der das Erzgebirge seinen Reichtum, seinen Namen und seine wirtschaftliche Bedeutung verdankt. Heute sind das auch Erholungsräume, in denen man die Bergbaugeschichte nachvollziehbar erleben kann – ob bei einer Wanderung vorbei an Stollenmundlöchern oder Haldenzügen, bei einem Bummel durch die Bergstädte oder bei einem Besuch der Schatzkammern unter Tage. Die Region ist aber auch für ihre tief verankerten Traditionen und Bräuche bekannt, die noch authentisch gelebt werden. So sind z. B. Bergparaden und Mettenschichten fester Bestandteil der Winter- und Weihnachtszeit im Erzgebirge. Das Besondere daran: Die Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří ist grenzüberschreitend erlebbar. Ländergrenzen verschwinden in den Köpfen, Menschen zweier Nationalitäten begegnen sich. Eine Region, die historisch gemeinsam gewachsen ist, rückt näher zusammen.

 

Tradition und Innovation

 

Das Erzgebirge ist ein attraktiver, innovativer Wirtschaftsstandort, dessen Reichtum an Ideen und Erfindungen sich vor allem auf der montanen Historie gründet. „Alles kommt vom Bergwerk her“ – und von den Menschen, die seit jeher findig genug waren, um immer wieder mit innovativen Impulsen und kreativem Nischendenken der Wirtschaft wichtige Impulse zu geben. Die gewachsenen Schlüsselbranchen, unter anderem in den Bereichen Metall, Maschinen- und Werkzeugbau sowie Elektronik und Kunststoffindustrie, sind heute federführend, wenn es um Neuentwicklungen geht. Das Erzgebirge hat heute eine der höchsten Industriedichten in Sachsen.

 

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit

 

Die Vernetzung der Bestandteile steht noch bis Ende Oktober 2020 im Mittelpunkt des grenzübergreifenden Interreg5a-Projektes „Glück auf Welterbe“, für das die Wirtschaftsförderung Erzgebirge als Lead-Partner die Federführung übernommen hat. Gemeinsam mit den Projektpartnern Tourismusverband Erzgebirge und Montanregion Krušné hořy – Erzgebirge soll die Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří als eine weltweit einzigartige, grenzüberschreitende Industriekulturlandschaft bei unterschiedlichen Zielgruppen nicht nur per App (be)greifbarer gemacht werden. Auch die Webseite montanregion-erzgebirge.de, Broschüren, Flyer und Veranstaltungen sollen Mittel sein, um das Welterbe Erzgebirge mit all seinen Besonderheiten bekannter zu machen.

 

Weitere Schritte

 

Der Welterbeverein als regionaler Träger wird in diesem Jahr mit eigenem Personal in die selbständige Arbeit gehen, um die vielfältigen Prozesse zu koordinieren. Wichtige Partner in der Zusammenarbeit bleiben unter anderem der Förderverein Montanregion Erzgebirge, der sich hauptsächlich um das Thema Vermittlung, Forschung und Beteiligung vieler Vereine und Bürger kümmern wird, sowie der Tourismusverband Erzgebirge,der sich für das gesamte touristische Marketing verantwortlich zeichnet. Neben einem komplexen Beschilderungssystem laufen derzeit Projektplanungen für die Schaffung von vier Welterbezentren in den Bergstädten Annaberg-Buchholz, Freiberg, Marienberg und Schneeberg. Diese sollen als künftige Anlauf- und Informationsstätte für Besucher der Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří die-
nen.

 

Der Beitrag ist zuerst in Politik & Kultur 5/20 erschienen.

Frank Vogel
Frank Vogel ist Landrat des Erzgebirgskreises und Vorsitzender des Welterbe Montanregion Erzgebirge.
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