Die nächste Runde zum Kulturgutschutzgesetz wurde eingeläutet

Das "Gesetz zur Neuregelung des Kulturgutschutzes" in der Diskussion der Bundesländer

Am 18. Dezember 2015 beriet der Bundesrat über das „Gesetz zur Neuregelung des Kulturgutschutzrechts“. Manche hegten die Erwartung, dass die Länder Kulturstaatsministerin Monika Grütters MdB in die Schranken weisen und eine deutliche Lockerung der Vorschriften des Regierungsentwurfs vorschlagen würden. Weit gefehlt, die Länder betrachten den Kulturgutschutz deutlich etatistischer und forderten vor allem für sich mehr Rechte ein.

 

Noch einmal zur Erinnerung: Im Mai 2014 trat die „Richtlinie 2014/60/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern und zur Veränderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 (Neufassung)“ in Kraft. Die Bundesrepublik muss diese Richtlinie, wie die anderen EU-Mitgliedstaaten auch, in nationales Recht umsetzen. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) nahm die neue EU-Richtlinie zum Kulturgutschutz zum Anlass, den derzeit in drei verschiedenen Gesetzen geregelten Kulturgutschutz in einem Gesetz zu regeln und damit die Regelungen zur Ein- und Ausfuhr von Kulturgut zu verzahnen. Bis dato wird der Kulturgutschutz im „Gesetz zum Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung“, im „Kulturgüterrückgabegesetz“ und im „Gesetz zur Ausführung der Konvention vom 14. Mai 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten“ geregelt.

„Die Bundesregierung selbst hatte sich (…) ein schlechtes Zeugnis ausgestellt und Handlungsbedarf zum verbesserten Kulturgutschutz festgestellt.“

Die Bundesregierung selbst hatte sich im Jahr 2013 im „Bericht der Bundesregierung zum Kulturgutschutz“ ein schlechtes Zeugnis ausgestellt und Handlungsbedarf zum verbesserten Kulturgutschutz festgestellt. Dieser Bericht wurde im Zusammenwirken mit den Ländern erstellt und gibt damit auch die Erfahrungen in den Ländern wieder. So kommt die Bundesregierung in dem Bericht zu dem Schluss, dass in den Jahren 2008 bis 2013, mithin fünf Jahre, trotz mehrerer Rückgabeersuche ausländischer Staaten keine einzige Rückgabe von Kulturgut erfolgt ist, weil offenbar die Voraussetzungen von deutscher Seite für andere Staaten nicht praktikabel sind. So hat es sich beispielsweise als ein Hindernis erwiesen, dass Deutschland für die Rückgabe ausländischen Kulturguts auf ein Listenprinzip zum Verzeichnis national wertvollen Kulturguts abhebt, wie es in Deutschland üblich ist, in anderen Staaten aufgrund einer teilweise sehr viel längeren Tradition des Schutzes nationalen Kulturguts aber nicht praktiziert wird. Dies führt, so die Bundesregierung, zu einer Belastung der bi- und multilateralen Beziehungen der Bundesrepublik, zumal erst in den letzten Jahren Kulturgut aus zentralamerikanischen Staaten, aus Ägypten, Irak, Iran, Türkei, Russland, China und anderen Staaten nach Deutschland verbracht wurde, so die Bundesregierung. Das führt letztlich dazu, dass die Bundesrepublik, die im Jahr 2007 endlich, nach dreißig Jahren, das „UNESCO-Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut“ ratifiziert hatte, sich bei der Bekämpfung des illegalen Handels mit Kulturgut nicht völkerrechtskonform verhält. Dieses schwächt die Position der Bundesrepublik, wenn die Einhaltung anderer internationaler Abkommen von anderen Staaten eingefordert wird. Auch bei der Einfuhrkontrolle hapert es in Deutschland. Während andere Unterzeichnerstaaten der genannten UNESCO-Konvention bereits bei der versuchten Einfuhr Kulturgüter beschlagnahmen, findet dies in Deutschland, laut Bundesregierung, unzureichend statt.

