Ist der Protest gegen TTIP antiamerikanistisch?

Einer der regelmäßigen Vorwürfe der Befürworter des Freihandelsabkommens zwischen Amerika und Europa an die TTIP-Kritiker ist, dass es sich bei den Protesten nur um einen altbekannten antiamerikanischen Reflex handle. Der Antiamerikanismus-Vorwurf gehört zu den „Totschlagargumenten“, gegen die man sich nur schwer wehren kann. Ich erzähle als Reaktion meistens, dass ich, bevor ich Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates wurde, Kunsthändler war und selbstverständlich auch mit US-Galerien und amerikanischen Sammlern Geschäfte gemacht habe und der Antiamerikanismus-Vorwurf an meine Adresse deshalb Unsinn sei.

 

Doch eigentlich ist das eine reine Schutzbehauptung, denn die TTIP-Befürworter haben recht, im Kern sind zumindest meine Argumente auch antiamerikanisch. Ich habe die Sorge, dass der amerikanische „Way of Life“ noch mehr und noch schneller alle unsere Lebensbereiche überwuchern wird. Die kulturelle Dominanz der USA hat in den letzten Jahren noch einmal weltweit zugenommen. Ein Blick in unser Fernseh-Serien-Programm ist genauso eindeutig wie ein Kinobesuch oder das Hineinhören in die internationalen Musikcharts. Dabei ist es, bleibe ich im Filmbereich, schon längst nicht mehr erforderlich, dass amerikanische Filmmultis die Streifen selbst drehen. Die amerikanischen Heldengeschichten sind längst zum Weltkulturerbe geworden und werden zumindest in der westlichen Welt oftmals kritiklos adaptiert.

„Die kulturelle Dominanz der USA hat in den letzten Jahren noch einmal weltweit zugenommen.“

Die amerikanische kulturelle Überlegenheit hat wohlklingende Namen wie Warner Bros, Columbia Pictures, Walt Disney Motion Pictures Group, Paramount Pictures, 20th Century Fox, Universal Studios, aber auch Google, Eletronic Arts und Amazon.

 

Der Widerstand gegen TTIP ist auch ein Widerstand gegen eine dominierende Kultur, die dabei ist, die Vielfalt der Kulturen nachhaltig zu zerstören. Deshalb haben die Kanadier die Konvention Kulturelle Vielfalt als internationales Schutzinstrumentarium erfunden und daher hat die US-amerikanische Regierung diese nie ratifiziert.

 

Es handelt sich aber nicht um eine klassische Form des Kulturimperialismus, denn Amerika will die Kultur nicht weltweit dominieren, weil es von der Überlegenheit seiner Kultur überzeugt wäre, nein, es geht nur ums Geschäft.

 

Kulturelle Dominanz ist die Voraussetzung für den flächendeckenden Zugang zum Weltmarkt. Vielfalt ist geschäftsschädigend! Deshalb ist den USA die Liberalisierung der Kultur- und Medienmärkte im TTIP so wichtig. Und deshalb ist der Widerstand gegen TTIP auch antiamerikanistisch – notwendigerweise.

Olaf Zimmermann
Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates und Herausgeber und Chefredakteur von Politik & Kultur.
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