Partnerschaftliche Aufarbeitung

Immaterielles Kulturgut stärken

Anschließend an den Zehn-Punkte-Plan von Hermann Parzinger (siehe Seite 6 dieser Ausgabe) gilt es in der politischen Diskussion um das koloniale Erbe auch, das immaterielle Kulturgut zu stärken und dem materiellen Kulturgut in allen Aspekten gleichzustellen und entsprechend offensiv zu diskutieren. Kulturelles Wissen und kulturelle Praktiken sind in der Identitätsbildung von Nationen oder Ethnien von ausschlaggebender Bedeutung. Dies gilt in fast allen Fällen auch für die Bewertung der kulturellen Bedeutung von Sammlungsobjekten. Wissen im Umfeld kolonialer Strukturen ist auch Wissen um Bräuche, Darstellungen, Ausdrucksformen und Fertigkeiten. Provenienzforschung muss daher über die Herkunft der Objekte hinaus auch nach deren Bedeutung fragen. Wissenschaftlich unabhängig kann dies nur – über zu berücksichtigende nationale Strukturen hinweg – direkt mit den Vertretern der Herkunftsgesellschaften geschehen. Diese müssen zudem bereits in die Konzeptionsphase der Provenienzforschung einbezogen werden. Denn nur partnerschaftlich kann es gelingen, gemeinsam eine Geschichte aufzuarbeiten und diese gemeinsam zu präsentieren, sowohl in den Herkunftsgebieten wie hier bei uns. Das Ziel muss immer sein, sich gegenseitig besser zu verstehen. In Aushandlungsprozessen – insbesondere zu möglichen Restitutionen – sollen daher verstärkt nicht-westliche Rechtesysteme und -konzepte berücksichtigt werden. Hier müssen international einheitliche Standards geschaffen werden.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 01-02/2019.

Lars-Christian Koch
Lars-Christian Koch ist Direktor des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin und deren Sammlungen im Humboldt Forum.
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