Unverzichtbar für die lokale Demokratie

Engagement in den Kommunen

Bürgerschaftliches Engagement ist ein eminent kommunales Thema, und zwar insbesondere aus zwei Gründen: Erstens findet bürgerschaftliches Engagement vor Ort in den Städten und Gemeinden, in den Stadtvierteln, Wohnquartieren und somit im „Nahraum“ der Menschen statt. Und zwar in Vereinen und Organisationen, Institutionen, Kirchengemeinden, aber auch selbst organisiert, spontan und situationsbezogen ohne feste Organisationsform. Insgesamt weist bürgerschaftliches Engagement in Deutschland ein breites Spektrum auf, von der Tätigkeit in Vereinen über Freiwilligendienste bis hin zur Tätigkeit in der lokalen Demokratie in Stadt- bzw. Gemeinderäten. Bürgerschaftliches Engagement schafft somit lokale Identität, schafft „Heimat“ oder wer diesen Begriff nicht strapazieren möchte: Zugehörigkeit zu dem Ort, an dem man lebt, oder zu der Sache, die einem wichtig ist und für die man eintritt.

 

Umgekehrt sind die lokale Verankerung, Zugehörigkeit und Zusammenhalt unverzichtbare Voraussetzungen für die Entwicklung von bürgerschaftlichem Engagement. Beides – Engagement und Zusammenhalt – resultiert somit aus einer Wechselwirkung. Bürgerschaftliches Engagement ist im Übrigen ein vielschichtiger, vielleicht gar nicht vollständig fassbarer Begriff. Die Verwendung als Oberbegriff für die unterschiedlichen Formen und Dimensionen von Ehrenamt, Freiwilligendiensten, Selbsthilfe und freiwilliges Engagement ist hilfreich für eine differenzierte Diskussion des Themas.

 

Zweitens ist bürgerschaftliches Engagement für die Kommunen essenziell, weil sie geradezu darauf angewiesen sind. Der Staat und in seiner lokalen Ausprägung die Stadt bzw. die Gemeinde ist gar nicht in der Lage, alle Bereiche des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens im Sinne von dem, was wir Daseinsvorsorge nennen, zu erfassen. Er ist nicht nur auf eine selbstbewusste, sondern auch auf eine aktive Bürgerschaft angewiesen. Die Vorstellung von einem allumfassenden Staat, der alle Bereiche des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens regelt, ist nicht nur unrealistisch, sondern entspricht auch nicht unserer demokratischen Verfassung und dem darin niedergelegten Subsidiaritätsprinzip, wonach übergeordnete Instanzen erst dann aktiv werden, wenn Unterstützung erbeten wird oder notwendig für die Absicherung grundlegender Bedürfnisse menschlicher Existenz ist.

 

Die derzeit bestehende Coronakrise hat die vielfache Hilfsbereitschaft, Solidarität und Unterstützung in einem Maße deutlich werden lassen, wie wir sie vorher vermutlich nicht für möglich gehalten hätten. Bürgerschaftliches Engagement oder einfacher gesagt: Nachbarschaftshilfe hat neben einer funktionierenden öffentlichen Verwaltung ganz wesentlich dazu beigetragen, dass die Krise bisher gut bewältigt werden konnte.

 

Die Kommunen sind sehr daran interessiert und aufgerufen, bürgerschaftliches Engagement zu fördern. Dafür gibt es viele Maßnahmen und gute Beispiele, etwa die in vielen Kommunen eingeführten Ehrenamtspässe bzw. -karten als Anerkennung für engagierte Menschen vor Ort. Die Anerkennung muss aber nicht durch monetäre Leistungen erfolgen, sondern vor allem durch Wertschätzung in vielfacher Hinsicht. Ein Empfang bei einem Oberbürgermeister oder einer Oberbürgermeisterin ist manchmal wichtiger als der freie Eintritt in Kultureinrichtungen oder die kostenlose Fahrt mit dem ÖPNV.

 

Bürgerschaftliches Engagement findet somit auf der lokalen Ebene, in den Städten und Gemeinden statt, und entfaltet dort seine positiven Wirkungen wie Gemeinsinn und Zusammenhalt. Gleichwohl gibt es Strukturveränderungen, die es aufzunehmen und weiterzuentwickeln gilt.

 

Wandel des bürgerschaftlichen Engagements

 

Wenngleich bürgerschaftliches Engagement im Gesamtblick und auch in besonderen Situationen in Deutschland noch immer über eine breite gesellschaftliche Basis verfügt, ist gleichwohl ein Wandel festzustellen: Die zunehmende Individualisierung, Digitalisierung, der demografische Wandel, die Zuwanderung und die zunehmende Diversifizierung unserer Gesellschaft verändern die Akteure und auch die Formen des bürgerschaftlichen Engagements. Traditionelles bürgerschaftliches Engagement in Vereinen und Institutionen ist meist geprägt durch eher ältere Generationen. Junge Menschen scheuen sich vielfach, sich dauerhaft in Institutionen zu engagieren und sich längerfristig zu binden. Das Engagement unter jüngeren Menschen ist dabei nicht weniger ausgeprägt, aber anders ausgerichtet. Andererseits brauchen wir die etablierten Institutionen und Vereine als Stabilitätsfaktor und auch mit Blick auf ihre Bindungskraft in unserer Gesellschaft. Es braucht daher aus kommunaler Sicht einerseits die Heranführung junger Menschen an solche Institutionen; andererseits aber auch Unterstützung und Beratung, die sich gezielt an junge Leute wenden. Außerdem sollten die verbandlichen bzw. Vereinsstrukturen für junge Initiativen, die projekt- und themenorientiert und möglicherweise zeitlich begrenzt sind, stärker geöffnet werden.

Klaus Hebborn
Klaus Hebborn ist Kulturdezernent des Deutschen Städtetages.
Vorheriger Artikel„Vielfalt ist in Kultur, Sport und im Sozialen nur mithilfe vieler Freiwilliger realisierbar“
Nächster Artikel„Werte-Engagement“