Für eine stärkere europäische kulturelle Zusammenarbeit

Das europäische Netzwerk der Kulturinstitute EUNIC in der Corona-Krise

 

Wie geht es weiter?

 

Eine Beobachtung, die wir in der Corona-Krise machen, ist die Tendenz zu einer isolierten Kulturpolitik der EU-Mitgliedsstaaten. Die aufgesetzten Rettungsprogramme helfen, verständlicherweise, erst einmal dem eigenen Sektor. Bislang gibt es keine nennenswerten Rettungsschirme für internationale Kooperationen, obwohl der Kultursektor durch und durch international ist. Wir als Europäerinnen können hier Verantwortung übernehmen. Denn nur wenn die Kulturbereiche gesund sind, können wir uns auch in einen Austausch mit den hier beschäftigten Menschen weltweit begeben.

 

Deswegen hat EUNIC seinem internen Projektfonds in diesem Jahr den Fokus gegeben, lokale Kulturszenen zu stärken. Das treibt die europäische Zusammenarbeit voran und gleichzeitig unterstützt es lokale Partner. Die 120 Außenstellen weltweit können sich darauf bewerben. Der Fonds wird Anfang September veröffentlicht und Maßnahmen können ab spätestens Januar umgesetzt werden. Wir erwarten, dass unsere Mitglieder 300.000 Euro dafür bereitstellen. Ein Tropfen auf den heißen Stein.

 

Auch Deutschland hat bereits einen solchen Fonds aufgesetzt, initiiert vom Goethe-Institut und dem Auswärtigen Amt gemeinsam mit vielen Partnern. Drei Millionen Euro stehen zur Verfügung und Kultureinrichtungen weltweit können sich um schnelle und substanzielle Unterstützung bewerben.

 

Weil diese Mittel nicht ausreichen, argumentieren wir gegenüber der Europäischen Kommission, dem Auswärtigen Dienst, dem Parlament und dem Europäischen Rat dafür, dass internationale Kulturbeziehungen weiterhin unterstützt und sie zu einem festen Bestandteil der EU-Außenbeziehungen ausgebaut werden müssen. 2016 wurden dazu mit der Veröffentlichung eines Strategie-Ansatzes von Federica Mogherini, der ehemaligen EU-Außenvertreterin, die Weichen gestellt. Auch in der neuen EU-Kulturagenda von 2018 wurden die internationalen Kulturbeziehungen verankert. Aber es könnte mehr getan werden. Im Zuge der geopolitischen Herausforderungen und der Corona-Krise droht das Thema weniger beachtet zu werden.

 

Dazu haben wir eine Deklaration verfasst. Diese unterstreicht, was die internationalen Kulturbeziehungen dazu beitragen können, damit die globale Gesellschaft aus der Krise vereint und gestärkt hervorgeht. Kulturaustausch ermöglicht es, dass Menschen verschiedener Kulturen sich begegnen. Nur wenn wir uns kennen und voneinander lernen, können wir Vertrauen entwickeln und Ängste und Vorurteile abbauen. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um globale Gemeinschaft zu stiften und die Krise zu überwinden.

 

Was wir jetzt tun müssen

 

Jetzt, wo viele Veranstaltungen digital angeboten werden, stellt sich die Frage nach dem Raum der internationalen Kulturarbeit neu. Während das traditionelle Konzept vorsieht, dass beispielsweise deutsche und brasilianische Künstlerinnen sich begegnen und in einen Dialog eintreten, ist das Anliegen von EUNIC seit jeher, diese bilaterale Sicht um die europäische zu erweitern. Indem wir uns nun bei Zoom, Jitsi oder Teams treffen, können wir gleichzeitig in Brasilien, Schweden, Deutschland und vielen anderen Ländern sein – einzig eingeschränkt durch die verschiedenen Zeitzonen. Wie wirkt sich das auf unsere Arbeit aus? Wie binden wir auch Menschen ein, die keinen Zugang zum Internet haben und daher vom digitalen Raum ausgeschlossen sind? Um zu analysieren, wie unsere Mitglieder mit diesen neuen Chancen umgehen und wie die Digitalisierung der internationalen Kulturbeziehungen erfolgt, werden wir dieses Jahr noch eine Studie durchführen.

 

Die große Frage bleibt: Kehren wir nach der Krise zur selben Praxis wie vorher zurück? Die Hälfte unserer Mitglieder findet, dass die Herangehensweisen an den internationalen Kulturaustausch generell zu überdenken sind. Manche wünschen sich eine noch stärkere europäische kulturelle Zusammenarbeit. Auch wenn es mühsam scheint, wann, wenn nicht in einer Krise, sollten wir vereint auftreten? Auf eine globale Krise kann es nur gemeinsame Antworten geben. Dem deutschen Hilfsfonds könnten sich europäische Partner anschließen. Mit mehr Mitteln würde die so dringend benötigte Unterstützung bei mehr Organisationen auf der ganzen Welt ankommen. Im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft könnte Deutschland so eine Führungsrolle für die Kulturzusammenarbeit übernehmen.

 

Von unseren Partnern weltweit, gerade denen aus dem globalen Süden, wird zu Recht die Anforderung an die europäischen Kulturinstitute herangetragen, Partnerschaft auf Augenhöhe zu leben. Mit der derzeit verstärkt erfolgenden Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit und rassistischen Strukturen sowie der daraus resultierenden globalen Verantwortung der Europäerinnen stellt sich die Frage neu, wie wir gleichberechtigte Partnerschaften praktizieren können. Gerade weil die finanzielle Unterstützung für so viele Kulturprojekte weiterhin meist aus dem globalen Norden kommt.

 

Wir haben uns schon vor der Krise auf den Weg gemacht, Antworten auf diese Fragestellungen zu finden. Das Projekt „European Spaces of Culture“ testet innovative Modelle für die europäischen internationalen Kulturbeziehungen. Die hier gefundenen Formate können eine neue Art unseres Handelns einleiten – fair, gleichberechtigt, basierend auf gegenseitigem Zuhören und Lernen und gemeinsamer Teilhabe.

 

Die EU-Strategie der internationalen Kulturbeziehungen spricht davon, „einen neuen Geist … der weltweiten Solidarität“ zu wecken. Das kann jetzt in die Realität umgesetzt werden. Nutzen wir diese außergewöhnliche Zeit dazu.

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in Politik & Kultur 07-08/2020.

Gitte Zschoch
Gitte Zschoch ist Generalsekretärin des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa).
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