Staat und Gesellschaft im Wandel, internationale Bezüge, Globalisierung, Friedensarbeit, Geschlechterrollen, religiöses Erleben und Wirken, dazu und zu vielen weiteren Themenkreisen benötigt die Forschung nicht zuletzt kirchliche Quellendokumente.
In der katholischen Kirche gibt es kein zentrales Archiv für Deutschland. Deshalb kommt dem Historischen Archiv des Erzbistums Köln eine besondere Rolle zu. Es verwaltet neben den üblichen diözesanen Beständen umfangreiche Archive vieler deutschlandweit wichtiger Vereine, Verbände und Organisationen. Allen voran ist die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) mit 1,2 Regalkilometern Akten zu nennen; ferner die „Katholischen Büros“, Verbindungs- und Informationsstellen zwischen Kirche und Politik am Sitz von Bundesregierung und Bundestag in Berlin – zuvor in Bonn – und für die Bistümer in Nordrhein-Westfalen in der Landeshauptstadt Düsseldorf. Dazu kommen z. B. auch der 1845 gegründete Borromäusverein in Bonn, die seit 1876 bestehende Wissenschaftsorganisation Görres-Gesellschaft, zu deren Archiv auch ein bedeutender Teilnachlass des Philosophen Friedrich Schlegel gehört, oder der Deutsche Verein vom Heiligen Lande, der schon um 1900 in enger Kooperation mit Kaiser und Reichsregierung in Palästina wirkte. Alle diese Organisationen haben oder hatten ihren zentralen Sitz im Gebiet des Kölner Erzbistums, wo bekanntlich seit 1949 auch die Bundesregierung saß. So bekam das Historische Archiv des Erzbistums Köln eine in vieler Hinsicht zentrale Bedeutung. Unter den Lesesaalnutzungen dominieren regelmäßig – mit 40 Prozent – die wissenschaftlichen Themen; weit über den kirchlichen Forschungshorizont hinaus.
Als einziges Bistumsarchiv sammelt das in Köln schwerpunktartig Nachlässe von bekannten Architekten und Künstlern aus der innovativen Gestaltungsphase des Kirchenbaus im 20. Jahrhundert, z. B. von Fritz Schaller und Rudolf Schwarz.
Die Bestände umfassen derzeit knapp zehn Regalkilometer ab 942. Hinzu kommen in rascher Folge Archive der früher bis zu 800 örtlichen Kirchengemeinden. Ihre Sicherung und zentrale Nutzbarmachung gehören zu den gezielten Herausforderungen der kommenden Jahre. Ferner werden die reichhaltigen Fotosammlungen zum katholischen Leben in der Stadt Köln, im Rheinland und in Hunderten deutschsprachigen Gemeinden weltweit – letztere als Teil der Bestände des Katholischen Auslandssekretariats der DBK – digitalisiert und in einem externen Bildportal bereitgestellt. Digital greifbar sind in Kürze die Metadaten zu allen gut 700 Beständen und in der Folge auch Digitalisate älterer Quellenbestände, darunter die zur Familienforschung entscheidenden Kirchenbücher. Die zukunftssichere Archivierung und Lesbarhaltung aller Arten von digitalen Dokumenten und deren Bereitstellung im Lesesaal oder zum Teil online sind klare Zielsetzung.
Als Service des Erzbistums Köln, der katholischen Organisationen und als Teil des katholischen Archivwesens hat das Archiv eine wichtige Funktion zwischen Tradition und Innovation: für die Identität der Menschen, für Transparenz und den Mut zum Aufbruch.
Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 03/2020.