„Film kann Heimat und Verständnis schaffen“

Das Festival Biennale Bavaria International zeigt Neue Heimatfilme

 

Günther Knoblauch: Durch die Globalisierung ist der Wunsch, dort, wo ich lebe, Rückhalt zu bekommen und das im täglichen Leben umsetzen zu können, größer geworden. Denn viele Menschen fühlen sich nicht mehr verstanden. Früher hieß es: „Mein Chef versteht mich, der kümmert sich um uns. Die Politik versteht schon was. Meine Partei weiß, was los ist.“ Inzwischen heißt es, dem Chef ist es vollkommen egal. Hauptsache, er verdient sein Geld. Politik versteht manchmal nicht, um was es bei Heimat geht.
Daraus ergibt sich die Gefahr, dass die Sehnsucht nach Heimat und verstanden werden von populistisch-nationalen Bewegungen besetzt wird. Umso wichtiger ist es, in Neuen Heimatfilmen Situationen darzustellen, die zeigen, dass auch von anderer Seite verstanden wird, um was es geht. Film kann da Heimat und Verständnis schaffen, wo es manchmal fehlt. Denn der Neue Heimatfilm schließt auch fremde Kulturen nicht aus.

 

Brüheim: Ein Festival in der Region macht bei dem Thema Heimatfilm Sinn, ist sicher aber eine große logistische Herausforderung. Wie gehen Sie diese an?
Syr: Wir beziehen für das Festival die gesamte Planungsregion 18 im südostbayerischen Raum ein. Dazu zählen als Festivalorte Mühldorf am Inn, Waldkraiburg, Altötting, Burghausen, Trostberg, Wasserburg und Haag in Oberbayern. Die Absprachen mit den Kommunen sind sehr gut gelungen. Wir haben diese nämlich gebeten, das Festival mitzufinanzieren, was sie auch tun. Die Details organisieren wir gerade. Ein Filmfestival in einer ganzen Region ist neu. Denn bisher hat niemand ein Filmfestival in der Region gemacht. Das ist wirklich ein logistisches Problem.
Aber es bietet viele Vorteile – nicht nur was die Publikumsansprache betrifft. Für das Genre des interreligiösen Films bietet sich großartigerweise als Festivalort der Wallfahrtsort Altötting an. Wann ist so etwas schon einmal möglich: interreligiöse Filme im Wallfahrtsort! Wir arbeiten dort mit der katholischen Diözese zusammen, aber auch mit der evangelischen Landeskirche. Kontakt möchten wir gern noch zu islamischen und jüdischen Einrichtungen aufbauen. Wir wollen diesen Bereich in das Festival integrieren, da wir denken, dass Religion für viele Menschen Heimat ist. Da fühlen sie sich geborgen, das brauchen sie. Dem muss man Rechnung tragen. Und da gibt es eine ganze Reihe spannender Filme und Diskussionen.

 

Knoblauch: Wenn wir über ein Festival in Bayern sprechen, ist es uns wichtig zu betonen, dass es kein bayerisches Filmfestival ist. Wir sind im Kontakt mit Österreich, mit Südtirol. Nehmen Sie z. B. das Burghausener Jazzfestival, das ist ein Weltfestival in einer Kleinstadt. Das wollen wir auch schaffen. Dabei werden wir von der Festivalstadt Burghausen unterstützt. Wir wollen das Gefühl für Heimat mit weltoffener Freiheit etablieren, denn das finden wir fantastisch.

 

