Das Humboldt Forum im wieder errichteten Berliner Schloss gehört zu den ambitioniertesten Kulturprojekten im frühen 21. Jahrhundert. In vielerlei Hinsicht will es grundlegend neue Wege gehen, die Chance und Herausforderung zugleich sind. Die erste Herausforderung besteht schon darin, den Spannungsbogen zwischen dem historisierenden Bau mit seiner Barockfassade und der modernen Ausgestaltung im Inneren produktiv zu nutzen. Dieses Innere wird architektonisch überwiegend zeitgenössisch geprägt sein, nur die ebenfalls historisierend gestalteten Innenportale und die drei Barockfassaden des Schlüterhofes machen das wieder erstandene Hohenzollernschloss auch nach innen hinein spürbar. Aus Sicht des Gebäudes sind drei Aspekte gleichermaßen bedeutsam und müssen deshalb auch im Humboldt Forum wahrnehmbar sein. Erstens muss die Geschichte des Ortes Teil der Erzählung sein. Dies lässt sich durch filmische Sequenzen ebenso wie durch an klug gewählten Stellen platzierte Objekte aus seiner früheren Nutzungsgeschichte erreichen. Zweitens gilt es, die Verbindungen zwischen dem alten Hohenzollernschloss und der Berliner Museumsgeschichte zu verdeutlichen, denn alle Sammlungen – die kunst- und kulturgeschichtlichen ebenso wie die naturkundlichen und medizinhistorischen – gehen auf die ehemals im Schloss befindliche Kunstkammer zurück. Für die kunst- und kulturgeschichtlichen Sammlungen errichtete man schließlich ab dem frühen 19. Jahrhundert auf der dem Schloss gegenüberliegenden Museumsinsel Gebäude zu ihrer angemessenen Präsentation; ohne Schloss also keine Museumsinsel! Mit dem Humboldt Forum im neuen Schloss kehren die Sammlungen damit wieder an den Ort ihres Ursprungs zurück und machen es zu einem wirklichen Volkshaus. Und drittens muss das neue Schloss sich auch in seiner architektonischen und räumlichen Gestaltung möglichst stark nach außen öffnen. Mit dem Schlossforum, jener Passage, die aus Süden von der Breiten Straße kommend durch die Portale II und IV das Schloss zur Museumsinsel hin durchläuft, hat Franco Stella bereits eine geniale Achse geschaffen. Eine weitere zieht sich östlich davon durch den Schlüterhof und die Portale I und V. Schlüterhof wie Schlossforum werden rund um die Uhr geöffnet sein und lassen damit Teile des Schlossinneren zum öffentlichen Raum werden, der ebenso wie die Freiflächen zwischen den Häusern der Museumsinsel den Menschen gehören und Aufenthaltsqualität ausstrahlen soll.
Eine zweite große Herausforderung wird darin bestehen, die einzelnen Bestandteile des Humboldt Forums zu einem Ganzen zu verbinden. Bislang bestand die Schwierigkeit vor allem darin, die Sonderausstellungsflächen und Veranstaltungsbereiche im Erdgeschoss mit der Präsentation der Dahlemer Sammlungen zur Kunst und Kultur Afrikas, Asiens, Ozeaniens und Amerikas im zweiten und dritten Obergeschoss zu verknüpfen, weil der dazwischen befindliche erste Stock als Bibliotheksetage geplant war. Mit der neuen Ausstellung über die Verflechtung Berlins mit der Welt, die die Stiftung Stadtmuseum Berlin konzipiert, wird die Bel Etage nun noch enger mit dem Gesamtprogramm verzahnt. Auch die europäische Dimension der Berliner Geschichte wird mit der Einbindung des Museums Europäischer Kulturen gewürdigt. In der Ausstellung geht es nicht nur um typische Aspekte der Geschichte Berlins wie Revolution, Migration, Grenzen oder Krieg, sondern auch um die von Berlin ausgehende wissenschaftliche Erforschung der Welt, für die die Gebrüder Humboldt in besonderer Weise stehen, sowie um Themen wie die Berliner Kongo-Konferenz und die daraus resultierende Festschreibung der kolonialen Aufteilung Afrikas. Die Berlin-Ausstellung wird dadurch eine wichtige Bezugsebene für die in den beiden Geschossen darüber gezeigten außereuropäischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz bilden, denn die Entstehung der Berliner Museen und ihrer Sammlungen kann nur vor dem Hintergrund dieser spezifischen Berliner Geschichte verstanden werden. Das erste Obergeschoss, an dessen Ausgestaltung auch die Humboldt-Universität beteiligt ist, wird dadurch zu einem wichtigen Bindeglied zwischen den unterschiedlichen Bereichen des neuen Schlosses und fügt sich damit sehr gut in die Gesamterzählung des Humboldt Forums, die mit einer Präsentation des Kosmos-Gedankens Alexander von Humboldts auf den umlaufenden Galerien der Eingangshalle beginnen könnte und über die Geschichte der wissenschaftlichen Öffnung zur Welt bis hinauf zu den außereuropäischen Sammlungen führt.