 

Die genannten und weiteren Unzulänglichkeiten im bestehenden Kulturgutschutz führten dazu, dass die BKM einen langen Anlauf nahm, um den Kulturgutschutz in Deutschland grundlegend zu verbessern. Der erste von der BKM nicht autorisierte Entwurf wurde im Sommer, wie man so schön sagt, „durchgestochen“ und löste eine höchst aufgeregte Diskussion aus. Es war von Enteignung die Rede, Künstler befürchteten ihre Werke, die als Leihgaben in Museen hängen, würden allesamt unter Kulturgutschutz gestellt und Sammler sahen die „Kulturgutschutzpolizei“ an ihre Türe klopfen. Interessanterweise waren es die Länder, die in diesen ersten unautorisierten Entwurf den Vorschlag eingebracht hatten, dass bei Privatpersonen bei gegebenen Anlässen geprüft werden könnte, ob sie national wertvolles Kulturgut besitzen. Sie orientierten sich dabei an den Vorschriften zum Denkmalschutz. All dies war bereits nach Klarstellungen durch Kulturstaatsministerin Monika Grütters vom Tisch und gehörte spätestens mit der Vorlage des Referentenentwurfs im September 2015 der Vergangenheit an.

 

In der Ausgabe 5/2015 (September/Oktober) sowie 6/2015 (November/Dezember)  dieser Zeitung erschienen verschiedene Beiträge, in denen das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet wurde.

Seit dem 4. November 2015 liegt nun der Regierungsentwurf des „Gesetzes zur Neuregelung des Kulturgutschutzgesetzes“ vor. Vom ersten unautorisierten Entwurf der BKM über den Referentenentwurf bis hin zum Regierungsentwurf wurde vieles verändert. Manches grundlegend, anderes eher klarstellend oder sprachlich. Eigentlich sollte man meinen, dass es im ganzen Prozess nur Gewinner geben sollte. Die BKM, die ihr Anliegen, ein modernes umfassendes Kulturgutschutzgesetz vorzulegen, umsetzen konnte. Die Verbände, die viele Anliegen im Gesetzgebungsverfahren ein- und unterbringen konnten. Die kulturpolitische Öffentlichkeit, in der erstmals so umfassend über das Erfordernis, über die Fußangeln aber auch die Fallstricke des Kulturgutschutzes debattiert wurde. Und auch die Länder, die noch einmal verdeutlichen konnten, welche Schätze sie besitzen und wie wichtig deren Schutz ist.

„Der Kunsthandel und private Sammler können offenbar den auch von ihnen erreichten lobbyistischen Erfolg nicht genießen (…)“

Der Kunsthandel und private Sammler können offenbar den auch von ihnen erreichten lobbyistischen Erfolg nicht genießen, sondern wollen alles oder gar nichts. Insbesondere sie haben daher die Hoffnung geschürt, dass die Länder umfassende Änderungen in die Beratung zum Kulturgutschutzgesetz einbringen werden. Doch weit gefehlt: Zwar hat beispielsweise die FDP-Fraktion als Oppositionspartei in den Niedersächsischen Landtag den Antrag „Kultur bewahren, Eigentum schützen, Änderungen des Kulturgutschutzes anpassen“ (Drucksache 17/4710) eingebracht, in dem unter anderem zu lesen ist, dass allein die Diskussion zum Kulturgutschutzgesetz zu einem Verlust an Werken in Höhe von 100 Millionen Euro geführt hat und sich daher deutlich negativ auswirkt. Wer die Ausschussempfehlung des Bundesrats zum Kulturgutschutz liest (Bundesratsdrucksache 538/1/15) muss allerdings feststellen, dass die Länder weniger den Handel mit Kulturgut im Blick haben als vielmehr ihre ureigenen Interessen als ausführende Stellen des Kulturgutschutzes. So soll nach der Beschlussempfehlung der Länder für die Eintragung nicht mehr vorausgesetzt werden, dass das einzutragende Kulturgut identitätsstiftend für die Kultur Deutschlands ist und im herausragenden kulturellen Interesse Deutschlands liegt. Diese Empfehlung erhielt im Bundesrat nicht die erforderliche Mehrheit. Das ist sehr gut so, denn diese Bestimmungen im Regierungsentwurf sollen dafür Sorge tragen, dass der Kulturgutschutz nicht inflationär gebraucht wird, sondern nur Kulturgüter unter Schutz gestellt werden, die von besonderem Wert für Deutschland sind.

