Die Menschen direkt erreichen – Einschätzungen von Thomas Feist, Michelle Müntefering, Claudia Roth und Diether Dehm

Wie beurteilen die Obleute im Unterausschuss Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik die AKBP in dieser Legislaturperiode?

Authentische „Botschafter“
THOMAS FEIST

Als Obmann meiner Fraktion im Unterausschuss für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) und ehemaliger Jugendbildungsreferent beim evangelischen Landesjugendpfarramt ist mir die AKBP ein Herzensanliegen. Sie ist mit guten und effizienten Instrumenten gerüstet, die weltweit Brücken zu unserem Land und unserer Kultur bauen. Um diese wichtige Säule deutscher Außenpolitik weiter zu stärken, haben wir als Koalitionsfraktionen gemeinsam mit Bündnis 90/Die Grünen einen Entschließungsantrag zur AKBP erarbeitet, der kürzlich im Bundestag beschlossen wurde. Die Bedeutung der „sanften Diplomatie“ nimmt in den aktuellen Krisenzeiten zu und wird auch zukünftig an Wert gewinnen.
Was macht die deutsche AKBP so besonders und einzigartig? Es sind die Mittlerorganisationen, die ihr Profil prägen – mit ihren Schwerpunkten Vermittlung der deutschen Sprache, Wissenschaftsaustausch und Stärkung der Zivilgesellschaft, die darüber hinaus auch unsere demokratischen Prinzipien und Wertvorstellungen transportieren. Sie erreichen durch Begegnungen im Feld der Kultur, besonders aber durch gut ausgebaute Stipendienprogramme junge und motivierte Menschen überwiegend aus den Entwicklungs- und Transformationsländern und geben ihnen die Chance, in Deutschland zu studieren und sich beruflich weiterzuentwickeln.
Einen besonderen Wert genießt die in Deutschland erfolgreiche duale berufliche Bildung in aller Welt. Sie wird auch an einigen deutschen Auslandschulen angeboten und eröffnet viele Kooperationsmöglichkeiten über die Schulen hinaus. Modifiziert für die konkreten Gegebenheiten vor Ort bietet sie Zukunftschancen für junge Menschen in ihren jeweiligen Ländern.

 

Ein besonders wichtiges Projekt der AKBP ist die Förderung der Zivilgesellschaft in den Ländern der Östlichen Partnerschaft. Sie wird weiterhin im Fokus unserer Arbeit stehen, da sie geradezu eine Leuchtturmfunktion in der europäischen Zusammenarbeit einnimmt und die europäischen Nachbarstaaten auf der Basis unserer demokratischen Kultur und auf Augenhöhe einbezieht.

 

Einig sind wir uns im Unterausschuss für AKBP auch darüber, dass wir den internationalen Jugend- und Schüleraustausch weiter fördern müssen. Er ist eine wichtige Investition in die „Macher von Morgen“. Oft entwickeln sich aus diesen Programmen lebenslange Freundschaften, gehen aus ihnen authentische „Botschafter“ unseres Landes und unserer Kultur hervor. Wir werden in diesem Bereich noch gezielter als bisher auf die Schwerpunkte unserer Außenpolitik abstellen. Diese Form der Außenpolitik zum Miterleben, zum Mitmachen und zum Mitgestalten bringt immer wieder auch wichtige Impulse in unsere Arbeit ein. Ich bin davon überzeugt, dass wir auf diese Weise unsere eine Welt etwas besser machen können.

 

Thomas Feist, MdB ist Obmann der Fraktion CDU/CSU im Unterausschuss Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik im Deutschen Bundestag

 

Ist die Welt noch bei Verstand?
MICHELLE MÜNTEFERING

 

Angesichts des Leids, der Krisen und Kriege muss man an der allgemeinen Zurechnungsfähigkeit der Menschheit zweifeln. Mindestens aber ist die Welt um uns herum komplizierter geworden. Lauter. Und Lärmender.

 

Auch leise Töne der Diplomatie, die Orientierung geben, Stimmen, die zum Nachdenken anregen, statt Ressentiments zu verstärken, werden gebraucht. Vielleicht dringender denn je. Denn wo humanitäre Hilfe nötig ist, da braucht es auch Hilfe zur Humanität. Willy Brandt hat es die „Arbeit an der Weltvernunft“ genannt. Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) tut genau das. Sie schafft Freiheitsräume und öffnet sie für den Dialog: Durch den kulturellen Austausch, durch das weltweite Bildungsnetzwerk mit den Auslandsschulen und einer aktiven Kulturpolitik in schwierigen Regionen. So ist die Kulturdiplomatie zugleich die sanfte Macht und eine tragende Säule der deutschen Außenpolitik.