Brüheim: Wir sprechen direkt über Ihre Planungen. 2020 soll die erste Biennale Bavaria International stattfinden. Was steht bis dahin noch an?
Knoblauch: Wir suchen gerade nach den entsprechenden Preisen oder deren Benennung. Mindestens wollen wir folgende Preiskategorien auszeichnen: Bester Spielfilm, Bester Dokumentarfilm, Publikumspreis, Beste/r Schauspieler/in. Wir hoffen auch auf gestiftete Spezialpreise. Da sind wir sehr kreativ, aber wir sind unter Zeitdruck, weil wir im Oktober 2020 starten wollen. Danach soll die Biennale Bavaria International alle zwei Jahre durchgeführt werden. Das Bayerische Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat unterstützt uns. Ministerpräsident Markus Söder ist Schirmherr des Festivals. Die Bürgermeister der Festivalorte sind dabei. Wir haben mit den Landräten gesprochen, die unter bestimmten Umständen dabei sind. Die Bayerische Filmförderung hat gesagt: „Wir machen mit.“ Es gibt erste Sponsoren, sage ich mal vorsichtig. Bisher unterstützen uns die Volks- und Raiffeisenbanken als eine Regionalbank sehr.
Aber bei der Suche nach Sponsoren haben wir festgestellt, dass die gesellschaftspolitische Bedeutung von dem neuen Begriff Heimat noch nicht richtig in der Bürgerschaft angekommen ist. Früher spielte beim Sponsoring das Gesellschaftspolitische eine Rolle. Das hat sich viel zu sehr gewandelt in überwiegende marktwirtschaftliche Überlegungen. Sponsoring muss sich bezahlt machen. Für uns ist es momentan ein gewisses Problem, größere Partner zu finden, die sagen: „Das ist so ein wichtiges Thema, da bin ich als Firma oder Organisation aufgerufen mitzumachen und meinen Beitrag zu leisten, weil das darf nicht in eine falsche Richtung gehen, was zu Heimat gehört.“ Und dieses weltoffene Leben in einer Gegend, in der ich mich auskenne, ist eigentlich der Neue Heimatfilm. Das kann auch touristisch für Deutschland interessant sein.
Dankbar sind wir für unsere prominenten Unterstützer: Mit dabei sind unter anderem Schauspieler und Kabarettisten wie Lisa Fitz, Ottfried Fischer, Karl Merkatz, Werner Schmidbauer, Johanna Bittenbinder, Heinz Joseph Braun und Helmfried von Lüttichau.

 

Brüheim: Zwei Punkte habe ich in unserem Gespräch immer wieder rausgehört. Das ist zum einen der Austausch mit anderen über den Heimatbegriff und zum anderen die Darstellung einer mit Heimat verknüpften modernen Weltoffenheit. Sind das Ziele des Festivals? Oder streben Sie anderes an?
Knoblauch: Beides ist uns wichtig, aber wir wollen eine realistischere Heimat zeigen.

 

Syr: Vor allem wollen wir den Zuschauern Türen und Sichtweisen eröffnen. Nehmen Sie z. B. die Stadt Waldkraiburg in der Nähe von Mühldorf am Inn. Diese Stadt gab es Anfang des 20. Jahrhunderts noch nicht. Sie wurde nach dem Krieg von Flüchtlingen gegründet. Heute zählt sie knapp 25.000 Einwohner. Viele stammen von Flüchtlingen ab und Waldkraiburg hat einen AfD-Wähleranteil von knapp 20 Prozent.
Ich denke, dass Film für solche Leute, die zweifeln, die unsicher sind, die Ängste haben, eine gute Möglichkeit ist, sich damit auseinanderzusetzen.

 

Brüheim: Da wären wir bei der Zielgruppe. An wen soll sich Ihr Festival richten?

Knoblauch: An alle. Jung, alt – einfach alle.

 

Syr: Für junge Leute planen wir die Sektion „Heimat on YouTube“. Viele junge Leute gehen nicht mehr ins Kino und sie schauen schon gar keine Fernsehsendungen. So möchten wir jüngere Generationen ansprechen, die Heimat toll finden.

 

Vielen Dank.

 

Dieses Interview ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 03/2019.

Günther Knoblauch, Peter Syr & Theresa Brüheim
Günther Knoblauch ist stellvertretender Landrat des Landkreises Mühldorf am Inn und erster Vorsitzender des Vereins Biennale Bavaria International. Zuvor war er Bürgermeister von Mühldorf am Inn und Abgeordneter der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag. Peter Syr ist Ausstellungsmacher, Kulturmanager und Grafik-designer. Er leitet die Biennale Bavaria International. Theresa Brüheim ist Chefin vom Dienst von Politik & Kultur.
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