„Blinde Flecken“ identifizieren

Bundesverfassungsgericht

Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) nimmt in der hiesigen Menschenrechtsarchitektur als unabhängige Nationale Menschenrechtsinstitution Deutschlands – siehe Paragraf 1 DIMR-Gesetz – eine besondere Rolle ein. Gemäß den Pariser Prinzipien der Vereinten Nationen hat das Institut die Aufgabe, eine Brücke zwischen den nationalen und internationalen Menschenrechtsgarantien zu schlagen. So berät es die Politik in Bund und Ländern, die Justiz, Anwaltschaft, Wirtschaft sowie zivilgesellschaftliche Organisationen bei der Umsetzung der internationalen Menschenrechtsabkommen.

 

Das Institut berichtet dem Deutschen Bundestag und verfasst Stellungnahmen für nationale wie internationale Gerichte sowie internationale Menschenrechtsgremien. Es unterstützt Bildungsakteure bei der Verankerung von Menschenrechten in der Aus-und Fortbildung für menschenrechtssensible Berufe sowie bei der Ausgestaltung der schulischen und außerschulischen Menschenrechtsbildung. Das Institut begleitet und überwacht zudem die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und der UN-Kinderrechtskonvention und hat hierfür entsprechende Monitoring-Stellen eingerichtet. Es ist als gemeinnütziger Verein organisiert und wird vom Deutschen Bundestag sowie – für einzelne Projekte – aus Drittmitteln finanziert.

 

Das Institut versteht sich auch als Forum für den Austausch zwischen Staat, Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Praxis und nationalen wie internationalen Akteuren. Mit den Menschenrechtsgremien der Vereinten Nationen, des Europarates und der Europäischen Union arbeitet es eng zusammen. Es ist Mitglied im Weltverband der Nationalen Menschenrechtsinstitutionen (GANHRI), dessen Vorsitz die Institutsdirektorin Beate Rudolf von 2016 bis 2019 innehat, und des Europäischen Dachverbands (ENNHRI).

 

Wir beobachten derzeit in Deutschland und Europa, dass Hass und Gewalt gegen Menschen geschürt oder Menschen durch rassistische Zuschreibungen abwertet und ausgrenzt oder Menschenrechte völkisch vereinnahmt, also nur den eigenen Staatsangehörigen zuerkannt werden. Diese Entwicklungen machen es notwendig, die jedem Menschen gleichermaßen zustehenden Rechte, wie sie vor 70 Jahren mit der Allgemeinen Erklärung von den Vereinten Nationen proklamiert wurden, heute mehr denn je zu bekräftigen. Demokratische, freiheitliche und gerechte Gesellschaften sind nicht zum Nulltarif zu haben. Dazu braucht es starke Menschenrechtsakteure in Politik und Gesellschaft, die sich für die Rechte aller Menschen einsetzen und rassistischer Hetze und Gewalt entschieden entgegentreten.

 

Doch gerade zivilgesellschaftliche Menschenrechtsakteure geraten zusehends unter Druck. Wer sich für die Menschenrechte einsetzt, wird zunehmend bedroht, inhaftiert, überwacht – und manchmal sogar ermordet. Das geschieht weltweit, auch hier in Europa. Der Bericht des UN-Generalsekretärs von August 2018 über repressive Maßnahmen von Staaten gegenüber Menschenrechtsverteidigern und Organisationen, die mit Menschenrechtseinrichtungen der Vereinten Nationen kooperiert haben oder kooperieren wollten, spricht Bände. Wie der Handlungsspielraum für die Zivilgesellschaft erhalten und verteidigt werden kann, ist eine der großen Herausforderungen der kommenden Jahre.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 6/2018.

Andreas L. Paulus
Andreas L. Paulus ist Richter des Bundesverfassungsgerichts und Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere Völkerrecht, an der Georg-August-Universität Göttingen.
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