Im SALOON

Austausch in der Berliner Kunstszene

SALOON vernetzt Frauen, die in den Kunstszenen von Berlin, Brüssel, Dresden, Hamburg, Paris und vielen Städten mehr als Kuratorinnen, Künstlerinnen oder Journalistinnen sowie in Galerien, Museen oder Universitäten arbeiten. Dabei soll mehr Sichtbarkeit für weibliche Protagonistinnen in der Kunstszene geschaffen und andere Formen der Zusammenarbeit angestoßen werden. Die Kuratorin und Autorin Tina Sauerländer hat den SALOON vor sechs Jahren gegründet. Cornelie Kunkat spricht mit ihr über das gemeinnützige Netzwerk für Kulturschaffende.

 

Cornelie Kunkat: Frau Sauerländer, Sie haben bereits 2012 ein Netzwerk für Frauen, die in der Berliner Kunstbranche arbeiten, ins Leben gerufen, den SALOON. Was hat Sie hierzu veranlasst?
Tina Sauerländer: Der SALOON dient Akteurinnen der Berliner Kunstszene zum Austausch und zur Vernetzung. Bei der Gründung ging es mir darum, Sichtbarkeit für Frauen untereinander zu schaffen, denn nur wenn man voneinander weiß, kann man sich gegenseitig stärken. Daraus entstehen gemeinsame Ausstellungen und Projekte, die die Präsenz und Anzahl von weiblichen Positionen in der Kunstszene erhöhen. In einer noch immer sehr patriarchal geprägten Kunstszene ist es wichtig, dass Frauen selbstbewusst auftreten und mit Ausstellungen sichtbar sind. Für uns ist es notwendig, daran zu arbeiten, dass die heterosexuelle männliche Perspektive nicht als einzig mögliche und gesamtgesellschaftlich gültige wahrgenommen wird, sondern dass sie eine von vielen diversen Perspektiven ist, die unsere Gesellschaft prägen sollten.

 

Hat sich die Ausrichtung Ihres SALOONS seitdem verändert? Sind neue Themen hinzugekommen?
In den vergangenen Jahren hat sich der SALOON von einem privaten Club hin zu einem offenen Netzwerk entwickelt. Auf der Webseite saloon-berlin.de stellen wir uns und unsere Mitglieder vor. Jede und jeder kann mit uns in Kontakt treten. Neben den regelmäßig stattfindenden internen Treffen organisieren wir öffentliche Events, die frei zugänglich sind. Dazu gehören Ausstellungen, Sommerfeste oder Treffen auf dem Weihnachtsmarkt genauso wie die Vortragsreihe „Why Have There Been No Great Women Artists?*“, bei der SALOON-Mitglieder aus verschiedenen Städten in Berlin weibliche Persönlichkeiten im Kunstbetrieb vorstellen und ihnen so zu mehr Öffentlichkeit verhelfen.

 

Wie man auf Ihrer Webseite sehen kann, gibt es den SALOON nicht nur in Berlin, hier war der Ausgangspunkt, sondern auch in Brüssel, Dresden, London, Hamburg, Paris und Wien. Geht es in diesen einzelnen Städten eher um eigene Netzwerke oder liegt die Hauptzielrichtung auf dem Austausch zwischen diesen Kunstzentren?
Es geht um beides. Der SALOON vernetzt sich lokal und global. In den kommenden Monaten gründen sich SALOONs in weiteren Städten auch außerhalb Europas. In jeder Stadt gibt es ein Leitungsteam, das den regelmäßigen Austausch der Mitglieder vor Ort organisiert. Gemeinsam arbeiten wir an einer internationalen Vernetzung. Mit dem SALOON Exchange Programm reisen Mitglieder in andere SALOON-Städte und nehmen dort an einem breit gefächerten, auch öffentlich zugänglichen Programm teil. Wir organisieren städteübergreifende Projekte und Ausstellungen und nutzen Online-Tools für den Austausch aller Mitglieder. Jedes Mitglied kann an den Treffen in den anderen Städten teilnehmen.

 

Unterscheiden sich die genannten Orte, bzw. zugehörigen Länder, in Bezug auf Erfolge in der Geschlechtergerechtigkeit der jeweiligen Kunstszene?
Ja. Diese Erfahrung mache ich im Austausch mit den SALOON-Leitungsteams oder potenziellen neuen Gründerinnen immer wieder. Jede Stadt, jedes Land ist unterschiedlich. So schlugen meine Versuche, in Helsinki einen SALOON zu etablieren, bislang fehl, weil die Akteurinnen in der dortigen Kunstszene gut vernetzt sind und sehr viele der Leitungspositionen in der Kunstbranche innehaben. In osteuropäischen Ländern ist der Wunsch nach einem Netzwerk für Frauen sehr groß, aber genauso auch die Sorge, sich innerhalb der politischen Strukturen durchsetzen zu können oder auf gesellschaftliche Akzeptanz zu stoßen. Alle vereint uns der Wunsch nach gesellschaftlicher Veränderung. Nach mehr Sichtbarkeit und Akzeptanz weiblicher Positionen, Bedürfnisse und Verhaltensweisen.

 

Könnten Sie Erfolge oder gelungene Strategien in puncto Geschlechtergerechtigkeit benennen?
Grundsätzlich stelle ich persönlich immer wieder fest, dass der Schlüssel zur Verbesserung der Geschlechtergerechtigkeit darin liegt, Frauen zu bestärken, ihren eigenen Weg zu gehen. Dies fällt oft schwer, weil der nötigen Durchsetzungsfähigkeit traditionell weibliche Tugenden auch heute noch oft unterbewusst im Weg stehen. Wer nur „lieb und nett“ sein will, kommt nicht weiter. Die Führungspositionen sind schließlich begrenzt. Hierbei geht es nicht um Ellbogenmentalität, sondern darum, sich als Frau der Schuldgefühle zu entledigen und einzufordern, was man anstrebt. Leider verkaufen sich viele Frauen immer noch unter Wert, weil sie vorwegnehmen, was das Gegenüber denken könnte, anstatt erst mal selbst zu überlegen: Was will ich eigentlich? Das sollte der Ausgangspunkt für jede Verhandlung sein.

 

Was sind Ihre Ziele für die kommenden Jahre?
Ein persönliches Anliegen für den SALOON ist die Vernetzung mit ost-europäischen Städten sowie Orten außerhalb der westlich geprägten internationalen Kunstszene, z. B. in Asien, dem südamerikanischen und afrikanischen Kontinent. Gen Westen wächst der SALOON aufgrund der stark vorangeschrittenen Vernetzung in sozialen Medien leichter. Deshalb möchte ich bewusst die Vernetzung mit Orten vorantreiben, die nicht so leicht zugänglich sind. Wir werden uns in den kommenden Jahren verstärkt für eine diversere Gesellschaft innerhalb und außerhalb der SALOON-Gemeinschaft einsetzen. Hier möchten wir einen nachhaltigen Beitrag leisten.

 

Vielen Dank.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 10/2019.

Tina Sauerländer und Cornelie Kunkat
Tina Sauerländer ist Gründerin des SALOON und Mitbegründerin der Ausstellungsplattform "peer to space" und der Rechercheplattform "RadianceVR.org". Cornelie Kunkat ist Referentin für Frauen in Kultur und Medien beim Deutschen Kulturrat.
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