Dynamische Entwicklungen

Deutsch-iranischer akademischer Austausch

Seit der Amtsübernahme Hassan Rohanis 2013 und dem daraufhin erzielten Atom-Deal ist Iran nicht nur in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht auf die Weltbühne zurückgekehrt – auch gab die im Sommer 2015 erzielte Vereinbarung den iranischen Hochschulen einen Schub, sich wieder verstärkt der internationalen Scientific Community zuzuwenden. In Deutschland wurde diese zunächst vorsichtige, doch dann schnell wachsende Öffnung vielerorts willkommen geheißen: „Wir erleben eine Aufbruchsstimmung“, sagt Joachim Posegga, Professor an der Universität Passau, der schon während der politischen Eiszeit immer gute Kontakte zu iranischen Kollegen pflegte.

 

Umso erstaunlicher, dass sein Bereich, die IT-Sicherheitsforschung, in diesen Zeiten international keine unproblematische Disziplin darstellt. Und seither sollte er Recht behalten: Mit den Parlamentswahlen sowie dem „Implementation Day“ Anfang des Jahres verstärkte sich dieser Trend, der sich jedoch, trotz aller Euphorie, in einem volatilen, geopolitisch äußerst schwierigen Umfeld behaupten muss.

 

Von Aufbruchsstimmung spricht auch Mahmoud Nili Ahmadabadi, Präsident der iranischen „Mutter-Universität“, der Universität Teheran. Internationalisierung ist eines der Kernthemen seiner Amtszeit, die er als erster gewählter Hochschulpräsident 2014 begann. Somit steht er für die Erkämpfung eines Mitspracherechts der akademischen Welt bei Schlüsselposten in der iranischen Gesellschaft. Er sieht Deutschland als einen Hauptpartner in den Internationalisierungsbemühungen seiner Hochschule und bekräftigt damit die vom iranischen Vizeminister für Hochschulpolitik, Salar Amoli, seit längerer Zeit proklamierte Marschrichtung, der zufolge Deutschland strategischer Partner Nummer 1 ist.

 

Die deutschen Hochschulen wie auch die gesamte Wissenschaftslandschaft genießen im Iran einen sehr guten Ruf, gibt es doch große Parallelen wie das Grundverständnis einer öffentlichen Finanzierung und mithin, zumindest für iranische Staatsbürger, keine Studiengebühren. Auch die Qualität und Einheit von Lehre und Forschung werden hochgeschätzt und, nicht zuletzt, die bereits bestehenden Kontakte, die unter anderem durch heute über 7.000 iranische Studierende und Forscher an deutschen Hochschulen bestehen.

 

Auch auf deutscher Seite wächst das Interesse rasant: Hier wird ein Hochschulraum wiederentdeckt, der in puncto wissenschaftlicher Output-Leistung zu den stärksten in der gesamten MENA-Region, d. h. in Nahost und Nordafrika, zählt. Hochrangige Besuche aus deutschen Ministerien und Wissenschaftsorganisationen sind seit dem Nuklearabkommen regelmäßig erfolgt. Außenminister Steinmeier machte beim großen Alumnitreffen an der Uni Teheran Ende 2015 den Anfang. Ein Jahr später kam es direkt im Anschluss an den Besuch von Vizekanzler Gabriel, der mit einer 120-köpfigen Delegation aus der Wirtschaft anreiste, zu einem mehrtägigen Aufenthalt vom Staatssekretär des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) Schütte in Begleitung der Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Max-Planck- und der Fraunhofer-Gesellschaft, des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und der Leopoldina. Neue oder wiederbelebte Kooperationsvereinbarungen mit ihren Counterparts waren die Folge oder sind in der Pipeline. Da der iranische Hochschulsektor mit ca. 4,5 Millionen Studierenden zudem auch der regional größte ist und der iranische Arbeitsmarkt seit Jahren Schwierigkeiten damit hat, die Akademikerschwemme zu integrieren, knüpfte auch das Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) Kontakte und stellt seine Expertise unter anderem im Bereich Duales Studium zur Verfügung.

 

Der DAAD begann früh und pragmatisch, sich als Brückenbauer zu betätigen. Bereits seit den 1960er Jahren ermöglichte er Begegnungen und gemeinsame Forschung durch DAAD-Stipendien, die auch nach der Revolution 1979 – in politisch turbulenten Zeiten – Nachhaltigkeit bewiesen. 2002 war die Zeit gekommen, sich als Vor-Ort-Ansprechpartner mit einem Informationszentrum sichtbar aufzustellen, was jedoch in der Amtszeit Ahmadinedschads unterbrochen werden musste.

 

Zwei Jahre nach Unterzeichnung des „Memorandum of Understanding“ mit dem iranischen Wissenschaftsministerium 2012 konnte der DAAD sein Informationszentrum Teheran wiedereröffnen. Es fungiert seitdem als Dreh- und Angelpunkt für den wissenschaftlichen Austausch. Neben der Organisation von Stipendienauswahlen – pro Jahr fördert der DAAD insgesamt mehr als 600 iranische Studierende und Wissenschaftler – ist das Büro derzeit einzige Anlaufstelle im Wissenschaftsbereich.

 

Es informiert über den Hochschul­standort Deutschland und Kooperationsinteressen, organisiert Workshops und Konferenzen und hält enge Kontakte zu offiziellen Stellen, insbesondere zu relevanten Ministerien und den korres­pondierenden Förderorganisationen im Iran. In dieser Hinsicht spielt der DAAD auch die wesentliche Rolle im Bereich „Science Diplomacy“, die sich immer wieder als robuster und nachhaltiger Kommunikationskanal in politisch schwierigen Zeiten erwiesen hat und in Phasen der Annäherung schnell in der Lage war, umfassende Wissenschaftsbeziehungen zu reetablieren. Ein Beispiel hierfür ist das jüngst initiierte „German-Iranian Scholarship Programme“, partnerschaftlich finanziert vom iranischen Forschungsministerium und dem DAAD. Es soll bis zu 75 iranischen Doktoranden jährlich einen sechs- bis neunmonatigen Forschungsaufenthalt an Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Deutschland ermöglichen.

 

Herausforderungen für deutsche Hochschulen, insbesondere in Fragen von Hochschulprojekten oder -partnerschaften, liegen zum einen in der vergleichsweise hierarchischen Top-Down-Struktur des iranischen Hochschulwesens. Zum anderen müssen sich iranische Studierende und Wissenschaftler wie auch deutsch-iranische Hochschulkooperationen aufgrund der teilweise weiter existierenden internationalen Sanktionen nicht selten mit besonderen Herausforderungen auseinandersetzen: Internationaler Geldtransfer ist nicht möglich und auch die Visumsprozesse sind bürokratisch und langwierig. „Dennoch“, so Professor Saeed Balalaie, prominenter Biochemiker an der K.N. Toosi University of Technology und Wissenschaftsbotschafter der Alexander von Humboldt-Stiftung, „müssen wir jetzt loslegen, wir brauchen Institutspartnerschaften, Double Degree-Programme, wir brauchen gemeinsame Forschungsprojekte, die Aufbruchsstimmung muss jetzt verstetigt werden“.

 

Dieser Text ist zuerst in der Politik & Kultur 1/17 erschienen.

Frens Stöckel
Frens Stöckel leitet das DAAD-Informationszentrums in Teheran
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