In der Verantwortung

Wie können die Verwertungsgesellschaften jetzt helfen?

Anmerkung: Diese Beiträge wurden zuerst in Politik & Kultur 5/20, der Zeitung des Deutschen Kulturrates, veröffentlicht. Politik & Kultur hat die vier großen Verwertungsgesellschaften GVL, GEMA, VG Bild-Kunst und VG WORT gefragt, wie sie in der Corona-Krise helfen. Die Antworten lesen Sie untenstehend.

 

GVL

 

In den vergangenen Wochen ist das kulturelle Leben vielerorts zum Stillstand gekommen –und damit sind auch die Einnahmen der Kulturschaffenden schlagartig versiegt. Konzerte wurden abgesagt, Filmaufnahmen gestrichen, Plattenläden geschlossen. Für viele Künstler, die oftmals »von der Hand in den Mund leben«, ist dies eine existenzielle Situation.

 

Als Verwertungsgesellschaft für ausübende Künstler, Labels und Veranstalter haben wir als eine der ersten Organisationen finanzielle Überbrückungshilfen für in Not geratene Berechtigte bereitgestellt.

 

Noch bevor es zum Shutdown in Deutschland kam, hatten insbesondere Musiker und Schauspieler mit ersten, teils gravierenden Umsatzeinbußen zu kämpfen. Wir wollten von Anfang an unsere Solidarität mit den Künstlern zeigen und haben daher binnen wenigen Tagen eine Corona-Nothilfe auf die Beine gestellt: 250 Euro, die im Rahmen einer sozialen Zuwendung sofort an freiberufliche und befristet beschäftigte Berechtigte mit Produktions- und Veranstaltungsausfällen überwiesen werden – über 7.000 Berechtigte haben bereits davon profitiert. Als ein weiteres Zeichen der Solidarität erfolgt die Finanzierung paritätisch aus Mitteln der Hersteller und Künstler.

 

Wir wollten jedoch noch mehr Hilfe leisten und haben uns kurzfristig entschieden, ergänzend zur Soforthilfe und den regulären Verteilungen der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL), Vorauszahlungen für Hersteller und Künstler in die Wege zu leiten. Das alles geschah gleichzeitig mit der Umstellung unserer 180 GVL-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter auf mobiles Arbeiten. Bereits im März 2020 überwiesen wir unseren Herstellern die ersten Vorauszahlungen, um dem akuten wirtschaftlichen Druck auf die unabhängigen Labels entgegenzuwirken. Im Mai erhalten auch unsere selbstständigen Künstler, die besonders hart von der Corona-Krise getroffen sind, Vorschusszahlungen. Dabei handelt es sich insgesamt um hohe zweistellige Millionenbeträge.

 

Auch wenn wir unser Möglichstes tun, um unseren Berechtigten kurzfristig zu helfen, dürfen wir nicht vergessen: Die aktuellen Entwicklungen im deutschen Kulturbereich werden auch nicht spurlos an der GVL vorbeigehen. Je nach Dauer des Lockdown rechnen wir derzeit mit erheblichen Einnahmerückgängen, insbesondere im Bereich der Öffentlichen Wiedergabe und bei den werbefinanzierten Privatsendern, die im schlimmsten Fall bis zu 50 Prozent unserer Jahreserlöse im laufenden Jahr 2020 ausmachen könnten – Geld, das unseren Berechtigten bei der Verteilung 2021 fehlen wird.

 

Wir sind uns bewusst, dass unsere Eilmaßnahmen die finanziellen Einbußen von ausübenden Künstlern und Labels natürlich nicht nachhaltig abfedern können. Insbesondere Vorauszahlungen, die mit zukünftigen Verteilungen verrechnet werden, helfen zwar sofort, reichen aber nicht dauerhaft zum Leben. Vor diesem Hintergrund beteiligen wir uns aktiv an gemeinsamen Initiativen der Kultur- und Kreativwirtschaft, um die Politik bei der Entwicklung und Umsetzung geeigneter staatlicher Hilfsmaßnahmen zu unterstützen, die direkt bei den Kulturschaffenden ankommen und auch nachhaltig die kreative Vielfalt in Deutschland sichern.

