Motor der Integration

Deutsche Auslandsschulen sind globale Knotenpunkte der kulturellen Infrastruktur Deutschlands

Ungefähr 82.000 Schüler besuchen 140 anerkannte Deutsche Auslandsschulen in über 70 Ländern. 82.000 Schüler, die in der Welt zu Hause sind und doch eine nachhaltige Bindung zu Deutschland haben. 25 Prozent von ihnen führen als Kinder deutscher Experten die globale Verflechtung Deutschlands vor Augen und entwickeln in einem weltoffenen, von Vielfalt geprägten Umfeld kulturelle Intelligenz für eine enger vernetzte Welt. 75 Prozent dieser Schüler sind Kinder nichtdeutscher Eltern. Sie sind Ausdruck des ausgeprägten Begegnungscharakters der Deutschen Auslandsschulen, des hohen Ansehens deutscher Abschlüsse und des Vertrauens in deutsche Bildungsideale. Häufig gehen diese Kinder den langen, bis zu 15-jährigen Weg vom Kindergarten bis zum Abitur, angetrieben von dem Traum, in Deutschland zu studieren. Die 140 anerkannten Deutschen Auslandsschulen sind damit Knotenpunkte in der kulturellen Infrastruktur, deren Stärkung sich die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) auf die Fahnen geschrieben hat. Sie sind der Raum in dem sich Deutschland mit den Partnern in der Welt verbindet – langfristig, nachhaltig und von Generation zu Generation.

 

Die Zivilgesellschaft trägt die Deutschen Auslandsschulen
„Die Deutschen Auslandsschulen sind eine Bürgerinitiative“, mit diesen Worten stellte einmal der ehemalige Vorsitzende des Unterausschusses für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, Peter Gauweiler, den Charakter der Deutscher Auslandsschulen als Teil der Zivilgesellschaft fest. Denn: Deutsche Auslandsschulen werden durch Bund und Länder gefördert und sind gleichwohl frei getragen. Die fast ausschließlich als Elternvereine organisierten Schulträger erreichen einen Autonomiegrad, der beispielhaft im Vergleich zu den Verhältnissen an Schulen im Inland ist. Mit den erwirtschafteten Schulgeldern werden drei Viertel der Lehrkräfte direkt von den Schulträgern bezahlt und im Durchschnitt 70 bis 80 Prozent der Schulhaushalte gedeckt. Dieser Eigenanteil der Schulträger, die durch den Weltverband Deutscher Auslandsschulen vertreten werden, ist wichtig für die Qualität der Deutschen Auslandsschulen. Bereits 2013 wies der Bericht zur Auswärtigen Bildungspolitik den Beitrag der freien Träger mit 427 Millionen Euro, das sind 71 Prozent, aus. Abgeleitet aus den oben genannten Schülerzahlen, wird ein Viertel dieser Beiträge von den weltweit operierenden deutschen Firmen, die ihre Mitarbeiter ins Ausland entsenden, aufgebracht. Drei Viertel dieser weltweiten Beiträge kommen direkt aus den privaten Haushalten der Eltern aus den Sitzländern der deutschen Schulen. Diese Eltern bringen diese Beiträge – teilweise unter großen persönlichen Opfern – ein, weil sie der Qualität und der Verlässlichkeit des deutschen Bildungsangebotes und der deutschen Schulabschlüsse an den Deutschen Auslandsschulen vertrauen.

 

Die Beiträge haben jedoch nicht nur eine grundlegende finanzielle und bildungsökonomische Bedeutung. Sie sind Ausdruck einer engen, oft traditionellen und Generationen übergreifenden Bindung an Deutschland. Mit dem ehrenamtlichen Engagement der gemeinnützigen Schulträger als nichtstaatliche Partner werden so internationale Netzwerke geknüpft und vertieft. Das Engagement der ehrenamtlichen Vorstände der Trägervereine ist eine Selbstverpflichtung gegenüber Schülern, Eltern und der AKBP, weltweit für Deutschland Schule zu machen.

 

Begegnung als gesellschaftlicher Wertbeitrag
Die Schulen sind als Nonprofit-Organisationen in einen Kontext aus globaler wirtschaftlicher Autonomie und deutschen Standards eingebunden. Sie wirken zudem zugleich als Bildungseinrichtung wie auch als gesellschaftliche Institution. Diese Rahmenbedingungen bestimmen nicht nur den Handlungsspielraum, die Ausrichtung der Deutschen Auslandsschulen und die Schaffung von gesellschaftlichen Wertbeiträgen. Sie verankern den Begegnungscharakter tief im Wesen der Schulen.

 

