Hier hat der Bergbau Tradition

Das Besucherbergwerk „Vereinigte Reviere Kamsdorf“

Früher allseits bekannt, sind die „Vereinigten Reviere Kamsdorf“ heute eher ein Geheimtipp unter den Besucherbergwerken. Dabei wird auf dem Gelände im Süden Thüringens nicht nur Besuchern Bergbaugeschichte und Geologie nahegebracht, sondern es wird noch immer abgebaut – wenn auch über Tage. Theresa Brüheim spricht mit Werner Groll, dem Vorsitzenden des Kamsdorfer Vereins zur Pflege der Bergbautradition.

 

Theresa Brüheim: Die Tradition des Bergbaus in Kamsdorf reicht weit zurück. Archäologische Funde belegen den Abbau von Erzen schon in der Bronzezeit. Wie ging es dann weiter?
Werner Groll: Es ist richtig, dass der Bergbau in der Region in der Bronzezeit durch Grabbeigaben belegt ist, die bei Oberwellenborn gefunden wurden. Die erste urkundliche Erwähnung eines Bergbaus zwischen Könitz und Saalfeld geht auf 1296 zurück. Hier in Kamsdorf ist er Mitte des 16. Jahrhunderts durch Hinweise auf die Anlegung von Stollen belegt, die später zur Entwässerung des Grubengebietes dienten. In den darauffolgenden Jahrhunderten haben wir mehrfach die Landeszugehörigkeit gewechselt. Die längste Zeit gehörte die Region zu Kursachsen. Erst ab 1815 sind wir zu Preußen gewechselt. Da hat der Bergbau dann einen enormen Aufschwung erlebt. Die Preußen haben auf dem Wiener Kongress dezidiert das Gebiet Kamsdorf-Goßwitz wegen der Erzlagerstätte gefordert. Es gab hier ein gutes waffenfähiges Eisenerz. Diese Rohstoffquelle wollten sie für sich haben. Und weil die Sachsen mit Napoleon den Krieg verloren hatten, mussten sie Federn lassen. Diese Bergbauepoche, bei der die großen Weitungsbaue entstanden sind, hat sich bis 1945 fortgesetzt. Dann wurden wir Teil der DDR. Dort fand der Bergbau – was den untertägigen Teil anging – um 1958 sein Ende. Großzügig gesehen, existiert der Bergbau in Form eines Tagebaus heute noch. Es wird aber nicht mehr für die Hüttenindustrie Material abgebaut, sondern für andere Geschäftsfelder. Heute baut man Hartstein ab, um auf dem Baustoffmarkt bestehen zu können. Man geht tief in die Kulmgrauwacke rein und macht daraus Schotter und Splitt. Für die Landwirtschaft wird gering vererzter Zechsteinkalk als Düngemittel abgebaut. Die Lagerstätte ist durch Faltung und Verwerfung gestört, sodass Schichten, die eigentlich unter dem Zechstein lagern, in die Abbauhorizonte reinkommen. Da wird selektiv für die Ziegelindustrie abgebaut.

 

Wie viele Arbeiter waren zu Hochzeiten im Bergbau in Kamsdorf beschäftigt?
Man muss zwei Epochen unterscheiden. Der Bergbau bis 1867 – da wurden hauptsächlich Kupfer-, Kobalt-, Silber- und Nickelerze abgebaut – hatte je nach Konjunktur zwischen 130 und 160 Beschäftigte, die in der Grube gearbeitet haben. Nach der Wiederaufnahme des Bergbaus 1872 sind die Beschäftigtenzahlen deutlich nach oben gegangen. Zu DDR-Zeiten waren um die 300 Leute hier im Bergbau beschäftigt. Allerdings waren ca. 100 Leute im übertägigen Bereich tätig.

 

Wie viele arbeiten heute noch?
Das wechselt ständig. Ich nehme ca. 25 Festangestellte an. Das ist eine staubige, aber angenehme Arbeit. Da gibt es andere Bereiche im Bergbau, die sind auch heute noch unangenehm.

