Alles andere als ein Vergnügen

Die Auswirkungen des Brexit auf den Buchmarkt

 

Neben Rabe äußerte sich eine weitere deutsche Stimme besorgt. Als Axel Scheffler, Mitautor von „Der Grüffelo“, zum Auftakt der diesjährigen Verleihung der „British Book Awards“ als Illustrator des Jahres ausgezeichnet wurde, nutzte er die Gelegenheit für einen kraftvollen Angriff auf den Brexit, bei dem er den unsicheren Status von in Großbritannien lebenden EU-Bürgern wie ihm hervorhob. Er erhielt stehende Ovationen, was nicht nur die tief empfundenen Gefühle des literaturfreundlichen Publikums für seine leidenschaftlichen Äußerungen widerspiegelt, sondern auch zeigt, wie offen die britische Verlagslandschaft für Menschen aus anderen Ländern ist.

 

Viele größere britische Verlage machen sich Sorgen um die Zukunft ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus EU-Ländern. Außerdem wird viel darüber diskutiert, wie sich der Brexit auf das Lizenzgeschäft auswirken wird. Andrew Franklin, Geschäftsführer von Profile Books, äußerte sich gegenüber dem Magazin „The Bookseller“: „Europa ist unser größter Exportmarkt, und für uns sind exklusive europaweite Rechte ein zentrales Argument. In der Vergangenheit konnten britische Verlage als Teil eines einheitlichen Europas auf Ausschließlichkeit pochen.“ Fällt dieses Argument weg, so Franklin weiter, könne es Bestrebungen geben, den Markt vollständig zu öffnen – und viele in der Branche teilen seine Meinung.

 

Aber die Befürworter des Brexit, die „Leavers“, haben ebenfalls schlagkräftige Argumente auf ihrer Seite. Daniel Hannan, konservativer Abgeordneter im Europäischen Parlament, ist der Auffassung, Papier sei in der EU teurer als anderswo, da „die Überregulierung von Nutzholz durch Brüssel den Preis von Rohstoffen in die Höhe treibt“, und die Literaturagentin Diane Banks drängt die Branche darauf, die liberalen Argumente für ein Verlassen der EU anzuerkennen. Die Verlagsbranche sei „liberal, international orientiert, inklusiv und innovativ“, äußerte sie gegenüber „The Bookseller“. Sie glaubt, diese Qualitäten seien nicht mit einer Institution zu vereinbaren, die „undemokratisch, imperialistisch und von Großunternehmen vereinnahmt ist, mit der sich Angehörige wichtiger Teile der Bevölkerung – die Black, Asian oder Minority Ethnic Communities – nur schwer identifizieren können und die Schwellenregionen wie Afrika und Südamerika durch ihre gemeinsame Agrarpolitik aktiv behindert.“

 

Wie Sie sehen, kochen die Gefühle auf beiden Seiten hoch. Und gerade deshalb ist Kulturdiplomatie so bedeutsam. Ich glaube, dass die kulturellen Bindungen nach dem Brexit noch stärker werden. In unsicheren Zeiten ist das Bedürfnis nach persönlichen Begegnungen und Gesprächen stärker, und britische Verlage sind sich darüber bewusst, wie gut sich Buchmessen dazu eignen, Länder zusammenzubringen. Die Initiative „Market Focus“ der Londoner Buchmesse und das Ehrengastprogramm der Frankfurter Buchmesse sind ausgezeichnete Bühnen für das Verlagswesen und die Kultur anderer Länder und perfekte Beispiele für eine gelungene Kulturdiplomatie.

 

Verlegerinnen und Verleger sind immer und überall für ein Gespräch zu haben; und wenn die letzten Verhandlungen für den Abschied des Vereinigten Königreiches aus der EU abgeschlossen sein werden, wird es für sie noch mehr Gesprächsstoff geben. Hier bei der Londoner Buchmesse wollen wir diese Diskussionen mit unseren vielen Freunden aus der deutschen und der internationalen Verlagslandschaft aktiv gestalten. Wir freuen uns auf unser Wiedersehen in London kurz vor Eintreten des Brexit im kommenden Jahr, genau wie wir uns auf unsere Begegnung in diesem Jahr in Frankfurt freuen, wenn der Brexit noch in weiter Ferne liegt.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 05/2018.

Jacks Thomas
Jacks Thomas ist Direktorin der London Book Fair (LBF).
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