Vertrauen, Zutrauen, Selbstvertrauen

Für Annelie Mattheis ist das Mentoring-Programm Sinnbild für Solidarität

Das Mentoring-Programm kam für mich genau zum richtigen Zeitpunkt. Als ich mich bewarb, hatte ich gerade meine Stelle als Festival-Leiterin der Baden-Württembergischen Theatertage angetreten. Nach zehn Jahren als Schauspiel-Dramaturgin hinter den Kulissen lagen nun viele neue, spannende Aufgaben im Rampenlicht vor mir. Und damit auch vieles, was ich zum ersten Mal machte. Fragen zur Mitarbeiterführung, zur Budgetverwaltung oder zu privaten Facebook-Anfragen von Lokalpolitkern gab es da ebenso zu besprechen wie den Umgang mit Kooperationspartnern. Es waren meine ersten Schritte in eine Führungsposition und sie fühlten sich gut an. Begleitet wurde ich dabei von meiner Mentorin Marjorie Berthomier, der Generalsekretärin der Deutsch-Französischen Hochschule.

 

Das Mentoring-Programm zeigte Früchte, als ich drei Tage vor Drucklegung meines Festivalprogrammbuchs das komplette Design über den Haufen warf und zwölf Seiten kürzte. Das sorgte durchaus für Aufruhr in meinem Team. Aber ich hatte diese Entscheidung wohlüberlegt getroffen und habe sie verteidigt. Als mir meine Mentorin bestätigte, dass ihr das neue Design auch viel klarer vorkomme und besser gefalle, war ich mir endgültig sicher, das Richtige getan zu haben.

 

Neue Aufgaben und Herausforderungen im Job standen bei unseren Mentoring-Gesprächen in Berlin, Hamburg und Neustadt an der Weinstraße genauso auf dem Programm wie die perspektivische Karriereplanung. Wo sehe ich mich in fünf Jahren, welche Kompetenzen muss ich erwerben, um dorthin zu kommen. Meine Mentorin half mir z. B. auch, meinen Ärger nach einem Vorstellungsgespräch, in dem ich mich ungerecht behandelt fühlte, positiv zu nutzen. Sie half mir zu verstehen, was genau mich ärgerte und wie ich daraus lernen konnte. Denn was ich nicht wollte, war mir ziemlich klar. Daher war die Ableitung, was ich beruflich wirklich wollte, gar nicht so schwer. Ich hatte zum ersten Mal den Mut, Jobangebote abzulehnen und nehme mir aktuell die Zeit, zu prüfen, wo, mit wem und wie ich als Nächstes arbeiten möchte. Ich habe mich intensiv mit „agilem Management“ beschäftigt. Und damit auch mit der Frage, wie der Kultursektor kooperativer und mitarbeiterfreundlicher werden kann. Dass ich mir die Zeit dafür nehme, wurde durch das Vertrauen möglich, das mir durch das Mentoring-Programm und durch meine Mentorin entgegengebracht wurden. Marjories Vertrauen in meine Person hat mir Mut gemacht. Und so wurde aus Vertrauen Zutrauen – und letztlich ganz selbstverständlich Selbstvertrauen.

 

Das Mentoring-Programm ist für mich ein ideales Beispiel dafür, wie Hie­rarchien überwunden werden können. Für eine Unterstützung, die kein Oben und kein Unten kennt. Ein gelungenes Beispiel für ein wahres Zusammen und Gemeinsam! Es ist für mich ein Sinnbild der Solidarität. Der Solidarität von Frauen mit Frauen. Der Solidarität mit einer neuen Generation.

 

Zum Schluss noch ein wertvoller Tipp von meiner Mentorin, den ich gern teilen möchte: Sie riet mir, jeden Tag etwas Unnützes zu tun, also etwas, das Spaß macht und bei dem man von Herzen lachen muss. Das sei der beste Trick gegen Burn-out. Ich habe es ausprobiert, es funktioniert gut.

 

Diese Rede wurde im Rahmen des Netzwerktreffens des Mentoring-Programms „Frauen in Kultur und Medien“ am 1. Oktober 2019 gehalten.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 11/2019.

Annelie Mattheis
Annelie Mattheis ist Veranstaltungsmanagerin und Teilnehmerin des Mentoring-Programms des Deutschen Kulturrates.
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