Die Wiederauferstehung der Kurzgeschichte

Zur Zukunft des südafrikanischen Schreibens

Als ich in meinen späten Teenagerjahren anfing zu schreiben, galt mein Interesse bevorzugt der Lyrik und den Kurzgeschichten. Unerfahren, kaum belesen und noch ungebildet, dachte ich, Gedichte und Kurzgeschichten zu schreiben sei einfacher. Auf den ersten Blick war dies wahr. Ich konnte innerhalb weniger Stunden über die Seite rasen, alles aufschreiben, was ich mitteilen wollte, und die Geschichte an eine Redaktion schicken. Gleichzeitig kam mir das Schreiben eines Romans wie der Versuch vor, einen Elefanten mit bloßen Händen zu töten. Zu einschüchternd.

 

Meine Liebe zur Poesie vertiefte sich, als ich im Alter von 16 Jahren einige meiner Gedichte in „Upbeat“ veröffentlichen konnte. Obwohl es sich um ein Schülermagazin handelte, hatte es eine stark links-politische Ausrichtung. Die veröffentlichten Gedichte waren wütende Zeugnisse von Polizeigewalt und anderer Verbrechen, die der rassistische Apartheidstaat gegenüber Schwarzen verübte.

 

Nach Veröffentlichung meiner ersten beiden Gedichte wurde ich ermutigt, weitere einzureichen. So sehr ich mich auch darüber freute, meinen Namen gedruckt zu sehen, wurde ich doch das Gefühl nicht los, dass das, was das Magazin veröffentlicht hatte, nur eine Sammlung politischer Slogans war, die fein säuberlich in Strophen arrangiert waren.

 

Ich muss zu meiner Verteidigung sagen, dass ich zu diesem Zeitpunkt zu jung und arm war, um Joseph Conrads Worte über erfolgreiches Prosaschreiben gelesen zu haben, der in etwa sagte: Der künstlerische Anspruch, sich in geschriebenen Worten auszudrücken, muss sein, die Sinne anzusprechen, wenn der hohe Wunsch darin besteht, die geheime Quelle ansprechender Emotionen zu erreichen … Meine Aufgabe, die ich zu erreichen versuche, ist, Sie durch die Kraft des geschriebenen hören zu lassen, fühlen zu lassen – Sie vor allem sehen zu lassen. Das ist alles, nicht mehr.

 

Obwohl ich diese Worte nicht kannte, hatte ich instinktiv das Gefühl, dass meine Stärke im Schreiben von Kurzgeschichten lag. Ich vermutete, dass die Kurzgeschichte mir eine bessere Bühne bieten würde, um langsam die ästhetische Seite des Schreibens zu erkunden. Ich liebte Charaktere, Situationen, Konflikte. Ich liebte das Geschichtenerzählen.

 

Mit 20 Jahren wurde ich von „Staffrider“ veröffentlicht, einer renommierten Literaturzeitschrift, die die Werke von Literaturgiganten wie Nadine Gordimer, Chris van Wyk, Alex La Guma und Njabulo Ndebele veröffentlichte. „Staffrider“ konfrontierte mich mit Debatten darüber, welche Kunstform am besten zu jenen Zeiten in Südafrika passte. Es schien einen wachsenden Konsens darüber zu geben, dass Poesie aufgrund ihrer Unmittelbarkeit und ihrer inhärenten Fähigkeit, in einer Sprache zu sprechen, die sich der Zensur der Apartheid entziehen konnte, am besten funktionierte. Erst im Laufe der Zeit stellte sich die Kurzgeschichte als eine wirkungsvollere Methode dar, um die Schrecken der Zeit zu dokumentieren. Um diese Zeit wurden eine Reihe von Anthologien veröffentlicht. Zusätzlich zu „Staffrider“ und dem hochkarätigen „Contrast“, das etablierte Autoren veröffentlichte, begannen kommerzielle Zeitschriften wie „Drum“, „Sales House Club“, „Tribute“, „Cosmopolitan“ und andere damit, Kurzgeschichten sowohl von etablierten als auch von Amateurautoren zu veröffentlichen. Ich habe viele Geschichten in diesen Magazinen veröffentlicht, als ich noch in meinen Zwanzigern war.

In den 1990er Jahren ging „Staffrider“ dann unter. Nach und nach hörten kommerzielle Zeitschriften auf, Kurzgeschichten zu veröffentlichen. In den 2000er Jahren gab es in Südafrika keine Plattformen für Autoren von Kurzgeschichten. Aus dieser traurigen Entwicklung schlossen etablierte Buchverlage, dass es keinen Markt für Kurzgeschichten gebe und hörten ganz auf, sie zu veröffentlichen. Nur Autorinnen wie Gordimer brachten hin und wieder eine Kurzgeschichtensammlung heraus.

 

Es war frustrierend und entmutigend für einen jungen Schriftsteller, der immer noch versuchte, seine Stimme zu finden. Für mich – und ich nehme an, ich spreche für viele junge Autoren – war der Roman als Genre zu einschüchternd.