Die anerkannten Deutschen Auslandsschulen bauen nicht nur Brücken; sie sind Brücken, über die sich Heterogenität, Vielfalt und Toleranz vermitteln.
Wie reichhaltig die Leistungen der Deutschen Auslandsschulen sind, belegt eine gemeinsame Untersuchung des Weltverbands Deutscher Auslandsschulen (WDA) und der Universität St. Gallen unter www.auslandsschulnetz.de/publicvalue. Die Studie stellt den Public Value – den gesellschaftlichen Wertbeitrag – in den Mittelpunkt und verdeutlicht: Als grundlegender Beitrag der Schulen stellt sich der Wert der verlässlichen Gemeinnützigkeit dar. Die Schulgebühren liegen dort meist deutlich unter denen anderer internationaler Schulen. Als Visitenkarten für Deutschland vermitteln sie ein positives Deutschlandbild und fördern Kultur und Bildung im Ausland. Sie gelten als Partner der Wirtschaft im Auslandsgeschäft, die weltweite Kooperationsnetzwerke als Bezugspunkt für die deutsche Gemeinschaft schaffen. Auf der Basis deutscher Bildungsideale im Sinne der Förderung der deutschen Sprache und der Demokratie- und Wertevermittlung bieten sie Bildung „Made in Germany“. Auf der Grundlage einheitlicher Qualitätsstandards führen die anerkannten Deutschen Auslandsschulen zu anerkannten deutschen Abschlüssen.
Schüler Deutscher Auslandsschulen lernen in ihrer langjährigen Schullaufbahn nicht nur die Sprache, sondern ganzheitlich eine besondere Lehr- und Lernkultur wie auch die Kultur Deutschlands kennen. Die 140 anerkannten Deutschen Auslandsschulen haben damit ein Alleinstellungsmerkmal im Netzwerk der Partnerschulen, den sogenannten PASCH-Schulen. Sie bieten Schulbildung seit Generationen für Generationen, die weit über einen Sprachkurs hinausgeht und die Ziele der AKBP nachhaltig umsetzt. Lehr- und Führungskräfte aus Deutschland, die an den Schulen arbeiten, gewährleisten nicht nur die Einhaltung deutscher Standards, sondern erwerben auch wertvolle Kompetenzen für die Integrationsanforderungen bei späteren Tätigkeiten nach der Rückkehr vom Auslands- in den Inlandsschuldienst.

 

Damit sind die anerkannten Deutschen Auslandsschulen Impulsgeber und Innovatoren, die Weltoffenheit und Vielfalt als Ressourcen aufbauen. Als Vorbilder für Autonomie und Wettbewerbsfähigkeit, stellen sie eine Keimzelle für innovative Kultur- und Bildungspolitik dar. Dort wird im Kern die Begegnung der Kulturen ermöglicht, die globale Bildungs- und Karrierewege schafft und so zum Motor für Integration wird. All das sind Wertbeiträge, welche die Deutschen Auslandsschulen leisten, wie die Studie von Universität St. Gallen und WDA gezeigt hat.

 

Auslandsschulgesetz anpassen
Die Rolle der anerkannten Deutschen Auslandsschulen, insbesondere für die Förderung der deutschen Sprache und die berufliche Bildung, wird auch im aktuellen überfraktionellen Entschließungsantrag zur AKBP des Bundestages gewürdigt.
Mit dem Auslandsschulgesetz wurde 2014 ein bedeutender Schritt für eine nachhaltige Förderung und eine gleichbleibend hohe Qualität der weltweiten schulischen Bildung an den Deutschen Auslandsschulen getan. Gemäß der gesetzlichen Regelung erhalten Schulträger, die die gesetzlichen Kernanforderungen erfüllen, über drei Jahre einen gesetzlichen Anspruch auf die personelle und finanzielle Förderung – die sogenannte Anspruchsförderung. Mit der aktuell laufenden Evaluation des Auslandsschulgesetzes wird bereits 2016 eine zentrale Forderung des WDA umgesetzt. Bundesregierung, Bundestag, Länder, fördernde Stellen und freie Träger sollten zusammen zügig daran arbeiten, die Regelung weiterzuentwickeln und die Zielsetzung umzusetzen, nach der nicht nur ein Teil, sondern alle Deutschen Auslandsschulen nachhaltig gefördert werden sollen. Mehr als ein Drittel der Schulen haben jedoch bisher noch keinen Anspruch auf die gesetzliche Anspruchsförderung für drei Jahre. Die zusätzliche freiwillige Förderung über Zuwendungen bleibt hier die Regel. Hier gilt es für den WDA, gemeinsam mit der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen und dem Auswärtigen Amt, sich im parlamentarischen Raum für Verbesserungen des Auslandsschulgesetzes einzusetzen.

 

Das Auslandsschulgesetz, in der vorliegenden Form, ist vorerst ein wichtiger erster Schritt der nun fortgeführt werden muss. Damit das Auslandsschulgesetz seinen vollen Anspruch erfüllen kann, wären folgende Anpassungen notwendig: Eine Zweiklassengesellschaft der Deutschen Auslandsschulen darf es nicht geben – das ist nicht nur die Position des WDA, sondern war auch bei den Debatten rund um das Auslandsschulgesetz parteiübergreifender Konsens, ausgehend von der Entschließung des Deutschen Bundestages zur Stärkung der Deutschen Auslandschulen von 2008. Schulen brauchen Planungssicherheit – über das Kalenderjahr und auch über Legislaturperioden hinaus. Nicht nur alle bisher geförderten Schulen, sondern auch alle bisher geförderten Abschlüsse sollten in die gesetzlich geregelte Förderung übernommen werden. Darüber hinaus ist die Übernahme der Pensionsrückstellungen auch für beurlaubte beamtete Ortslehrkräfte zu regeln, nicht nur für Auslandsdienstlehrkräfte. Schließlich wäre die Einrichtung eines Fachbeirates sinnvoll, um eine institutionelle Zusammenarbeit im Rahmen der öffentlich-privaten Partnerschaft zu etablieren. Diese Anpassungen wären ein Garant für ein starkes, nachhaltiges „Auslandsschulgesetz 2.0“.

 

Ankerpunkte der Stabilität in einer sich verändernden Welt
In einer sich immer schneller verändernden Welt ist schnelle Anpassungsfähigkeit wichtig. Die anerkannten Deutschen Auslandsschulen zeigen mit ihrer mehr als 400 Jahre umfassenden Geschichte – die älteste besteht seit 1575 in Kopenhagen – welche besondere Bedeutung der schulischen Bildungsarbeit im Ausland als Ankerpunkte deutschen Kulturverständnisses und als Motor für die Integration junger Menschen in einer sich immer rascher wandelnden Welt zukommt.

Thilo Klingebiel
Thilo Klingebiel ist Geschäftsführer des Weltverbands Deutscher Auslands-schulen (WDA)
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