 

Welche Bedeutung hatte der Bergbau in Kamsdorf für die Region?
Der Bergbau hat dafür gesorgt, dass gut 5.000 Leute von ihm leben konnten – nicht nur in Kamsdorf, sondern auch im weiteren Umfeld. Die Maxhütte Unterwellenborn, die zu DDR-Zeiten jedes Schulkind kannte, ist errichtet worden, weil in Kamsdorf diese begehrten Eisenerze lagen. Sie wurde erfolgreich bis 1993 betrieben. Dort wurden ca. 4.700 Leute beschäftigt – inklusive der 300, die in der Abteilung Grundstoffwirtschaft der Maxhütte im Tagebau arbeiteten. Hinzu kamen die Satellitenbetriebe. Heute arbeiten in der Maxhütte noch zwischen 650 und 680 Arbeitnehmer. Die Wende hat einen ziemlichen Knick mit sich gebracht.

 

Sie sind Vorsitzender des Kamsdorfer Vereins zur Pflege der Bergbau-tradition. Worin bestehen die Bergbautraditionen in Kamsdorf?
Zuerst einmal ist der Bergbau an sich hier Tradition, weil er über Jahrhunderte die Lebensgrundlage für die Bewohner gebildet hat. Aber auch die einzelnen Bergbautraditionen wollen wir aus der Versenkung holen. Mit dem Wechsel in die DDR waren viele alte Traditionen nicht gewünscht. Man hat versucht, diese alten Zöpfe abzuschneiden und neue Traditionen zu installieren. Da ist sehr viel Bergbaugeschichte vergessen worden. Hier hat man z. B. den Barbaratag, der wichtigste Fest- und Feiertag der Bergleute am 4. Dezember, kurzerhand abgeschafft. Daraus wurde in der DDR der Tag des Bergmanns, der am ersten Sonntag im Juli stattfand. Wir feiern heute wieder den traditionellen Barbaratag am 4. Dezember.
Wir versuchen, die Bergbautätigkeit in Kamsdorf durch die Anlegung unseres Besucherbergwerkes und eines über tägigen Montanlehrpfades entlang von Bergbauzeugen wieder in das Bewusstsein der Gesellschaft zu rücken. Was wir noch nicht geschafft haben, mir aber am Herzen liegt, ist das Wiederaufleben einer Bergmannsblaskapelle und eines Bergmannsgesangsvereines. Darüber hinaus unterstützen wir auch befreundete Traditionsvereine und im Rahmen unserer Zugehörigkeit zum Landesverband der Bergmanns-, Hütten- und Knappenvereine nehmen wir in unseren traditionellen Bergkitteln an Veranstaltungen auf Landes-, Bundes- und Europaebene teil.

 

Was erlebt man bei einer Führung in den Vereinigten Revieren Kamsdorf?
Eine Führung dauert zwischen einer und drei Stunden – je nach Interesse und Beziehung zum Bergbau. Wir sind hier bemüht, die Grube den Besuchern nahezubringen. Man sieht hier den Bergbau der letzten 350 Jahre. Das geht zurück bis zum Kupfer- und Silbererzbergbau. Man sieht auch den Eisenerzabbau, der sehr selektiv stattgefunden hat, auf der dritten Sohle, also im unteren Bereich der Lagerstätte. Und dann haben wir noch einen Bereich, in dem 1944/45, das heißt im Dritten Reich, versucht wurde, Rüstungsproduktion nach unter Tage zu verlagern. In diesem Teil sollte ein Betrieb zur Fertigung von Düsentriebwerken für die Messerschmitt Me 262 entstehen. Das ist aber nicht mehr produktionswirksam geworden. Die Geologie, die Lagerstättenentstehung sowie Abbautechniken werden auch vermittelt. Angefangen vom Bohren der Sprengbohrlöcher von Hand, mit einem Bohrmeißel und einem Schlegel. Erst 1917 ist Pressluft in die Grube eingebracht worden.

 

Vielen Dank.

 

Der Beitrag ist zuerst in Politik & Kultur 5/20 erschienen.

Werner Groll & Theresa Brüheim
Werner Groll ist Vorsitzender des Kamsdorfer Vereins zur Pflege der Bergbautradition. Theresa Brüheim ist Chefin vom Dienst von Politik & Kultur.
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