 

Als ich in späteren Jahren Vertrauen in mein Schreiben gewann und erste Langfassungen veröffentlichte, wurde mir klar, wie schwierig es war, eine gute Kurzgeschichte zu schreiben. Es war schließlich William Faulkner, der sagte: „Ein Romanautor ist ein gescheiterter Kurzfilm-Geschichtenschreiber, und ein Kurzgeschichtenschreiber ist ein gescheiterter Dichter.“

 

Erst mit der Gründung des SA/PEN HSCB-Kurzgeschichtenwettbewerbs Mitte der 2000er Jahre begann das, was als Wiederauferstehung der südafrikanischen Kurzgeschichte bezeichnet werden kann. Zu den ersten Gewinnerinnen dieser Auszeichnung, in deren Jury J.M. Coetzee saß, gehörte Henrietta Rose-Innes, die heute eine der angesehensten Romanautorinnen Südafrikas ist.

 

Die besten Beiträge dieses Wettbewerbs wurden später in Anthologien zusammengestellt, die jährlich veröffentlicht wurden. Diese erregten sowohl in der Wissenschaft als auch in der Leserschaft im Allgemeinen viel Aufmerksamkeit. Der SA/PEN HSCB-Wettbewerb vermittelte sowohl Autoren als auch Verlegern eine Botschaft: Es gibt in der Tat einen Markt, der nach Kurzgeschichten in Südafrika verlangt.

 

Als der HSCB-Wettbewerb aufgrund fehlender Finanzierung eingestellt wurde, übernahmen andere Personen und Organisationen den Staffelstab. Es entstanden jährliche Kurzgeschichtenwettbewerbe – einige davon in Online-Magazinen, andere finanziert von Organisationen wie dem National Arts Festival an der Rhodes University in Grahamstown. Hier sei auf die „Short Sharp Stories Competition“, die von der Autorin Joanne Hichens ins Leben gerufen wurde, verwiesen.

 

Ein weiterer berühmter Wettbewerb ist der „Short Story Day Africa“-Wettbewerb, der weiterhin jährlich vergeben wird. Die besten Einsendungen zu diesem Wettbewerb werden in einer Anthologie veröffentlicht, die ein oder zwei Jahre lang gemeinsam mit dem in Großbritannien ansässigen Magazin „New Statesman“ herausgegeben wurde.

 

Etablierte Literaturpreise – bisher die Domäne von Romanautoren und Autoren langer Sachbücher – schaffen Platz für Kurzgeschichten. Der jährliche „UJ Award“ hat im Laufe der Jahre eine Reihe von Preisen an Einzelautoren und deren Sammlungen von Kurzgeschichten verliehen, ebenso das nationale Institut für Geistes- und Sozialwissenschaften. Eine Reihe von Buchclubs und Autorenzusammenschlüsse veranstalten eigene jährliche Kurzgeschichtenwettbewerbe.

 

Dank all dieser vielseitigen Initiativen sind auch Mainstream-Buchverlage endlich zu der Erkenntnis gelangt, dass die Kurzgeschichte finanziell tragbar ist. Einer der aktivsten – wenn nicht sogar der aktivste – Verlag in dieser Hinsicht ist „Kwela Books“ mit Sitz in Kapstadt.

 

Beispielsweise hat Niq Mhlongo, einer der bekanntesten Schriftsteller des Landes, zusammen mit Kwela zwei Kurzgeschichtensammlungen veröffentlicht: „Affluenza“ (2016) und „Soweto, Under the Apricot Tree“ (2018). Als Herausgeber wurde Mhlongo von Jacana Media beauftragt, zwei Anthologien herauszubringen – „Joburg Noir“ (2020) und „Hauntings“ (2022). Die beiden Anthologien bringen mehr als 20 Schriftsteller aus verschiedenen Teilen des Landes, aus verschiedenen Generationen und Race-übergreifend zusammen.

 

Aufgrund seiner Geschichte ist Südafrika ein rassistisch gespaltenes Land. Dieser Rassismus spiegelt sich sogar in der Literatur wider: Es gibt immer noch ein Gefühl von „weißem Schreiben“ versus „Schwarzem Schreiben“.

In akademischen Kreisen wird die Rolle der Kurzgeschichte bei der Überwindung dieser Kluft diskutiert. Der Autor und Kritiker Craig MacKenzie sagt, dass die Kurzgeschichte in Südafrika „eine Renaissance erlebt (…) und die Anzeichen sprechen dafür, dass die Form dazu bestimmt ist, Südafrikas Zukunft fiktional verankert mit zu gestalten.“

 

Beim Lesen von Kurzgeschichten, die heute erscheinen – in Online-Magazinen, in jährlichen Anthologien, in Sammlungen einzelner Autoren – entwickelt sich mein großes Vertrauen in die Zukunft des südafrikanischen Schreibens, und das Genre der Kurzgeschichte wird hier die Führung übernehmen.

 

Aus dem Englischen übersetzt von Stefanie Hirsbrunner

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 05/22.

Fred Khumalo
Fred Khumalo ist promovierter Journalist, Essayist und Schriftsteller und lebt in Johannesburg, Südafrika. Seine Kurzgeschichtensammlung „Talk of the Town“ gewann 2020 den Nadine Gordimer Short Story Award.
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