 

Im Deutschen Bundestag ist sie noch immer ein Zaunkönig: ein winziger unscheinbarer Vogel – aber er singt unüberhörbar einzigartig. Das hat eindrücklich auch die im September vom Deutschen Bundestag einstimmig angenommene Entschließung gezeigt; sie stellte die Kraft der Kultur bei der Fluchtursachenbekämpfung, dem Zusammenhalt in Europa und der Entfaltung einer Verständigung in einem vorpolitischen Raum auf Basis unserer Grundwerte in das Zentrum des Parlaments. Kurz gesagt: Kultur, statt Kriege.

 

Fraktionsübergreifend im Unterausschuss und nicht zuletzt mit der großen Empathie und Verve des Außenministers Frank-Walter Steinmeier (SPD) ist es in dieser Legislaturperiode gelungen, die AKBP wahrhaftig mit Leben zu füllen. Etwa mit der Philipp-Schwartz-Initiative, die verfolgten Wissenschaftlern Schutz gibt, mit der Unterstützung der Mittler, wie dem Goethe-Institut, die mit ihrem Wissen dazu beitragen, dass Integration gelingen kann und die in Krisenregionen aktive Hilfe leisten. Der Beitrag zum Wiederaufbau des kulturellen Erbes und die Wissenschaftszusammenarbeit wurden gestärkt und Künstler finden Gehör. Mit dem neuen Konzept für das traditionsreiche Haus auf der Fifth Avenue und dem Ankauf der Thomas-Mann-Villa in L.A. ist außerdem ein Zeichen gesetzt für die Bedeutung des transatlantischen Austauschs. Auch hier, auf der anderen Seite des Atlantiks, soll künftig die Arbeit an der Weltvernunft Einzug halten. Dazu braucht es aktive Zivilgesellschaften. Die Unterstützung aus dem Bundestag ist da.

 

Michelle Müntefering, MdB ist Obfrau der SPD-Bundestagsfraktion im Unterausschuss Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik im Deutschen Bundestag

 

Realpolitik für die Menschen
CLAUDIA ROTH

 

Wir leben in einer Welt, die in Unordnung geraten ist, ohne, dass wir schon klar erkennen könnten, welche neue Ordnung gerade entsteht. Diese „Unordnung“ der Welt hat ganz konkrete Auswirkungen: Weltweit sind 65 Millionen Menschen auf der Flucht, so viele, wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Fürchterliche Kriege und Konflikte sorgen für Leid und Elend, weil der internationalen Gemeinschaft die Mittel und Instrumente fehlen, und oftmals eben auch der Wille, konkrete Lösungen zu erreichen.

 

Staaten zerfallen, Terror gefährdet Frieden und in vielen Ländern wendet man sich als Reaktion auf den aktuellen Zustand der Welt einem autoritären und nationalistischen Albtraum zu, als wäre das die richtige Antwort in einer globalisierten Welt.
Was kann nun in einer solchen Welt die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) ausrichten?

 

Ich meine: AKBP ist Realpolitik. Wenn Kanäle der klassischen Diplomatie verschlossen und Kontakte eingefroren sind, wenn Hoffnungslosigkeit um sich greift, am Verhandlungstisch nur Blockade und in der Heimat nur Verderben herrscht, dann braucht es neue Wege, andere Zugänge wie Kunst und Kultur, Bildung und Sport. Damit zielt AKBP genau auf die Menschen, und nicht so sehr auf ganze Gesellschaften, auf Regimes oder bestimmte Machtkonstellationen.

 

Wir vermitteln damit die Werte, die uns wichtig sind, und von denen wir überzeugt sind, dass sie die Welt zu einem besseren Ort machen. Es sind die Werte einer toleranten, vielfältigen und offenen Gesellschaft, die Demokratie und Menschenrechte, Frieden und Entwicklung, internationale Kooperation und Solidarität in den Mittelpunkt stellt.