 

Guido Evers und Tilo Gerlach sind Geschäftsführer der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL).

 

GEMA

 

Unter dem Dirigat der Pandemie lernen wir derzeit im Staccato-Takt, unser Leben neu zu organisieren. Von den strikten Maßnahmen zum Gesundheitsschutz werden Gesellschaft und Wirtschaft mit Wucht getroffen. Das gilt in besonderem Maße für die Welt der Musik, wo mit dem Stillstand ein beträchtlicher Teil der kreativen Wertschöpfung zum Erliegen gekommen ist.

 

Als Treuhänderin, die im Auftrag von Komponisten und Textdichtern deren Rechte wahrnimmt, ist die GEMA verlässliche Begleiterin selbstverständlich auch in der Krise. Frühzeitig haben wir alle Kräfte darauf ausgerichtet, unser Kerngeschäft am Laufen zu halten. Dass wir die planmäßigen Ausschüttungen an unsere Mitglieder in der ersten Jahreshälfte vollständig sicherstellen konnten, war ein wichtiger Schritt. Doch das allein wird viele Musikschaffende nicht über die schwere Zeit des Lockdowns tragen. Noch bis mindestens Ende des Sommers bleiben Deutschlands Musikbühnen verwaist. Sportereignisse und Volksfeste müssen ausfallen. Auch in den zahllosen geschlossenen Clubs, Bars und Restaurants im Land erklingen vorerst keine Melodien mehr.

 

Wenn aber öffentlich keine Musik genutzt wird, fließen auch keine Einnahmen dafür an die Schöpfer und Verleger der Werke. Mit dem kulturellen geht folglich ein erheblicher materieller Schaden einher, den wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beziffern können. Die GEMA hat deshalb eine Art Schutzschirm aufgespannt, der die staatlichen Programme für Künstler flankiert. Bis zu 40 Millionen Euro stellen wir unseren besonders betroffenen Mitgliedern zur Existenzsicherung zur Verfügung – eine Akuthilfe, die inmitten einer Saison der Konzertabsagen gern angenommen wird.

 

Viele wertschätzende Reaktionen zeigen uns, dass die GEMA ihrem Auftrag als Solidargemeinschaft auch in dieser Krisenzeit vollauf gerecht wird. Dies wird im kommenden Jahr weiterhin der Fall sein, wenn Musikautoren die Einbrüche im Veranstaltungsmarkt und sicher auch bei Auftragsarbeiten deutlich zu spüren bekommen dürften. Doch nicht nur unter Musikschaffenden, sondern ebenso bei jenen, die Musik nutzen, ist die finanzielle Bedrängnis groß. Als Lizenzgeberin übernimmt die GEMA in der Corona-Krise auch gegenüber ihren Kunden Verantwortung. Wer sein Geschäft oder Lokal nicht betreiben darf, dem erlassen wir daher derzeit pragmatisch die Lizenzgebühren.

 

Die Pandemie ist ein Stück ohne Partitur. Für diese Situation gibt es keine Noten. Wir müssen uns dem Rhythmus beugen, den das Virus vorgibt, und als Gesellschaft gemeinsam improvisieren. Was Hoffnung macht: Überall im Netz blüht nun die digitale Musikkultur auf, ob Wohnzimmerkonzerte auf Instagram oder ganze Festivals in der virtuellen Sphäre. Diese Zeit nimmt uns Liebgewonnenes, aber sie gebiert auch neue Chancen für Urheber. Ihre Musik wird in der Zurückgezogenheit zum starken Band zwischen Menschen – zu einem Gut von in jeder Hinsicht essenziellem Wert.

 

Harald Heker ist Vorsitzender des Vorstands der GEMA.

Vorheriger ArtikelEs geht um die Zukunft
Nächster ArtikelZwischen Lockdown und Lockerung