 

Die Sachverständigenausschüsse, in denen Wissenschaftler, Vertreter aus Museen, dem Handel und Sammlern die Beratung zur Eintragung von Kulturgut führen sollen, sollen laut Bundesrat auf reine Beratungsgremien reduziert werden, sodass die eigentliche Entscheidung vom Land getroffen wird, wohingegen im Regierungsentwurf diesen Gremien deutlich mehr Kompetenz zugewiesen wird. Dieser Vorschlag fand eine Mehrheit im Bundesrat, sodass Bund und Länder sich nun verständigen müssen. Der thüringische Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff gab zusätzlich zu bedenken, dass es für kleinere Länder durchaus eine Herausforderung darstellt, die Sachverständigenausschüsse mit Fachleuten aus dem jeweiligen Land immer wieder neu zu besetzen, da nur eine Wiederberufung möglich sein soll. Es bleibt abzuwarten, ob sich der Bund hier bewegen wird.

 

Insgesamt kommt in der Bundesratsempfehlung ein spürbar etatistischeres Verständnis des Kulturgutschutzes zum Ausdruck als es im Regierungsentwurf der Fall ist. Die hochgesteckten Hoffnungen mancher Vertreter des Kunsthandels oder Sammler dürften sich nach Lektüre der Beschlussempfehlung des Bundesrats in Luft auflösen. Das wird vielleicht zu einer sachlicheren Debatte zum Kulturgutschutz beitragen. Die Schweiz, die ein strenges Kulturgutschutzregiment hat, ist trotzdem oder vielleicht gerade deshalb einer der führenden Handelsplätze des Kulturguthandels. Die Bundesregierung kommt in ihrem Bericht zum Kulturgutschutz zu dem Schluss, dass die Schweiz gerade aufgrund ihrer strengen Sorgfaltspflichten einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Kunsthandelsstandorten hat, da sie hohe Rechtssicherheit für alle Beteiligten bietet. Ein Argument, das so schnell nicht von der Hand zu weisen sein wird.

 

Auch wenn die klare Intention des Kulturgutschutzes die Verzahnung der Regelungen zur Ein- und Ausfuhr von Kulturgut ist, dreht sich die Diskussion vor allem um die Ausfuhr. Dabei zeigt die aktuelle politische Situation, dass dringend Regelungen bei der Einfuhr, insbesondere von archäologischem Kulturgut, von Nöten sind. Es geht zum einen darum, dafür Sorge zu tragen, dass archäologisches Kulturgut nicht mehr illegal nach Deutschland eingeführt und hier verkauft werden kann und zum anderen, dass der Zerstörung von archäologischen Sachzusammenhängen endlich Einhalt geboten wird. Was hier eine zwar schöne, aber wenig bedeutsame und oftmals auch preiswerte Scherbe sein kann, kann am Fundort, durch Fachwissenschaftler bearbeitet, ein wichtiger Schlüssel zur Erschließung des Lebens vergangener Epochen sein. Wir werden deshalb noch einmal genau überlegen müssen, ob die jetzt im Gesetzesentwurf vorgesehenen Wertgrenzen bei der Einfuhr archäologischen Kulturgutes nicht kontraproduktiv sind.

 

Im Jahr 2016 werden die Beratungen nach der Rückäußerung der Bundesregierung im Deutschen Bundestag geführt werden. Die hoffentlich öffentlichen Ausschussberatungen werden einen Eindruck von der Diskussion vermitteln. Spannend bleibt, wie sich die verschiedenen Akteure in die Beratungen einbringen werden. Der Deutsche Kulturrat hat in seiner Stellungnahme zur Neuregelung des Kulturgutschutzes (siehe auch Politik & Kultur 6/2015, S. 29) grundlegend positiv auf den Vorschlag aus dem Hause Grütters reagiert. Bleibt abzuwarten, wie die Debatten in den nächsten Runden verlaufen werden.

Olaf Zimmermann & Gabriele Schulz
Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates. Gabriele Schulz ist Stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrates.
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