 

Doch der aktuelle Zustand der Welt schränkt leider auch die Arbeit der AKBP in einigen Bereichen stark ein. Seien es die sogenannten NGO-Gesetze, die in über 60 Staaten die Handlungsräume der Zivilgesellschaft immer weiter einschränken, oder die Tatsache, dass das kulturelle Erbe der Menschheit durch die zahlreichen Konflikte weltweit immer stärker in Gefahr gerät. Gerade in Regionen wie Syrien oder Irak, in Jemen oder auch Afghanistan können Kulturgüter in den historischen Grabungsstätten und in den Museen nicht geschützt werden, und so droht diesen Ländern der kulturelle Ausverkauf, der Verlust ihres kulturellen Gedächtnisses, ihrer kulturellen Wurzeln.
All das sind wichtige neue AKBP-Handlungsfelder, deren Kraft wir gerade in diesen Zeiten nicht unterschätzen sollten. Deswegen setze ich mich dafür ein, sie weiter engagiert zu fördern und zu finanzieren.

 

Claudia Roth, MdB ist Obfrau der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Unterausschuss Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik im Deutschen Bundestag

 

Austausch auf Augenhöhe
DIETHER DEHM

 

Ich bin froh, dass der unter Schwarz-Gelb vorgenommene Paradigmenwechsel, die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) zum verlängerten Arm der Außenpolitik zu machen, umgekehrt wurde. Eine politische Vereinnahmung der AKBP darf nicht dazu dienen, deutsche Militär- oder Konzerninteressen im Ausland durchzusetzen oder anderen eine vermeintliche Leitkultur überzustülpen, die das Grundgesetz überinterpretiert. Vielmehr geht es um einen humanistisch orientierten (!) Austausch auf Augenhöhe.

 

Dies ist in gegenwärtigen zunehmend krisen- und konfliktreichen Zeiten eine nicht zu überschätzende Rolle der AKBP, eine Sichtweise, die uns im Unterausschuss, besonders seit der Leitung von Peter Gauweiler, mit Luc Jochimsen, in einer Weise einen, die schon eine parlamentarische Besonderheit darstellt.

 

Dafür bedarf es neben politischem Willen gewisser Voraussetzungen. Ein spürbarer Mittelaufwuchs in der laufenden Legislatur von fast 90 Millionen Euro gegenüber dem letzten AKBP-Haushalt unter Schwarz-Gelb hat bei den Mittlern immerhin etwas Druck aus ihrer Arbeit genommenen. Profitiert hat davon u. a. ein Teil der bei den Auslandsschulen beschäftigten Lehrkräfte, auch wenn das Problem der Versorgungszuschläge noch nicht gelöst ist und die Situation der Ortslehrkräfte bei der Neuordnung der Lehrkräftevergütung unberücksichtigt blieb.

 

Der Unterausschuss AKBP hat in dieser Legislaturperiode eine Neuregelung des Kulturschutzrechts erreicht, die den Schutz von kulturellem Erbe verstärkt, welches vor allem durch Plünderungen und Zerstörungen durch den sogenannten IS bedroht ist. Und die Thomas Mann-Villa in Kalifornien wird – wenn das Treuhand- bzw. Prüfverfahren abgeschlossen ist – von der Bundesrepublik erworben, was dem Wunsch aller Fraktionen entspricht. Dieses deutsche Kulturerbe liegt mir besonders am Herzen.

 

Aus unserer Sicht wäre es grundsätzlich wünschenswert, die institutionelle Förderung im Bereich der AKBP weiter zu stärken, wo man mit 310 Millionen gegenüber 242 Millionen Euro unter Schwarz-Gelb auf dem richtigen Weg ist. Skeptisch sehe ich den Ansatz, die AKBP bruchlos in den Dienst der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) zu stellen, wie es die Bundesregierung tut. Sie sucht, trotz der Selbstkritik der hohen Vertreterin Mogherini, wonach die ENP gescheitert sei und die europäische Nachbarschaft heute gar unsicherer geworden ist, noch immer Annäherung über Freihandels- und Assoziierungsabkommen. Wirtschaftsliberalisierung und Marktöffnung sind das Gegenteil der genannten Prinzipien der AKBP.

 

Im guten Sinne des Emigranten Bert Brecht: „Und weil wir dies Land verbessern / Lieben und beschirmen wir’s / Und das liebste mag’s uns scheinen / So wie andern Völkern ihrs…daß ein gutes Deutschland blühe, wie ein andres gutes Land.“ Dies gemeinsam mit dem Verfassungspatriotismus Gustav Heinemanns sollte uns einen in in- und auswärtiger Kultur.

 

Diether Dehm, MdB ist Obmann der Fraktion Die Linke im Unterausschuss für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik im Deutschen Bundestag

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